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Die Arbeiter im Hintergrund
Manche Berufe glitzern ein bisschen mehr als andere. Popstar zum Beispiel, oder TV-Comedian. Berufe, bei denen Menschen gefilmt oder gestreamt werden, einem von Plakatwänden in U-Bahnhöfen entgegen lächeln. Man könnte sagen: Berufe, bei denen Menschen sehr stark im Vordergrund stehen.
Dann gibt es da aber auch immer jene, die im Hintergrund agieren. Die am Erfolg des jeweiligen Stars möglicherweise einen großen Anteil haben, deren Arbeit aber meist im Verborgenen stattfindet. Autorinnen und Autoren zum Beispiel, die die Gags für Jan Böhmermann schreiben. Junge Köche, die unter berühmten Drei-Sterne-Chefs kochen. Oder Musiker, die die Songs schreiben, mit denen Chartbands später durch die Hallen ziehen.
Wir haben uns gefragt: Wie ist es, hinter den Kulissen zu arbeiten?
Christian Huber, 33, Autor beim Neo Magazin Royale
„Als ich noch externer Autor war, wusste ich vor der Ausstrahlung nicht, ob ein Gag von mir in der Sendung vorkommt. Ich saß dann immer auf der Couch, hab mir die Sendung angesehen, den Standup, und wenn Jan einen Gag von mir gebracht hat, stand ich jubelnd auf der Couch. Wie wenn ein Tor für meinen Lieblingsfußballverein fällt.
Inzwischen arbeite ich fest im Autorenteam, da sind wir sechs Leute und ein Head-Writer. Jeder hat eigentlich immer die Möglichkeit, an allem mitzuschreiben, was in der Sendung passiert, Anmoderationen, Einspieler, am Standup. Es gibt kaum Stücke, die man komplett alleine schreibt. Die Arbeit im Team ist dann wie in wahrscheinlich jeder Firma: Man diskutiert viel und versucht, die beste Lösung zu finden. Der Austausch untereinander ist wahnsinnig wichtig. Vor allem durch dieses Rumspinnen und Rumblödeln fallen einem wahnsinnig viele Dinge ein.
Wenn ich zuhause schreibe, setze ich mich in meinem Wohnzimmer auf die Couch, setze mir Kopfhörer auf und lege Regengeräusche drauf. Dann versuche ich, in einen Tunnel zu kommen, versuche, alles andere auszublenden. Wenn ich zum Beispiel eine Nummer fürs Neo Magazin Royale schreibe, versuche ich mir vorzustellen, wie Jan den Gag machen würde. Ich weiß ja ungefähr, wie er betont, wie sein Rhythmus beim Sprechen ist. Dann versuche ich, die Punchline schon so zu strukturieren, dass sie vom Rhythmus her passt.
Seit ich zum Autorenteam gehöre, habe ich extrem viel dazugelernt. Weil da Leute drin sitzen, die viel lustiger sind als ich. Man kann Humor nicht lernen, aber man kann ihn erweitern und sich gewisse Mechanismen aneignen, nach denen ein Gag funktioniert.
Was ich besonders mag: Wenn ein Gag von mir vor Publikum gebracht wird. Ich hab zum Beispiel ein Comedy-Programm für einen bekannten bayerischen Comedian mitgeschrieben. Es ist wahnsinnig cool, wenn der das vor einer Halle mit 1500 Leuten performt, die sich wegschmeißen vor Lachen. Ich muss in dem Moment aber nicht selbst auf der Bühne stehen. Im Gegenteil: Ich bin nicht sehr stark auf der Bühne, ich gebe das lieber ab. Wenn ich mir vorstelle, ich müsste jede Woche eine Fernsehsendung moderieren: brauch ich nicht. Ich steh nicht so gern im Fokus.“
Wolfgang Preßler, 32, Sous Chef im Sterne-Restaurant Aqua in Wolfsburg
„Kochen ist ein Mannschaftssport. Wenn da einer nur für sich arbeiten würde, passt auf dem Teller nichts zusammen. In der Küche unseres Chefs Sven Elverfeld arbeiten im Moment elf Köche. Meine Rolle ist die des Sous Chefs. Ich bin ich das Bindeglied zwischen Küchenchef und Küche. Wenn es Probleme mit Lieferanten gibt, wir zum Beispiel einen bestimmten Fisch nicht bekommen, muss ich einen Ersatz organisieren. Ich sorge für einen reibungslosen Ablauf und schaue darauf, dass die Hygienestandards eingehalten werden. Auch die Disziplin in der Küche gehört zu meinen Aufgaben. Wir haben generell ein lockeres Klima. Wenn's zu laut wird, sag ich aber schon mal: ,Jungs, geht’s auch leiser?‘
Neue Gerichte entwickeln wir immer zusammen. Erst sprechen wir mit dem Chef ab, was grad Saison hat. Um Ostern denkt man zum Beispiel über Lamm nach. Da schaut man, welche Gemüse auf den Markt kommen, was dazu passt. Jeder wirft seine Ideen in die Runde. Möglichst originell, möglichst neu. Wenn man jedes Jahr das gleiche kocht, bleiben die Gäste aus. Dann versucht man, das Beste rauszuholen. Probiert verschiedene Zubereitungen aus, schaut, ob eher ein Gelee passt oder eine Sauce, denkt über das Anrichten nach. Bis ein Gericht mal auf dem Teller ist, vergehen mal drei Tage, mal mehrere Wochen.
