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2500 Euro brutto für die Schäferin

Foto: Xenia Rehm/Bearbeitung: SZ Jetzt

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Bettina Käflein, 24 Jahre, ist seit drei Jahren gelernte Schäferin. Gerade macht sie ihren Meister, um bald auch selbst den Schäfer:innennachwuchs ausbilden zu können. Schon als Kind hat ihre Liebe für die Tiere entdeckt, mit denen sie mittlerweile jeden Tag über die Wiesen streift. 

Wie ich zum Job gekommen bin

„Der Schäferberuf wird oft von Generation zu Generation weitergegeben. Ich bin quer eingestiegen. Mit sechs Jahren habe ich angefangen, bei der Schäferin in meinem Heimatdorf auszuhelfen und sie bei der Arbeit zu begleiten. Anfangs war ich nur beim Hüten dabei. Mit zunehmendem Alter habe ich auch im Stall ausgeholfen – da wurde mir bewusst, was für ein Knochenjob das ist, deswegen waren meine Eltern anfangs auch dagegen. Wir einigten uns darauf, dass ich darüber frei entscheiden kann, sobald ich volljährig bin.

Daher habe ich nach meinem Realschulabschluss noch eine Fachhochschulreife gemacht. Bis dahin haben sie zwar noch versucht, mich mit verschiedenen anderen Praktika umzustimmen, aber das hat mich nicht von meinem Traum abgehalten. Das haben sie dann auch akzeptiert. Die Lehre zur Schäferin habe ich dann mit 18 Jahren begonnen. Das hatte auch den Vorteil, dass ich mein erstes Lehrjahr überspringen konnte. Ein Hauptschulabschluss reicht für die Lehre aus. 

Es gibt in Deutschland nur noch zwei Schulen, die Tierwirte in der Fachrichtung Schäferei ausbilden, nämlich in Triesdorf und Halle. Zusätzlich zur Ausbildung kann man danach wie ich den Meister in Schäferei machen. Dann darf man auch selbst ausbilden – und der Betrieb, in dem man angestellt ist, kann sich als Ausbildungsbetrieb bewerben. Theoretisch kann man als Tierwirt in jedem landwirtschaftlichen Betrieb arbeiten. Wenn man in der Fachrichtung Schäferei ausgebildet wurde, kann man auch in einer reinen Schäferei arbeiten. Das mache ich gerade.“

Welche Fragen ich auf Partys gestellt bekomme

„Wenn jemand nach meinem Job fragt, , kommt nach meiner Antwort immer: ,Oh Gott, mein Beileid.‘ Aber es ist wirklich nicht so schlimm. Ich habe mir den Beruf schließlich ausgesucht, und jeder Job hat seine Vor- und Nachteile. Für mich persönlich wäre ein Bürojob eine absolute Hölle. Manche Leute können mit dem Schäferberuf vielleicht erstmal nichts anfangen und wissen dann nicht, was sie dazu sagen sollen. Da können die Leute gerne mal zu mir und den Tieren auf die Weide kommen und sich das genauer anschauen.”

Wie mein Arbeitsalltag aussieht 

„Spätestens um acht Uhr morgens muss ich im Stall sein - anders als meine Hütehunde wohne ich nicht auf dem Hof. Meinen ersten Hütehund habe ich 2018 in der Ausbildung bekommen und dann nach der Lehre übernommen. Mittlerweile habe ich fünf. Es ist von Vorteil, seine eigenen Hunde zu haben, da jeder Hund individuell vom Schäfer ausgebildet wird.

Im Stall schaue ich, ob ein Schaf gelammt hat, sodass die Lämmer zuerst versorgt werden können. Sonst macht man, was im Stall anfällt: Futter auffüllen, Wasser geben, den Stall einstreuen. Danach geht es mit meinen Hunden raus zum Rest der Schafherde – denn nur jene Schafe, die lammen, halten sich im Stall auf, der Rest bleibt eingezäunt auf der Weide. Den restlichen Tag sind wir unterwegs: im Winter auf den Wiesen der Landwirte und zu anderen Jahreszeiten auf den Naturschutzflächen meines Betriebs, je nach Vegetation. Das Hüten läuft folgendermaßen ab: Meine Hunde geben die Grenze vor, und innerhalb dieser Grenze grasen die Schafe. So weiden wir bis in den Abend – auch wenn es regnet, windet und kalt ist. Im Durchschnitt lege ich bis zu 20 000 Schritte am Tag zurück. Zu Feierabend werden die Schafe, die draußen auf der Weide bleiben, wieder eingezäunt und ich fahre mit den gelammten Schafen und ihren Lämmern zurück zum Stall. 

