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Bis zu 6300 brutto für die Zirkusartistin

Foto: Markus Palmer / Bearbeitung: SZ Jetzt

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Lea ist professionelle Artistin und arbeitet für einen der berühmtesten Zirkusse der Welt, Cirque du Soleil. Der Job ist körperlich anstrengend und sozial eine Herausforderung, weil Lea viel reisen muss und ganz andere Arbeitszeiten hat als Leute mit einem gewöhnlichen Bürojob. Trotzdem liebt sie ihren Beruf, so sehr, dass sie vor Auftritten regelmäßig Schmetterlinge im Bauch hat.

Wie ich zu dem Job gekommen bin

„Ich wusste schon mit fünf Jahren, dass ich Artistin werden möchte und meine Eltern haben mich dabei immer unterstützt. Ich habe lange geturnt und bin später zur Sportaerobic gewechselt. Damals habe ich 25 Stunden pro Woche trainiert. Als ich 15 Jahre alt war, hat mein Vater ein Sabbatical in Kanada gemacht. Dort gibt es in Montreal eine Zirkusschule und da ich immer sehr zielstrebig war, durfte ich das Summercamp besuchen. Ich war in den Jahren darauf noch vier weitere Sommer dort und habe mich parallel zum Abitur auf die Aufnahmeprüfung vorbereitet.“

Wie die Ausbildung an der Zirkusschule war

„Die Ausbildung an der Zirkusschule dauert drei Jahre und man trainiert zwischen sechs und zehn Stunden pro Tag. Ich hatte beispielsweise Fächer wie Tanzen, Theater, Gesang, Handstand, Jonglage oder Akrobatik am Boden. Es gibt immer eine Hauptdisziplin, mit der man sich bei der Schule beworben hat. Ziel ist es, die Schule mit einer eigenen Zirkusnummer zu verlassen. Nach der Schule gibt es zwei Möglichkeiten: Man verkauft diese ganze Zirkusnummer inklusive Kostüm, Lichtdesign und Musik zum Beispiel an einen Weihnachtszirkus, das Varieté oder Events. Das geht meist über ein Video, das man vorher schickt. Die zweite Möglichkeit ist eine Anstellung, wie ich sie jetzt gerade bei Cirque du Soleil habe. Die suchen Leute für ein Showkonzept. Heißt: Sie kaufen mich mit meinen Fähigkeiten ein und konzipieren mit mir zusammen eine Nummer. Zu Cirque du Soleil bin ich über eine Artisten-Datenbank gekommen.“

Meine Shownummern bei Cirque di Soleil

„Ich habe zwei Nummern, mit denen ich für Cirque du Soleil in der Show „Luzia“ auftrete. Meine Hauptnummer ist das Cyr-Rad, also ein großer Metallring, mit dem ich mich drehe. Das kann man sich ein bisschen wie eine Münze vorstellen, die man auf dem Tisch andreht – nur eben, dass sie sich mit mir darin dreht. Meine zweite Nummer ist eine Poledance-Nummer. Dabei bin ich nicht nur an der Poledance-Stange, sondern auch am chinesischen Mast. Der sieht ähnlich aus wie die Pole, nur dass er dicker ist.“

Wie mein Arbeitsalltag aussieht

„Pro Tag habe ich meistens zwei Shows. Ich stehe um 11 Uhr auf und nutze den Morgen zunächst für Social Media, wo ich über mein Zirkusleben berichte, oder schaue mir die Stadt an. Nachmittags gehe ich zum Zelt. Bevor es losgeht, schminke ich mich nach dem Design der Show. Zwischen den Auftritten habe ich 1,5 Stunden Zeit und da gibt es immer etwas zu essen. Feierabend habe ich nicht immer zur selben Zeit, je nach Stadt und Land sind wir zwischen 22 und 0 Uhr fertig. Anschließend gehe ich entweder nach Hause, schaue mit Freunden noch einen Film oder gehe in eine Bar. Im Bett bin ich dann zwischen 1 und 3 Uhr.“

