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2400 Euro brutto für die Orgelbauerin

Foto: Privat/Bearbeitung: SZ Jetzt

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Eigentlich wollte Lea Gitarrenbauerin werden. Auch ein außergewöhnlicher Beruf. Dass sie heute aber Orgelbauerin wurde, kam nur durch einen Zufall. 

Was ich als Orgelbauerin mache

Als Orgelbauerin stelle ich gemeinsam mit meinem Team Orgeln her, stimme und reinige Orgeln, montiere sie vor Ort oder kümmere mich um Reparaturen und Probleme. Entworfen werden die Orgeln von einem Architekten, der Geschäftsleitung und dem Kunden.  Die meisten unserer Aufträge kommen von Kirchen. In meinem alten Betrieb hatten wir aber auch schon mal einen Organisten, für den wir eine Hausorgel gebaut haben. Und es kommt manchmal vor, dass wir Konzertsäle und Schlösser mit Orgeln beliefern.

Wenn eine Orgel fertig ist, bauen wir sie im Betrieb einmal komplett auf. Anschließend zerlegen wir sie wieder in Einzelteile und machen sie transportfähig. Vor Ort bauen wir sie dann erneut auf. Das ist vergleichbar mit einem Umzug. Dabei kann eine Orgel unterschiedlich viel wiegen. Mal acht Tonnen, manchmal aber auch nur 700 Kilogramm. Es kommt immer drauf an, wie viele Register vorhanden sind. Eine massiv gebaute Orgel mit 60 Registern kann bis zu 25 Tonnen erreichen.

Wie ich Orgelbauerin geworden bin

Ich wollte eigentlich Gitarrenbauerin werden oder in einem Bestattungsunternehmen arbeiten.  Dann haben meine Eltern eine Reportage über Orgelbau gesehen und mich gefragt, ob das nicht was für mich wäre. In unserer Nähe gab es einen Betrieb, bei dem ich dann ein Praktikum gemacht habe. Das hat mir gut gefallen und ich habe mich danach entschieden, die Ausbildung zu machen, die dreieinhalb Jahre geht.

Davor habe ich noch versucht, das Abitur zu machen. Ich habe aber schnell gemerkt, dass das nichts für mich ist. Nach meinem Realschulabschluss habe ich nach Schulen gesucht, die Orgelbauer ausbilden. Es gibt allerdings nur eine Schule in Ludwigsburg, die diese spezielle Ausbildung anbietet. Neben Orgelbau hatten wir dort auch Deutschunterricht und Wirtschaftskunde. Während der Ausbildung hatte ich Blockunterricht und den praktischen Teil im Außendienst. Zum Beispiel war ich oft mit Kollegen bei der Reinigung oder beim Stimmen einer Orgel. 

Wie mein Arbeitsalltag aussieht 

Jeder Tag ist unterschiedlich, es gibt immer mal Planänderungen und Aufgaben, die man nicht vorhersehen kann. Einmal wollte ich den kompletten Tag in der Werkstatt verbringen. Aber dann hat ein Kunde angerufen, der Probleme mit seiner Orgel hatte. Also musste ich hinfahren und das Problem vor Ort lösen. Es ist üblich, dass mehrere Aufträge gleichzeitig laufen. Je nach Bedarf arbeite ich allein oder gemeinsam mit einem Kollegen.

Grundsätzlich hat sich mein Arbeitsalltag verändert, seit ich vor kurzem den Betrieb gewechselt habe. Im vergangenen Jahr hatte ich einen schweren Bandscheibenvorfall und musste operiert werden. Die Arbeit war nicht der alleinige Auslöser. Ich hatte bereits seit sehr langer Zeit Rückenschmerzen. Wegen der Verletzung sind einige Aufgaben, die eigentlich zum Orgelbau gehören, für mich einfach nicht mehr machbar, zum Beispiel die Orgelreinigung. Da muss man alle Pfeifen entfernen und die sind teilweise ziemlich schwer. Auch das Stimmen der Pfeifen ist eine körperlich anstrengende Aufgabe, da ich oft an jede Pfeife heranklettern muss, wobei manche bis zu drei Meter hoch sind. Man drückt dann mit einem kegelförmigen Werkzeug auf die Öffnung der Orgelpfeife, um den Ton anzupassen. Und das erfordert oft, dass ich mich rüberbeugen muss, ohne die anderen Pfeifen zu berühren, da sie leicht beschädigt werden können.

