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Viele junge Menschen fürchten sich in der Pandemie vor der Zukunft

Verbeamtet zu sein, bedeutet auch, finanziell abgesichert zu sein. Oder?
Foto: Valeriy Lebedev / Adobe stock / Illustration: Daniela Rudolf-Lübke

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Das Meme der Stunde ist ein Golden Retriever, der mit Krawatte um den Hals auf einem Laptop herumtippt, während im Hintergrund eine Großstadt explodiert. Darüber steht: „Jobbewerbungen inmitten einer globalen Pandemie.“ Das ist lustig, weil sich die Situation für viele eben genauso katastrophal anfühlt: Während Unternehmen Einstellungsstopps verhängen, Praktika absagen und es auch kaum mehr Minijobs gibt, fragen sich viele junge Menschen gerade, wie es für sie nach dem Abschluss, der Ausbildung oder dem Studium weitergehen soll. In der Online-Umfrage „Jugendalltag 2020“ der Universitäten Hildesheim und Frankfurt gaben 45 Prozent der Jugendlichen und jungen Erwachsenen an, Angst vor ihrer Zukunft zu haben.

Aber was macht diese Angst mit den Leuten? Suchen deshalb mehr junge Menschen nach Berufen, die „krisensicher“ sind? Geht es um „krisensichere Berufe“, ist häufig vom Angestelltsein im öffentlichen Dienst und dem Beamtentum die Rede – also von einer Anstellung beim Staat. Aber wollen jetzt wirklich mehr junge Menschen Beamt*innen werden? Und: Wie steht es eigentlich um das verstaubte Behörden-Image?

Wer Beamt*in werden will, muss das mit der Bürokratie erst einmal verstehen

Laura ist 28 Jahre alt und möchte in den öffentlichen Dienst wechseln. Sie ist selbstständige Kommunikationsdesignerin und sagt, das sei in der Krise nicht immer leicht gewesen, weil ihre Einnahmen von der Auftragslage abhängen würden. Sie sagt auch, dass sie jetzt an einem Punkt in ihrem Leben sei, an dem sie mehr Sicherheit brauche: Ihr Sohn ist fünf Jahre alt, bald will sie heiraten. „Nach dem Abi wollte ich jung und frei sein, die Welt entdecken und Dinge erleben“, sagt sie, „mittlerweile will ich einen sicheren Arbeitgeber, um den Kopf frei zu haben.“ Aktuell durchsucht sie Stellenausschreibungen und bewirbt sich, aber für sie als Quereinsteigerin sei das schwierig: „Oft sind spezifische Ausbildungen gefordert und obwohl ich jetzt nicht weniger qualifiziert bin als andere, braucht es die eben wegen der Bürokratie.“

Wer Beamt*in werden will, muss das mit der Bürokratie erst einmal verstehen. Es gibt viele verschiedene Berufsfelder im öffentlichen Dienst: Polizei, Feuerwehr, Justiz, Verwaltung, Schulen. Je nach Ausbildung und vorhandenem Abschluss gibt es vier Qualifikationsebenen: Einfacher Dienst, Mittlerer Dienst, Gehobener Dienst oder Höherer Dienst. Die Zugangsvoraussetzungen sind je nach Bundesland unterschiedlich. Grundsätzlich gibt es aber auch im öffentlichen Dienst die Möglichkeit, mit einer Ausbildung, einem (dualen) Studium oder als Quereinsteiger*in anzufangen. Bevor man auf Lebenszeit verbeamtet wird, ist man zunächst „Beamt*in auf Widerruf“ und „Beamt*in auf Probe“.

Beamt*innen schwören ihrem Amts- oder Diensteid auf das Grundgesetz und müssen nicht in die Sozialversicherung einzahlen, wie beispielsweise die Arbeitslosenversicherung oder die Rentenkasse. Ihre Renten werden von Steuergeldern bezahlt, sie sind privat krankenversichert und sind quasi unkündbar. Für die Einstellungen von Beamt*innen ist in Bayern beispielsweise der Landespersonalausschuss zuständig, in anderen Bundesländern die Personalabteilungen der jeweiligen Ministerien.

Fragt man dort nach, sagt Nordrhein-Westfalen, dass es einen leicht positiven Trend gebe, aber nicht klar sei, ob das an der Corona-Pandemie liege. Auch aus Berlin heißt es, dass es seit einigen Jahren ein gestiegenes Interesse am öffentlichen Dienst gebe, aber unklar sei, ob das pandemiebedingt oder „Berlin-bedingt“ sei. In Bayern, Brandenburg, Bremen und Niedersachsen habe es keine Veränderung gegeben, nur Hamburg gibt an, dass dort die Bewerbungen 2020 in allen Bereichen im Schnitt um etwa 30 Prozent angestiegen seien. Grundsätzlich sei es noch zu früh, um Auswirkungen der Corona-Pandemie zu erkennen – auch weil einige Bewerbungsverfahren noch nicht abgeschlossen sind.

