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Corona und Landwirtschaft: Wie die Krise die Arbeit junger Landwirt*innen beeinträchtigt
„In wenigen Tagen sind unsere Erdbeeren reif. Das Problem ist, dass wir aktuell niemanden haben, der sie pflücken wird“, sagt Christoph Holz. Die Familie des 21-Jährigen hat einen landwirtschaftlichen Betrieb in Monsheim in Rheinhessen. Wie auf vielen Höfen fehlen auch dort die Saisonarbeiter*innen aus dem Ausland. Die Corona-Pandemie stellt die deutsche Landwirtschaft vor ein Paradox: Während in der Krise die Nachfrage nach Lebensmitteln steigt, ist die Produktion gefährdet. Daher wurde in den vergangenen Wochen viel diskutiert, ob es nun richtig sei, trotz aller Beschränkungen Arbeitskräfte aus Osteuropa einfliegen zu lassen, um deutschen Spargel und Erdbeeren zu ernten.
Christoph erzählt, dass die Saisonarbeiter aus Polen, die sonst für den Familienbetrieb arbeiten, verunsichert seien und dieses Jahr gar nicht nach Deutschland kommen wollen: „Die beiden haben Angst vor einer möglichen Ansteckung auf der Reise. Sie befürchten, dass sie hier erst mal in Quarantäne müssen und am Ende der Saison womöglich Probleme bei der Rückreise nach Polen bekommen.“ Mit den drei Festangestellten alleine könne die Erdbeerernte auf keinen Fall eingeholt werden.
Neben Weizen, Zuckerrüben, Kartoffeln, Raps und Erdbeeren baut Christophs Familie auch Trauben an.
Sich über Vermittlungsportale Erntehelfer*innen zu organisieren, komme jedoch nicht in Frage, sagt Christoph. „Wir verkaufen in unserem Hofladen Spargel von Erzeugern aus der Region. Von den Betrieben haben einige kurzfristig Studierende als Erntehelfer*innen eingestellt. Darüber bekommen wir Gutes aber leider auch Schlechtes mit.“ Zwar seien die Leute hochmotiviert und wollten helfen, jedoch fehle ihnen die Erfahrung und Ausdauer für einen langen Arbeitstag auf dem Feld. Die Saisonarbeiter*innen dagegen kommen seit Jahren immer wieder auf die gleichen Höfe – ein eingespieltes Team. Die Aushilfskräfte könnten da einfach nicht mithalten, sagt Christoph. „Ein paar Tage hält man das gut durch, aber die Saison geht mehrere Monate. Zudem ist gerade Spargelstechen gar nicht so einfach, das muss man ihm Gefühl haben. Wenn jede zweite Stange schon bei der Ernte bricht, bringen auch noch so engagierte Aushilfskräfte nichts“, sagt Christoph.
Das Virus beeinflusst nicht nur die Ernte
Seine Idee ist es nun, qualifizierte Hilfskräfte mit Fachwissen zu mobilisieren – seine Kommiliton*innen. Denn der 21-Jährige arbeitet nur nebenbei auf dem Hof der Eltern, hauptsächlich studiert er Agrarwirtschaft an der Technischen Hochschule in Bingen. „Mein Plan ist es, ein paar Freunde von der Uni zu fragen, die keinen eigenen Betrieb haben. Wenn da zwei, drei Zeit hätten, wäre das perfekt.“
Dem Jungwinzer Julian Schreieck fehlen aktuell keine Arbeitskräfte – ganz im Gegenteil, er musste bereits den ersten Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken. „Unser Mitarbeiter, der in der Vinothek arbeitet, für den Verkauf zuständig ist und Kund*innen berät, hat aktuell einfach nicht genügend Arbeit“, erklärt Julian. Der 26-Jährige ist Winzer in der dritten Generation. Nach Ausbildung und Studium in Weinbau und Oenologie ist er in den Familienbetrieb in Maikammer, einem kleinen Ort nahe Neustadt an der Weinstraße, eingestiegen. Das Weingut hat insgesamt neun Festangestellte. Saisonarbeiter*innen aus dem Ausland fehlten im Betrieb momentan nicht, sagt Julian.