Nach der Verletzung habe ich den Betrieb gewechselt, weil ich meine Aufgaben dort anders gestalten kann. In meinem vorherigen Betrieb haben wir, abhängig von der Orgelgröße, immer in einem Team von vier bis fünf Personen gearbeitet. In meinem neuen Betrieb arbeiten ungefähr 20 Personen im Team, was es einfacher macht, die Arbeit so zu organisieren, dass ich rückenfreundlichere Aufgaben übernehmen kann. Zum Beispiel darf ich viele Lederarbeiten erledigen, was man gut im Sitzen machen kann.

Trotzdem war der Wechsel ein großer Schritt für mich, ich wollte da eigentlich nicht weg. Es hat mir dort immer sehr gefallen. Aber gesundheitlich ging es einfach nicht mehr. Und dass mein Mann im selben Betrieb arbeitet, hat mir die Umstellung ein bisschen erleichtert. 

Was der Job mit dem Privatleben macht  

Ich finde, dass sich mein Beruf gut mit meinem Privatleben vereinbaren lässt. Zurzeit arbeite ich 40 Stunden pro Woche und habe Gleitzeit. Das bedeutet, ich kann zwischen sechs und acht Uhr morgens anfangen, je nachdem, wie es mir passt. Mit dem Betriebswechsel muss ich von meinem Wohnort aus etwa 40 Minuten zur Arbeit pendeln. Das macht mir aber nicht so viel aus. Ich finde die langen Fahrten sogar ziemlich entspannend. Da kommt man nach einem Arbeitstag ein bisschen zur Ruhe. 

Welche Eigenschaften man für den Job braucht

Man muss präzise arbeiten können und ein gewisses Fingerspitzengefühl haben. Außerdem sollte man gut mit Leuten kommunizieren können, weil man im Team arbeitet und sich abstimmen muss. Auch mit den Kunden hat man regelmäßig Kontakt und betreut sie auch mehrere Stunden am Tag. Zum Beispiel, wenn es zum Stimmen der Orgel geht.

Vorstellung vs. Realität 

Viele Leute denken, ich könnte Orgel spielen, aber das stimmt nicht. Ich kann ein bisschen klimpern, aber mehr nicht. Es gibt auch das Klischee, dass Orgelbauer immer alte Männer sind, weshalb viele überrascht sind, wenn sie mich sehen. Es gab auch schon Situationen, bei denen ich gefragt wurde, ob ich das denn überhaupt könne. Ich antworte dann meist: „Sonst wäre ich ja nicht hier.“ Bei einer Wartung hat man mich für die Tochter und dann für die Freundin des Chefs gehalten. Ein anderes Mal kam der Satz, was ich denn als junges hübsches Ding hier mache, ich würde den Organisten hier den Kopf verdrehen. Das ist zwar schon sehr lange her, aber sowas ist natürlich sehr unangenehm.

Welche Fragen ich auf Partys gestellt bekomme

Viele fragen, ob ich jede Woche in die Kirche gehe – was ich nicht tue, außer ich habe dort einen Auftrag. Viele Leute wollen aber auch wissen, wie eine Orgel funktioniert und wie sie aufgebaut ist. Ich kann dann meist keine einfache und schnelle Antwort geben, weil ich finde, dass die Orgel eines der komplexesten Instrumente ist, die es gibt.

Welche Momente mir in Erinnerung geblieben sind

Ein besonderer Moment war, als ich in meiner alten Firma an der größten Orgel gearbeitet habe, die es dort je gab. Es war ein großes Projekt, bei dem ich viel gelernt habe und das mich sehr stolz gemacht hat. Außerdem würde ich mal gern eine richtig alte Orgel restaurieren. Es gibt Orgeln, die sind 300 bis 400 Jahre alt. Ich habe einen Wahnsinns-Respekt vor der Baukunst und finde das einfach so beeindruckend. Und irgendwann würde ich mich freuen, anderen mein Handwerk zu zeigen oder vielleicht sogar beizubringen.  

Wie viel ich verdiene

Ich arbeite seit acht Jahren als Orgelbauerin und habe in meinem alten Betrieb 2400 Euro brutto im Monat verdient. Ich bin sehr zufrieden mit dem Gehalt. Mit dem gemeinsamen Gehalt von mir und meinem Mann kommen wir ganz gut zurecht. 

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