Als Sous Chef stehe ich nicht im Vordergrund. Das Aqua ist das Lebenswerk von Sven Elverfeld, er ist seit 18 Jahren Patron dieses Restaurants. Deshalb verbinden die Gäste das Aqua mit ihm und wissen zu 95 Prozent nicht, wer der Sous Chef ist. Dafür lerne ich sehr viel von ihm. Das handwerkliche Feingefühl zum Beispiel. Wenn ich vergleiche, wie ich früher angerichtet habe, und wie ich es heute mache, dann sehe ich da sehr stark den Einfluss meines Chefs. Herr Elverfeld versucht immer, Dinge anders zu machen, da stehe ich dann daneben und denk mir: Das wäre mir nicht eingefallen.
Ich möchte mich natürlich in der Zukunft auch weiterentwickeln und strebe eine Position als Küchendirektor an. Der Posten des Sous Chefs ist eigentlich eine Vorbereitung darauf. Eine Lehrzeit in Sachen Kreativität, Menüplanung, Personalplanung.“
Christian Raab, 32, Songwriter, unter anderem für Glasperlenspiel
„Im Idealfall läuft es im Songwriting wie in einer funktionierenden Demokratie: Man setzt sich zusammen, fragt sich aus, jeder sagt seine Meinung und dann diskutiert man darüber. Man geht einen Konsens ein, an dessen Ende ein fertiger Song steht.
Meistens legt man so um 10 Uhr los. Mit Leuten, mit denen man gern arbeitet. Oft setzt sich einer einfach ans Klavier und spielt mal die ersten Akkorde. Dann programmiert einer in der Runde einen Beat dazu ein. Meine Stärken liegen vor allem im Texten und im Schreiben einer Gesangsmelodie. Wenn mir also eine gute Zeile einfällt, singe ich die drüber oder rufe sie in die Runde. So geht das Stück für Stück, und wenn es gut läuft, ist der Song nach einem Tag fertig. Das Grundgerüst zumindest. Wenn es sogar sehr gut läuft, stehen am Schluss alle tanzend im Raum und flippen aus.
Es ist eher hinderlich, wenn jemand in so einer doch sehr intimen Situation sein Ego nicht zurückfahren kann. Denn beim Entwickeln eines Songs gibt es Ideen, die für sich genommen vielleicht ganz gut sind, aber einfach manchmal nicht zum Song passen. Außerdem kommt hinterher oft noch die Feedback-Schleife, die Rückmeldungen vom Label oder von dem Künstler, mit denen man arbeitet. Womöglich werden dann bestimmte Teile des Songs noch mal umgeschmissen.
Stilistisch sollte man ziemlich anpassungsfähig sein, je nachdem, für wen man komponiert. Ich habe zum Beispiel Songs für die Schlagersängerin Michelle geschrieben, aber auch Songs mit Sido für andere.
Mein bisher bekanntestes Lied ist wahrscheinlich ,Geiles Leben‘ von der Band Glasperlenspiel. Live habe ich das zum ersten Mal gesehen, als Glasperlenspiel Vorband von Helene Fischer war. Das ist der Moment, in dem du weißt: Wow, du hast es geschafft. Du hast deinen Titel in die Ohren von Tausenden Menschen gebracht. Das ist ein schönes Gefühl. Aber dass es mich dabei in den Fingern jucken würde, selbst auf die Bühne zu steigen? Nein, das hab ich sehr früh abgelegt. Ich bin keine Rampensau.“