Tatsächlich sind von den wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise besonders junge Menschen betroffen: In der Europäischen Union haben sich laut Eurostat im vergangenen Jahr zwei Millionen Menschen mehr arbeitslos gemeldet, etwa 22 Prozent davon waren Menschen unter 25 Jahren – und das, obwohl sie nur zehn Prozent der europäischen Gesamtbevölkerung ausmachen. Diese Unsicherheit könnte „krisensichere“ Berufe für junge Menschen attraktiver machen und damit tatsächlich eine Trendwende sein, denn in den vergangenen Jahren wurde in Deutschland immer wieder Nachwuchsprobleme im öffentlichen Dienst beklagt. 

Die Krise allein wird das Nachwuchsproblem des öffentlichen Dienstes aber voraussichtlich nicht lösen

Bittet man Karoline Herrmann, Vorsitzende der DBB Jugend, dem Bundesverband junger Beamt*innen, nur die Dinge aufzuzählen, die den öffentlichen Dienst für junge Menschen bisher eher unattraktiv gemacht haben, kommt Folgendes zusammen. Erstens: die Digitalisierung. Herrmann sagt: „Die Ausstattung ist oft nicht so gut, da hängt der öffentliche Dienst hinterher, außerdem gibt es regionale Unterschiede und jede Kommune ist auf sich gestellt.“ Zweitens: Die Wertschätzung – finanziell, aber auch von Bürger*innen – sei manchmal nur sehr gering. „Dazu gehört leider auch Gewalt gegen Beschäftigte im öffentlichen Dienst“, sagt Herrmann. Sowohl bei einer besseren Work-Life-Balance als auch beim mobilen Arbeiten, nutze der öffentliche Dienst sein Potenzial noch nicht aus, sagt Herrmann, mit etwas mehr Flexibilität könne er Vorreiter werden.

In der Praxis sieht das dann so aus: Lisa ist 25 und arbeitet seit drei Jahren in einem Berliner Bezirksamt. Sie ist dafür zuständig, die neuen ersten Klassen einzuteilen. Während der ersten Corona-Monate sei sie sehr froh gewesen, Beamtin zu sein – weil sie sich keine Sorgen um ihren Job oder das Geld machen musste. Das war das Gute. Das nicht so Gute: Es war nicht möglich, aus dem Homeoffice zu arbeiten, weil es keine Laptops gab. Das sei schon länger ein Thema gewesen. In einer Behörde kann man aber nicht einfach ein paar Laptops kaufen, das Geld muss in einem Haushaltsplan verankert sein. „Das muss eigentlich schon zwei Jahre vorher geplant und noch von zehn Leuten geprüft werden“, sagt Lisa. Corona habe dem Ganzen natürlich noch einmal einen Anstoß gegeben, aber das hieße nicht, dass das jetzt wirklich schnell umgesetzt werden kann. 

Sie mache ihren Job gerne, aber in manchen Punkten komme der öffentliche Dienst einfach nicht gegen die „New Work“-Kultur der freien Wirtschaft an. Was da helfen würde? Ein Pausenraum: „Wir haben weder Kantine noch Snackautomaten und essen oft einfach am Schreibtisch.“ Oder ein Getränkespender: „Die Leitungen im Haus sind so alt, dass man das Wasser nicht trinken kann.“ Lisa sagt aber auch, dass sie sich mittlerweile damit abgefunden habe und das außerdem ja auch schon vorher gewusst hätte.

Sie macht jetzt nebenbei eine Ausbildung zur Kunsttherapeutin. Eigentlich war das ihr Traumjob, aber die Ausbildung ist teuer und der Beruf unsicher. Mit ihrer Vollzeitstelle als Beamtin kann sie nebenbei das machen, was sie wirklich will. Die Krise allein wird das Nachwuchsproblem des öffentlichen Dienstes also voraussichtlich nicht lösen. Genauso wenig wird der öffentliche Dienst alle Krisen-Probleme junger Menschen lösen. Damit aber tatsächlich mehr junge Leute Beamt*innen werden wollen, muss der öffentliche Dienst über die berufliche Sicherheit hinaus attraktiver und vor allem flexibler werden. Laura sagt, wenn sie eine Stelle gefunden habe, wolle sie dazu beizutragen, das Bild vom öffentlichen Dienst positiv mitzugestalten.

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