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2140 Euro brutto für die Siebdruckerin

In ihrem Kreativstudio beschäftigt Nina noch vier weitere Personen: zwei Workshop-Leiterinnen, eine Assistentin und eine Praktikantin.
Foto: Privat / Bearbeitung: SZ Jetzt

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Nina Egli arbeitet drei Tage in der Woche in ihrem Studio und gibt Siebdruck-Workshops. Im Durchschnitt sind die Menschen, die zu ihr kommen weiblich, zwischen dreißig und fünfzig Jahren alt und häufig selbst kreativ veranlagt.

Was ich als Siebdruckerin mache

„Ich mache handgemachten Textildruck, sowohl für kommerzielle Kund:innen als auch für eigene Projekte. Im Studio bedrucken wir zum Beispiel Shirts, Beutel oder auch Socken. Die Skills vermittle ich in Workshops an Privatpersonen oder Gruppen, beispielsweise Teams aus einem Unternehmen.“

Wie mein Arbeitsalltag aussieht

„Grundsätzlich ist der sehr abwechslungsreich: mal im Home Office, mal in der Stadt. In der Regel bin ich aber drei Tage in der Woche von 9.30 Uhr bis 18 Uhr im Studio. Hinzu kommen noch  Workshops. Die anderen Tage sind ‘Puffertage’, weil ich häufig mindestens einen Tag am Wochenende arbeite. Wenn ich Sonntags beispielsweise den ganzen Tag Workshops habe, mache ich Montag frei. Meine Arbeit ist ein Mix aus Mails checken, Angebote schreiben, Workshops vorbereiten und viel Handwerklichem. Dazu gehört zum Beispiel Siebe zu beschichten, Drucken, Farbe zu mischen oder klassisch Aufräumen. Instagram darf man auch nicht vergessen – Fotos machen, dokumentieren, bearbeiten, posten. Um die Workshopkommunikation kümmert sich inzwischen eine Minijob-Kollegin, die ich eingestellt habe.“

Was mein Job mit dem Privatleben macht

„Seit ich selbständig bin, fühle ich mich sehr wohl mit meiner Arbeit. Anfangs habe ich mich aber schwer getan, die Arbeit im Studio zu lassen, weil ich eigentlich lieber nachts arbeite. Mittlerweile mache ich gerne Feierabend und schätze die Struktur. Durch die Praktikant:innen, die ich beschäftige, habe ich einen geregelten Arbeitsalltag. Dadurch, dass die meiste Arbeit im Studio passiert, vermischt sich Berufliches fast nicht mehr mit Privatem. Der einzige Nachteil an meinem Job ist, dass ich manchmal am Wochenende Workshops habe. Aber auch hier achte ich darauf, dass ich maximal an einem Tag am Wochenende arbeite, deshalb ist es nicht schlimm.“

Wie ich zu dem Job gekommen bin

„Die Berufsbezeichnung Siebdruckerin ist nicht geschützt, jede:r darf sich so nennen. Es gibt aber zum Beispiel einen eigenen dreijährigen Ausbildungsberuf zur Medientechnologin Siebdruck. Das habe ich nicht gemacht, mein Weg war etwas ungewöhnlicher: In der Schweiz war ich in der Grafikfachklasse, das ist eine Vollzeitausbildung zur Grafikdesignerin. Bisschen wie ein Studium, aber praxisorientierter. Dort habe ich den Siebdruck kennengelernt und erstmal hobbymäßig angefangen.

Für mein Designportfolio habe ich später an einem Seminar in Düsseldorf teilgenommen und dort ein Jobangebot für eine Traineestelle bei einer Werbeagentur in Frankfurt erhalten. Nach einem halben Jahr habe ich die gekündigt, weil Digital Marketing leider gar nicht meine Welt war. Dann habe ich viereinhalb Jahre als Grafikerin in einem Designbüro gearbeitet. Neben der Arbeit habe ich parallel zuhause gesiebdruckt, weil mir das Handwerkliche gefehlt hat: Taschen, Geschirrhandtücher, Papier. Meine Produkte habe ich dann auf Designmärkten verkauft.

Als sich in meiner kleinen Wohnung das Siebdruckequipment gestapelt hat, habe ich mich erst nach einem Gruppenatelier umgeschaut. Irgendwann hat es mich gestresst, Motive für die Drucke zu erstellen. Also bin ich darauf gekommen, Workshops zu geben, bei denen Leute ihre eigenen Designs mitbringen und ich ihnen die Drucktechnik zeige. Das habe ich mit Freund:innen damals noch in meiner Wohnung ausprobiert. Durch diese Workshops habe ich mir nebenberuflich meinen Platz im Atelier finanziert, hauptberuflich noch im Büro weitergearbeitet. Das hat mich in der Pandemie auch gerettet, als ich keine Workshops mehr geben konnte.

