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Ein Jahr bedingungslose Grundeinkommen in Finnland
560 Euro mehr im Monat. Und das auch noch vom Staat. Seit Januar 2017 erhalten in Finnland 2000 Teilnehmer zwei Jahre lang jeden Monat ein bedingungsloses Grundeinkommen. Ganz ohne steuerliche Abzüge. Einzige Bedingung: Man musste im November 2016 unbefristet als arbeitslos gemeldet sein. Der Testlauf ist Teil einer Studie, die zeigen soll welche Vorteile und Nachteile die Einführung eines Grundeinkommens mit sich bringen.
Eine der zufällig ausgewählten Testpersonen ist Mira Jaskari, 35. Mira lebt in Helsinki und hat mit uns darüber gesprochen, wie es ist, jeden Monat ein bedingungsloses Grundeinkommen zu beziehen.
jetzt: Wie hast du reagiert, als du erfahren hast, dass du ab Januar 2017 einfach so 560 Euro mehr im Monat haben wirst?
Mira: Ich war erst einmal sehr positiv überrascht. Danach habe ich überlegt, was das Experiment eigentlich für meinen Alltag bedeutet und wie es mein Leben beeinflussen wird.
Und?
Tatsächlich hat es mein Leben gar nicht so sehr verändert. Ich bin momentan wieder arbeitslos und beziehe daher weiterhin zusätzliche Sozialleistungen. Aber natürlich bin ich jetzt freier, Arbeit anzunehmen, die mich wirklich interessiert und für die ich auch wirklich geeignet bin. Als ich vergangenes Jahr zwischendurch gearbeitet habe, war es außerdem sehr angenehm, das Grundeinkommen neben meinem sonstigen Verdienst zu behalten.
Was hast du vor dem Beginn des Projekts gemacht?
Ich habe eine kaufmännische Ausbildung und eine als Hotel- und Restaurantfachfrau gemacht. Danach habe ich sowohl in der Gastronomie als auch in Büros gearbeitet. Doch dann wurde ich arbeitslos und mein Leben damit schwieriger.
Wie sah dein Jahr mit Grundeinkommen aus?
Vergangenes Jahr bin ich im Februar von Vantaa nach Turku gezogen, um dort zu arbeiten. Dann hat mein Partner eine Stelle in Helsinki bekommen, seitdem lebe ich dort. Im Moment arbeite ich nicht, da ich gesundheitliche Probleme habe. Auch für meine Familie da zu sein, ist mir gerade sehr wichtig. Dank des Grundeinkommens habe ich jetzt mehr Zeit dafür und kann mich erst einmal erholen. Wenn es mit diesen Dingen besser läuft, will ich aber wieder verstärkt nach einem Job suchen.
Hilft dir das Grundeinkommen bei der Jobsuche oder kannst du dich nun besser auf eigene Projekte konzentrieren?
Eigene Projekte habe ich zwar gerade nicht, aber ich würde mich gerne mehr ehrenamtlich engagieren. Außerdem investiere ich gerade in mein Wohlbefinden und mache mir Gedanken darüber, wie es weitergehen soll. Ich würde gerne noch einmal eine andere Ausbildung machen. Ohne das Grundeinkommen wäre das alles schwieriger.
„Ich möchte ja wieder arbeiten und bin sicher, dass das bei den meisten Menschen so ist“
In Deutschland wird oft angemerkt, ein Grundeinkommen führe dazu, dass niemand mehr arbeiten geht. Was sagst du Kritikern, die meinen, Grundeinkommen mache „faul“?
An so was glaube ich nicht. Ich möchte ja auch wieder arbeiten und ich bin sicher, dass das bei den meisten Menschen so ist. Gerade wie in meinem Fall, wenn man zeitweise nicht arbeiten kann, hilft ein Grundeinkommen enorm.
Was müsste sich noch politisch ändern, um den Weg zurück in die Arbeit zu erleichtern?
Es wäre hilfreich, wenn man zum Beispiel auch Mal kürzere Arbeitsverträge für nur einen Monat annehmen könnte, ohne gleich einem riesigen bürokratischen Aufwand ausgesetzt zu sein.
Findest du, dass jeder Mensch ein Grundeinkommen erhalten sollte?
Zumindest diejenigen, die finanziell schlecht gestellt sind. Wenn man es für alle einführt, sollte man jedoch Abstufungen je nach Einkommen machen.
Wie könnte man das finanzieren?
Um ehrlich zu sein, glaube ich nicht, dass wir hier im gelobten Land der Bürokratie so bald ein Grundeinkommen einführen. Deswegen habe ich mir diesbezüglich auch erst wenige Gedanken gemacht. Ich finde es aber unfair, dass so viele Menschen um ihren Lebensunterhalt kämpfen müssen, während andere im Überfluss leben. Daher sollte man die Reichen mehr besteuern. Durch eine große Steuerreform könnte es mit dem Grundeinkommen dann tatsächlich klappen. Auch wenn 560 Euro allein noch nicht zum Leben reichen.
Aus dem Finnischen übersetzt von Jere Miinalainen.