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2800 brutto für den Maschinenführer

Murat ist mit vielen seiner Kollegen befreundet und spricht mit ihnen auch nach der Arbeit über den Job.
Foto: Privat/Bearbeitung: SZ Jetzt

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Eigentlich muss man für den Job als Maschinenführer eine Ausbildung machen – Murat wurde direkt nach einem Praktikum übernommen. Derzeit arbeitet er in Teilzeit, um nebenbei sein Lehramtsstudium zu schaffen. 

 

Wie mein Arbeitsalltag aussieht

„Ich arbeite bei einem Schweizer Industrieunternehmen mit vielen ausländischen Niederlassungen, das Fahrzeugteile herstellt und sich um sichere Rohstofftransporte kümmert. Dort bin ich für die Qualitätskontrolle der Autoteile zuständig, zum Beispiel von Längsträgern, Getriebegehäusen oder Batteriewannen. Den ganzen Tag führt uns das Fließband Teile vor, die wir auf eventuelle Schäden untersuchen, denn beim Gussprozess geht immer wieder etwas schief. Blasen, Risse, irgendwelche Löcher, you name it. Insgesamt haben wir 50 bis 60 Personen in unserer Abteilung. Wir arbeiten in kleinen Teams zu jeweils drei Personen, besprechen bei jedem Schaden unsere Vorgehensweise und teilen die Arbeit möglichst fair und abwechslungsreich auf. Es gibt drei Schichten am Tag: von sechs bis 14 Uhr, 14 bis 22 Uhr und 22 bis 6 Uhr. An Feiertagen haben wir grundsätzlich frei.

Weil wir die letzte Station vor der Auslieferung der Autoteile sind, ist unsere Begutachtung besonders wichtig. Das heißt, dass wir nicht im Eiltempo vorgehen, sondern uns Zeit nehmen. Druck haben wir keinen. Obwohl das auf den ersten Blick monoton klingt, gibt es tatsächlich eine erstaunlich große Fehlervielfalt, die mich immer wieder überrascht. Das ist auch gut so, denn ich mag keine Monotonie. 

Sollten wir auf Schäden stoßen, kümmern wir uns, sofern möglich, direkt um Behebung. Das kann in manchen Fällen körperlich fordernd sein. Massiv Beschädigtes wird aussortiert, geschmolzen und von den dafür zuständigen Kollegen neu gegossen. Kleinere Schäden wie Blasen kann man etwa durch sogenanntes Abklopfen mit einem Hammer reparieren. Etwas nachzuschleifen fordert dagegen schon mehr Geduld. Dafür nehmen wir einen Exzenterschleifer zur Hand, mit dem man auch feinere Ausbesserungen hinbekommt. Das waren jetzt natürlich nur zwei Beispiele zur Verdeutlichung.“  

Was der Job mit dem Privatleben macht

„Dadurch, dass Freunde von mir in derselben Firma arbeiten, reden wir manchmal sogar in der Freizeit über den Joballtag. Abgesehen von kleineren Wehwehchen – ich hätte zum Beispiel gerne ein oder zwei Urlaubswochen mehr im Jahr –  geht es bei uns sehr locker und positiv zu. Es gibt keine negativen Einflüsse auf mein Privatleben, keine Form der Belastung, was heutzutage wohl echt selten ist. Das klingt jetzt vielleicht total wie Werbung, aber ich bin rundum zufrieden.“

 

Wie ich zum Job gekommen bin  

„Ich habe mit 20 die Handelsakademie abgeschlossen, danach eine lange Reihe von Jobs und Praktika hinter mir – eines davon hier bei meiner aktuellen Firma. Durch Eigeninitiative, viel Arbeit und natürlich meine lebhafte Persönlichkeit – manche würden sagen, große Klappe – bekam ich direkt nach dem Praktikum meine jetzige Stelle, für die normalerweise eine dreijährige Ausbildung zum Metalltechniker verlangt wird. Ich dagegen war gut, ambitioniert, erfahren und kannte die richtigen Leute. Schon als Jugendlicher war ich an handwerklicher Arbeit interessiert und begabt. Das alles half natürlich. Obwohl ich den Job mag, habe ich einen Plan B: Mittlerweile studiere ich nebenbei an der Universität Wien Geographie und Mathematik auf Lehramt. Mathe ist leider so schwer, wie man es sich vorstellt. Wegen der Doppelbelastung bin ich kürzlich mit der Wochenarbeitszeit auf knapp 20 Stunden heruntergegangen, da in Seminaren Anwesenheitspflicht besteht, und die häufig  am Vormittag stattfinden. Ich möchte die Ausbildung definitiv abschließen; ob ich dann wirklich Lehrer werde, bleibt offen. Party-Eskapaden am Wochenende gehören größtenteils der Vergangenheit an, ein bisschen spürt man das Älterwerden leider. Freizeit bedeutet für mich nun eher Lernzeit oder sportliche Betätigung. Das Reisen muss oft bis zum Sommer warten. Aber hey, dieses Jahr habe ich es immerhin nach Brasilien geschafft!“  

Was mich die Leute auf Partys fragen  

„Neben der Frage, was ich den ganzen Tag so mache, bohren Interessierte sofort nach den genauen Autoteilen, die ich mir anschaue. Das artet schnell mal in Fachchinesisch aus. Viele wollen wissen, für welche Automarken wir kontrollieren. Das variiert: Unter anderem sind Volvo, BMW oder Mercedes unsere Kunden.“

Welche Eigenschaften man für den Job braucht

„In erster Linie handwerkliche Fähigkeiten und ein wachsames Auge. Manche Schäden sind wirklich subtil und kaum erkennbar, können sich aber fatal auf die Leistung des Endprodukts auswirken. Daneben braucht man Hands-on-Mentalität, Improvisationstalent, Technikbegeisterung und vor allem Interesse an Autos.“

Vorstellung vs. Realität

„Ich selbst hatte im Vorhinein durch Freunde und meinen Vater, der ebenfalls in dieser Firma tätig war, genug Einblicke, sodass ich wusste, worauf ich mich einlasse. Ich merke aber in Gesprächen, dass viele Menschen ganz andere Vorstellungen von meinem Job haben. Sie denken, dass wir mit irgendwelchen Fahrzeugen durch die Gegend testfahren oder Teile am Fließband im schwindelerregenden Tempo an uns vorüberziehen, wie in Zeichentrickfilmen.“ 

Wie viel ich verdiene

„Auf Vollzeitbasis erhalte ich 2800 Euro brutto im Monat, nach Abzug von Steuer und Sozialversicherung bleiben mir etwas mehr als 2000 Euro übrig. Für Nachtschichten bekommen wir Boni. Knapp die Hälfte meines Einkommens wende ich für monatliche Fixkosten auf, das Selbsterhalterstipendium der Uni hilft zum Glück etwas. Dafür sind Arbeit und Studium zeitintensiv. Stichwort Work-Life-Balance: Ehrlich gesagt hätte ich nichts gegen eine Arbeitszeitreduktion bei gleichem Lohn. Ich denke manchmal, wegen der vielen Arbeit einiges in meinem Leben verpasst zu haben. Nach Abschluss des Studiums plane ich, wieder Vollzeit zu arbeiten.“

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