Über Instagram habe ich dann einen Aufruf für Designer:innen gestartet, deren Motive ich gedruckt habe. Über eine Kooperation mit einer Designerin ist dann ein Pulli entstanden, den wir auf Vorbestellungen auch verkaufen wollten. Die Nachfrage hat mich komplett umgehauen. Gleichzeitig konnte ich wieder Workshops geben. Also habe ich mich komplett selbstständig gemacht und Ende 2021 mein jetziges Studio gefunden.“

Welche Fragen man auf Partys gestellt bekommt

„Wenn ich erzähle, dass ich ein Siebdruckstudio leite, kommt immer: ‚Hm, okay, was ist das?‘ und dann erkläre ich, was ich mache und lade zum Workshop ein. Ich hatte bisher nur positive Reaktionen, die Meisten finden es spannend, wenn man etwas Kreatives macht.“

Welche Eigenschaften man für den Job braucht

„Siebdruck braucht auf jeden Fall Commitment. Es ist nicht wie Stricken, weil man es nicht einfach vom Bett aus mit ein paar Nadeln machen kann. Ansonsten braucht man als selbstständige Studiobesitzerin Interesse, sich in alle möglichen Themen reinzufuchsen: Finanzen, Planung, Buchhaltung, Bürokratie. Das gehört zur Selbstständigkeit dazu. Mit Menschen klarzukommen ist auch wichtig, weil man mindestens zwölf Personen in der Woche das Drucken beibringt.“

Vorstellung vs. Realität

„Wenn man recherchiert, wie man sein eigenes Studio aufbaut, landet man schnell in Gründer:innenforen. Dann heißt es: Erster Schritt – Businessplan. Das hat mich immer verwirrt, weil ich ja gar nicht wusste, wohin mit meinem ‚Business’. Ich fand es sehr hilfreich, diesen Plan erst später zu machen und meinen Job erstmal nebenberuflich auszuprobieren. Ich hatte an meinen Job keine Erwartungen, nur die vage Vorstellung: Okay, es gibt diesen Ort und da kann ich machen, was ich will. Ich habe die Selbstständigkeit nicht geplant, genauso wenig meine Liebe zum Siebdruck.“

Wie viel ich verdiene

„Mein Studio hat auf den ersten Blick relativ hohe Einnahmen. Allerdings geht für Materialkosten und Fixkosten des Studios auch wirklich viel wieder raus. Zum Beispiel für Miete, Versicherungen, meine Rente, Farben oder Druckerpatronen. Ich beschäftige drei Minijobs und eine Praktikantin, also zahle ich Gehalt. Und Umsatzsteuer, die man als Selbstständige vielleicht nicht auf dem Schirm hat. Am Ende bleiben mir in diesem Jahr monatlich etwa 2140 Euro brutto, die ich mir selbst auszahle. Ich lege dazu noch Geld zur Seite, um für Steuervorauszahlungen oder mögliche Reparaturen gewappnet zu sein. Mit meinem Gehalt bin ich zufrieden, weil ich von Anfang an schwarze Zahlen schreibe. Wenn ich aber an die 1600 Euro denke, die ich mir letzten Endes netto auszahle, ist das natürlich nicht allzu viel und darf gerne mehr werden.“

Warum ausgerechnet Siebdruck?

„Im Gegensatz zu anderen Druckverfahren, wie Linolschnitt oder Kupferstich, kommt ohne viel Feinarbeit exakt das raus, was man sich wünscht. Das liebe ich an Siebdruck. Außerdem ist das Drucken mein Ausgleich. Es bringt mich runter, wenn ich am Karussell stehe und erstmal 100 Pullis bedrucken darf. Wenn ich zwei Wochen nicht drucke, dann merke ich zum Beispiel, wie ich unruhig werde, weil mir diese repetitive, fast meditative Arbeit fehlt.“

An meinem Job liebe ich außerdem die Flexibilität: Als Studiobesitzerin bin ich selbständig und meine eigene Chefin. Ich muss niemanden fragen, wann ich Urlaub nehmen darf oder was ich wie machen soll. Das mag ich sehr gerne. Vieles fühlt sich außerdem gar nicht nach Arbeit an. Für mich ist die Arbeit im Studio genauso intensiv, wie sich mit Freund:innen zu treffen oder auf ein Konzert zu gehen. Deshalb ist ein Treffen mit Freund:innen keine ‚Auszeit von der Arbeit’ für mich. Um wirklich zu entspannen, liege ich wirklich einfach auf dem Sofa, scrolle auf Instagram oder gucke Filme.“

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