Wie ich mit Aufregung vor der Show umgehe

„Ich habe Rituale, die ich immer wieder mache, um eine positive Energie vor der Show zu bekommen – zum Beispiel bestimmte Handshakes, die ich mit den Technikern hinter der Bühne mache. Im Moment vor der Show merke ich eine besondere Art von Aufregung. Es ist kein Gefühl von Angst und Lampenfieber, eher ein bisschen wie verliebt sein und Schmetterlinge im Bauch. Und ich habe mittlerweile so viel Erfahrung, dass ich weiß, dass ich mich auf meinen Körper verlassen kann und ich sofort in einen Flow komme, wenn ich auf der Bühne stehe.“

Was ich an meinem Beruf gerne mag und was nicht

„Ich liebe es auf der Bühne zu stehen und zu sehen, wie die Menschen durch meine Show einen besonderen Moment erleben und dass ich während meines Auftritts die volle Körperkontrolle habe. Außerdem mag ich neben den tollen Menschen beim Zirkus auch das Reisen sehr gerne. Schwieriger ist das Thema Freundschaften. Es ist nicht so leicht, eine gute Freundschaft aufzubauen, wenn man die Leute selten sieht und auch keinen festen Wohnort hat.“

Was die größte Herausforderung ist

„Die große Herausforderung ist es, jeden Abend die beste Show zu spielen, die man in dem Moment spielen kann. Denn jeder hat schließlich gute und schlechte Tage. Man sollte es aber immer so gut machen, wie man kann, auch aus Respekt vor dem Publikum und dem Job. Für mich ist das immer eine schöne Herausforderung. Ich achte dabei auf das Publikum – und die Leute in den ersten Reihen vergessen manchmal, dass auch ich sie sehen kann. Und wenn da jemand dabei ist, der die Show total feiert, gibt mir das ganz viel Energie zurück.“ 

Was der Job mit dem Privatleben macht

„Im Moment habe ich fast mehr Freizeit als in anderen Jobs. Denn wenn die Show abgebaut und woanders wieder neu aufgebaut wird, habe ich immer eine Woche frei. Das macht sechs Wochen plus nochmal zwei Wochen im Sommer. Und pro Woche habe ich ja auch noch zwei Tage frei. In meiner Freizeit trainiere ich aber auch viel und kümmere mich um eigene Projekte. Es ist mehr ein Lebensstil als ein Job.  

Wenn ich frei habe, wohne ich wieder zuhause bei meiner Familie. Und wenn ich unterwegs bin, kommen sie mich oft in ihrem Urlaub besuchen. Dadurch habe ich nicht das Gefühl, wir sehen uns zu wenig.“ 

Vorstellung vs. Realität

„Der Beruf ist so, wie ich ihn mir vorgestellt habe. Ich habe schon immer viel mit Zirkusleuten gesprochen und hatte daher schon eine konkrete Vorstellung davon, was auf mich zukommen wird. Die hat sich in der Zirkusschule bestätigt und auch jetzt im Arbeitsleben. Da mein Papa aus Madrid kommt, meine Mama aus Hamburg und ich im Süden Deutschlands aufgewachsen bin, war auch das Reisen für mich schon immer normal. Ich bin mit zwei Kulturen und Sprachen aufgewachsen und habe mich deshalb auf das Leben unterwegs gut vorbereitet gefühlt.“

Wie viel ich verdiene

„2022 war ein sehr gutes Jahr für mich, ich habe rund 76 000 Euro brutto verdient. Das wären ungefähr 6 300 brutto im Monat. Ich verdiene aber nicht jedes Jahr so viel. Wenn man feste Verträge hat, ist es einfacher. Als Selbstständige muss man sich sonst ständig um Aufträge kümmern. Mir ist auch bewusst, dass ich zu den am besten verdienenden Artisten zähle. Dafür bin ich dankbar.“

Die Frage, die mir auf Partys immer gestellt wird

„Ich werde oft gefragt, wie viel ich am Tag trainiere. Im Schnitt sind das zwei Stunden. Allerdings kommen da ja auch noch pro Woche zehn Shows dazu, die jeweils zwei Stunden lang sind. Und wenn die Leute mich im Cyr-Rad sehen wollen sie auch wissen, ob mir nicht schwindelig wird oder ich mir schon mal mit dem Rad über den Finger gerollt bin. Mir wird zwar schon mal schwindelig, aber der Körper gewöhnt sich daran. Und über den Finger rollt man sich zum Glück seltener als viele denken.“

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