Der Winzer Julian Schreieck mit seiner Cousine Jana. Auch sie wird in einigen Jahren in den Betrieb miteinsteigen.
Zwar muss Julian im Gegensatz zu Christoph momentan keine neuen Mitarbeiter*innen anwerben, dafür muss er wegen der Corona-Krise aber in anderen Bereichen umdisponieren. „Alle Weinbergswanderungen, Weinproben und Weinfeste fallen jetzt erst mal aus. Kurzfristig ist das nicht schlecht, denn all die Zeit, die ich sonst in diese Events stecke, kommt jetzt dem Trauben im Weinberg zugute.“ Langfristig gesehen kommen dadurch jedoch andere Herausforderungen auf das Weingut zu. Denn mit den Veranstaltungen fällt auch auch eine ganze Reihe an Werbemöglichkeiten weg.
Stattdessen ergeben sich aber ganz neue Wege in Sachen Vermarktung. Vor einigen Wochen war einer von Julians Weißweinen bei einem Live-Tasting eines Wein-Influencers über Instagram dabei. Circa 350 Flaschen Scheurebe seien für die digitale Weinprobe verkauft worden. Die Weine wurden dafür per Post in die ganze Republik verschickt. „Eine Reichweite, die wir ohne Corona nie bekommen hätten“, sagt Julian.
Wie sollen die Erdbeeren vom Feld in den Hofladen kommen?
Zudem stehe das Weingut im Vergleich zu anderen Betrieben ganz gut da. „Unser Glück ist, dass wir hauptsächlich Privatkund*innen haben. Winzer*innen, die die Gastronomie beliefern haben jetzt hingegen massive Probleme. Da alle Restaurants zu haben, bestellt natürlich auch niemand Wein.“ Zwar sei der Hofverkauf in der Vinothek in Maikammer auf 20 Prozent eingebrochen, im Gegenzug sei allerdings der Versand gestiegen. Die Leute bestellen vermehrt online und lassen sich die Kisten bequem nach Hause liefern. „Es wird niemals der Moment eintreten, dass die Leute sich zu Hause ein leckeres Gericht zubereiten und dann dazu nur Wasser trinken“, sagt der Winzer.
Während Julian sich in den nächsten Wochen um die noch unreifen Trauben kümmert, Triebe zurückschneidet, Unkraut beseitigt und neue Reben pflanzt, versucht Christoph die reifen Erdbeeren irgendwie vom Feld in den Hofladen zu bekommen. Um ein Feld muss er sich zumindest keine Gedanken machen: das Feld, auf dem Kund*innen selbst Erdbeeren pflücken können. „Ich rechne damit, dass dort in diesem Jahr mehr los sein wird als sonst. Gerade für Kinder ist das ja ein Spektakel, die können sich dort austoben. Und Platz ist auf dem Feld genug, da kommt man sich so schnell nicht in die Quere.“
Anders als der Winzer Julian berichtet Christoph auch, dass seit der Corona-Krise weitaus mehr Leute in den Hofladen kommen. „Wir verkaufen dort auch Grundnahrungsmittel wie Nudeln, Kartoffeln und Eier. Alles Dinge, die in den vergangenen Wochen so gefragt wie nie waren.“ In der Krise kauften die Leute lieber regionale Produkte direkt beim Erzeuger. Doch dieser Trend allein, so seine Sorge, wird vielen Betrieben nicht helfen. Christoph geht davon aus, dass die Mehrheit der Gemüsebetriebe sehr unter der Corona-Krise leidet. Denn viele Betriebe seien auf die Saison-Arbeiter*innen aus dem Ausland angewiesen, ohne sie werde die Ernte zeitintensiver und teurer. „Gleichzeitig hat man als Erzeuger ja nicht plötzlich mehr Gemüse, das man verkaufen kann. Hinter dem Anbau steckt ein monatelanger Prozess.“ Christoph ist trotzdem optimistisch, dass der Betrieb seiner Familie gut übersteht und er ihn früher oder später übernehmen kann.