 

Neben dem Hüten können noch Nebenaufgaben anfallen. Zum Beispiel werden viele unserer Lämmer zum Schlachter gebracht, wenn sie so weit sind. Zum Schlachter kommen überwiegend die Bocklämmer, die weiblichen Lämmer bleiben bei der Herde. So werden mit der Zeit jene Schafe, die zu alt werden, durch jüngere ausgetauscht. Mein Betrieb verdient hauptsächlich durch die Landschaftspflege Geld, also durch die Beweidung von Naturschutzgebieten oder Flächen, die maschinell nicht gepflegt werden können. Mit Milch- und Wollproduktion verdienen wir in unserem Betrieb nichts dazu, das gehört aber sonst auch zu den Aufgaben eines Schäfers.“

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Foto: Privat

Welche Eigenschaften man für den Job braucht  

„Als Schäfer ist man Tierarzt, Hebamme und Landschaftspfleger gleichzeitig. Man muss lernfähig und selbstständig sein. Und man braucht ein gutes Auge für das Vieh: Krankheiten sollten schnell erkannt werden. Man muss seine Tiere gut kennen. Da man viel mit ihnen zu tun hat, braucht es Geduld. Manchmal funktioniert es mit den Tieren nicht so, wie man es sich wünscht. Und wetterfest zu sein schadet bei dieser Arbeit natürlich auch nicht. 

Ums Schlachten kommt man nicht herum, bereits in der Ausbildung wird man damit konfrontiert. Das gehört dazu und man muss das können – man weiß vorher schließlich nicht, ob man nicht doch in einen Schlachtbetrieb kommt. Bei uns schlachten wir nicht selbst, deswegen muss ich das auch nicht machen. Trotzdem ist es wichtig, das Töten zu lernen: Wenn du unterwegs bist und ein Tier Qualen leidet, weil zum Beispiel ein fremder Hund in die Herde gekommen ist und es gebissen hat. Wenn die Medikation nicht mehr hilft muss man das Tier erlösen können. In so einem Fall telefoniere ich währenddessen mit jemandem, damit ich auf andere Gedanken komme – einen Bolzenschuss abzudrücken ist für mich immer noch echt heftig. So eine Nottötung kommt aber selten vor.“

Was der Job mit dem Privatleben macht 

„Mein Tag besteht oft nur aus Schlafen und Arbeit. Manchmal kommen meine Freundinnen zum Hüten vorbei, bringen ein kleines Picknick mit und dann vespern wir in der Mittagspause gemeinsam. Da wollen die Tiere immer mitknabbern, meine Freundin nimmt daher auch extra etwas für sie mit, zum Beispiel Käse und Wurst für meine Hunde. Auch meinem Freund und mir bleibt nicht viel Zeit zu zweit. Manches im Haushalt bleibt liegen, weil man abends keine Kraft mehr dazu hat. Wenn ich es gerade brauche, kann ich bei meinem Chef anfragen, wann ich mal wieder frei bekomme. Dass man wenig Zeit für Privates hat, muss man aber aushalten können. Denn ich habe kein klassisches Wochenende. Es ist schwierig, mal zwei Wochen am Stück zu fehlen, daher muss man seine Urlaubstage nach der Betriebslage richten.“

Vorstellung vs. Realität

„Dieses romantische Bild vom Schäferleben hatte ich nie. Jeden Tag im Stall und auf der Weide zu stehen war für mich dennoch sehr ungewohnt. Es ist schon heftig, wie körperlich anstrengend die Arbeit ist. So ein Schaf kann auch mal 120 Kilogramm wiegen, Böcke sogar 160 Kilogramm. Damit muss man physisch umgehen können. Außerdem muss man den Tag durchhalten können, gerade beim Hüten. Da passiert nicht immer viel Action und das kann sich auch mal langweilig anfühlen. Es gehört viel Leidenschaft dazu. Landwirtschaftsberufe sind außerdem sehr männergeprägt. Aber ich merke, dass sich das mehr und mehr wandelt. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass man bei der Arbeit wissen sollte, wie man sich durchsetzen kann, um als Frau ernst genommen zu werden.“

Wie viel ich verdiene

„Ich bekomme 2500 Euro brutto im Monat, durch meine vorherige Erfahrung ist das etwas mehr als durchschnittlich üblich. Den Lohn finde ich für den Arbeitsaufwand gerechtfertigt und bin damit zufrieden. Ich komme über meine Runden, kann meine Miete zahlen und immer noch etwas auf die Seite legen. Doch beim Einkaufen merke ich immer wieder, wie viel weniger man mittlerweile für sein Geld bekommt. Viel mehr zu verdienen ist in der Branche schwierig, aber der Lohn variiert von Betrieb zu Betrieb. Manchmal bekommt man auch die Wohnung oder das Fahrzeug gestellt. Es kommt darauf an, wieviel der Betrieb selbst erwirtschaftet. Das wirkt sich auf unsere Gehälter aus.“

Warum die Schäferei eine Zukunft braucht 

„Die Schafhaltung ist in Deutschland extrem zurückgegangen. Es gibt mittlerweile viele Flächen, die verwildern, weil Schäfereien nicht mehr wirtschaftlich tragbar sind. Dabei ist die Schäferei essenziell für den Naturschutz und die Landschaftspflege. Flächen, die nicht maschinell bearbeitet werden können, sind auf den Verbiss der Tiere angewiesen. Schafe tragen durch ihre Wolle Samen und Insekten umher, die unsere Artenvielfalt aufrecht erhalten. Leider fehlt uns der Nachwuchs. Viele Schäfereien müssen alters- oder wirtschaftlich bedingt schließen.“

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