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„Bleibt der Zug liegen, bist du tot“

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Jody MacDonald wird diesen Moment nie vergessen. In Mauretanien hockte sie auf einem offenen Güterwaggon, unter ihr Tausende Brocken dreckiges, braunes Eisenerz, draußen zog die Saharawüste vorbei, dann ging es los.  

Der Wind zog an, die Wolken kamen näher, es begann zu regnen. Nach ein paar Minuten blies der Sturm 150 km/h schnell. MacDonald presste sich in eine Ecke des Waggons, doch die bot kaum Schutz. Wasser und Sand peitschten ihr ins Gesicht. „Es fühlte sich an, als würde Schmirgelpapier meine Haut abschaben“, erzählt MacDonald auf ihrem Blog. „So einen Orkan habe ich noch nie erlebt.“ 

MacDonald, 39, strohblonde Haare, braun gebranntes Gesicht, ist Dokumentarfotografin. Für ihre Bilder wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Ende vergangenen Jahres machte sie sich auf die Reise durch Nordwestafrika, um ein Land voller Kontraste zu dokumentieren. Es wurde ihr bislang gefährlichster Trip.     

Los ging es mitten in der Nacht. Mit Rucksack, Stirnlampe, Proviant und einem Team von Surfern kletterte sie in der Bergbaustadt Zouérat auf einen 2,5 Kilometer langen Eisenerzzug – einem der längsten der Welt. 652 Kilometer ratterte sie quer durch die Wüste bis an die Küste des Landes in die Hafenstadt Nouadhibou – zum Surfen und Schiffswracks fotografieren. 13 Stunden kauerte MacDonald auf kantigen Eisenerz-Brocken, der Kopf in ein Tuch gehüllt, auf der Nase eine Skibrille gegen Wind und Sandkörner. 

Eisenerz ist das Gold Mauretaniens, der wichtigste Export-Rohstoff des Landes. Millionen Tonnen werden jedes Jahr in den Mienen abgebaut und aus der Wüste zur Verschiffung an die Atlantikküste gekarrt – über die einzige Bahnlinie des Landes. 

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Bis zu 200 Waggons lang und 17.000 Tonnen schwer sind die Züge. Auch Personen dürfen mitfahren – in den Frachtwagen kostenlos, im einzigen Passagierwagen für ein paar Dollar, einen Kontrolleur gibt es nicht. Für die Bergarbeiter ist der Zug die einzige Möglichkeit, in Richtung Westen zu kommen.

MacDonald sagt, sie habe immer davon geträumt, auf einem dieser Waggons zu schlafen, mit dem Geruch der Wüste in der Nase. Sie wusste, dass es unbequem werden wird, zwei Monate hatte sie den zwölf Stunden langen Trip geplant. „Reisen ohne Opfer zu bringen, ist für mich kein Reisen“, sagt MacDonald.

Schon als Kind wollte sie jeden Tag unterwegs sein, ein festes Zuhause habe sie nie vermisst. In Kanada wurde sie geboren, in Saudi-Arabien wuchs sie auf, umgeben von Sand, Gräsern und Oasen aus Dattelpalmen. Auf dem Sofa der Eltern blätterte sie durch National-Geographic-Magazine, in Gedanken flog sie nach Südamerika, Nepal, Indien.

  • Im Land leben mindestens 150.000 Sklaven

2006 schiffte MacDonald mit ihrem Freund über die Weltmeere, ging im Atlantik surfen und im Pazifik Speerfischen. Sie segelte mit einem Paragleitschirm über den Himalaya und tauchte auf den Malediven mit Walen. „Aber die Wüste“, sagt sie, „die hat mich nie losgelassen.“

MacDonald reizen Extreme. Mauretanien ist extrem. Das Land ist fast doppelt so groß wie Frankreich, 90 Prozent sind von Sand bedeckt. Der Staat gehört zu den ärmsten der Welt, von den 3,6 Millionen Einwohnern leben mindestens 150.000 als Sklaven. In der nördlichen Grenzregion liegen noch immer etliche Minen vergraben – eine Hinterlassenschaft des Westsahara-Konflikts.

"Die Hitze war eine der größten Herausforderungen", sagt MacDonald. 50 Grad Celsius am Mittag waren nur durch den Fahrtwind und literweise Wasser erträglich. Sie verstand nun, warum die Sahara auch „Grab des weißen Mannes“ genannt wird. „Du kannst dich vor ihr nicht verstecken“, sagt MacDonald. „Bleibt der Zug liegen, bist du tot.“

Einmal blies der Wind so stark, dass sie sich in den Personenwagen retten wollte, erzählt MacDonald. Doch der Sturm drückte so sehr gegen die Wagentür, dass sie nicht aufzukriegen war. Als es MacDonald endlich in die Kabine geschafft hatte, sah sie einen ihrer Kollegen am Boden kauern. Sein Körper war übersät von Schnittwunden, um ihn herum lagen Glasscherben. Der Wind hatte das Fenster bersten lassen.

In Nouadhibou, am Ziel ihrer Reise angekommen, wollte MacDonald so schnell es ging ins Wasser, Wellenreiten und Bilder von rostigen Schiffswracks machen. Am Abend schlenderte sie am Hafen eines nahegelegenen Dorfes entlang, fotografierte einen Fischer. Als sie am nächsten Tag noch einmal zu ihm ging, war er nirgends zu finden. Wie sie herausfand, war er vom Boot gefallen und ertrunken. „Das muss man sich mal vorstellen“, sagt MacDonald. „Diese Männer leben vom Fischfang und können nicht schwimmen! Ein Wahnsinn dieses Land.“ 

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