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3800 Euro brutto für den Leitstellendisponenten

Von seinem Job bei der Feuerwehr hat Sebastian eigentlich erwartet, auf Einsätze zu gehen und etwas Praktisches zu machen. Dann wurde er überrascht, wie spannend und abwechslungsreich der Job als Leitstellendisponent ist.
Foto: Privat/Bearbeitung: SZ Jetzt

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Sebastian hatte nie geplant, Leitstellendisponent zu werden. Er wollte einen abwechslungsreichen Job und nicht vor dem Computer sitzen. Entscheidungen zu treffen, die Menschenleben betreffen, oder andere übers Telefon zur Reanimation anzuleiten – das ist das Gegenteil von eintönig, wie er schnell feststellen durfte.   

Was ich als Leitstellendisponent mache 

„Je nachdem auf welchem Platz ich in der Leitstelle sitze, habe ich eine andere Aufgabe. Als Calltaker nehme ich Notrufe entgegen. Nehme auf, was wem wo passiert ist. Einer der schwierigsten Dienste, wie ich finde. Wir müssen aus der Ferne und nur übers Telefon entscheiden, ob es sich wirklich um einen Notfall handelt oder ob es reichen würde, die Person mit dem ärztlichen Bereitschaftsdienst zu verbinden. Das ist viel Verantwortung und nicht immer einfach. 

Ist es ein Notfall, gehen die Infos an den Funksprecher. Als Funksprecher disponiert man das nächste freie Rettungsfahrzeug und schickt Rettungskräfte an den Notfallort. Anschließend begleitet man den Einsatz per Funk – heißt man ist der Ansprechpartner, sollten die Einsatzkräfte vor Ort feststellen, dass die Situation schlimmer ist als gedacht und es zum Beispiel noch mehr Rettungswagen braucht. 

Um zu wissen, in welches Krankenhaus die Rettungskräfte den Patienten bringen können, müssen wir in der Leitstelle im Blick haben, welches Krankenhaus wie viele Betten in welcher Fachrichtung frei hat. Das ist auch nochmal ein Dienst für sich. 

Außerdem gibt es noch einen Platz, von dem aus man sich um die Verlegung von Intensivpatienten vom einen ins andere Krankenhaus kümmert – entweder per Intensivtransportwagen oder per Hubschrauber. 

Das sind nur ein paar der Dienste eines Leitstellendisponenten – das Aufgabenfeld ist also ziemlich breit gefächert.“ 

Wie mein Arbeitsalltag aussieht 

„Ich arbeite im 24-Stunden-Dienst. Ich komme morgens um sieben Uhr in die Leitstelle und verlasse das Gebäude erst wieder am nächsten Morgen. Ich sitze aber nicht 24 Stunden vorm PC. Nach drei Stunden am Platz folgen drei Stunden Bereitschaft, dann wieder drei Stunden vorm PC – immer im Wechsel. In der Bereitschaftszeit darf ich das Gebäude zwar nicht verlassen – für den Fall einer Großschadenslage. Ich kann aber zum Beispiel Sport machen, fernsehen, Karten spielen oder schlafen, auch wenn der Schlaf natürlich nicht so erholsam ist wie zu Hause im Bett. Oder wir nutzen die Zeit für Übungsdienste und Fortbildungen.“ 

Was der Job mit meinem Privatleben macht 

„Durch die 24-Stunden-Dienste arbeiten wir nicht von Montag bis Freitag. Wir können uns unsere Schichten so über den Monat verteilen, wie es uns passt. Dazwischen haben wir auch mal längere Erholungszeiten. Dadurch kann ich Dinge wie Einkaufen auch unter der Woche erledigen, wenn die Läden leer sind. Das finde ich sehr angenehm. Der Nachteil ist, dass man natürlich auch mal am Wochenende oder an Feiertagen arbeiten muss.“ 

Welche Frage ich auf Partys gestellt bekomme 

„Erstmal: Was ist das? Und dann: Was war der verrückteste Anruf? Was war dein krassestes Erlebnis?“ 

Was war dein krassestes Erlebnis? 

„Einmal hat eine junge Frau angerufen, die sich vermutlich das Leben nehmen wollte. Sie hat geblutet, wusste aber nicht, wo sie ist, konnte uns nur sagen, dass sie in irgendeinem Park sitzt. Wir haben per Handyortung versucht herauszufinden, um welchen Park es sich handelt, haben einen Rettungswagen mit Blaulicht losgeschickt und ich bin am Telefon geblieben, damit sie mir sagen kann, wenn sie das Blaulicht sieht. Wenn man Menschen, die in solchen Lebenskrisen stecken, am Telefon hat und das begleiten muss, nimmt einen das schon mit. Wenn jemand reanimationspflichtig wird, ist das auch immer krass. Dann hat man die schreiende Familie am Telefon und muss versuchen, sie in Ruhe bei der Reanimation anzuleiten, bis der Rettungswagen eintrifft.“ 

Wie ich psychisch damit umgehe 

„Unsere Schichtführer achten darauf, dass wir nach belastenden Anrufen eine kurze Pause bekommen. Was dann hilft, ist sich mit Kolleginnen und Kollegen auszutauschen. Auch wenn man am Telefon erstmal allein sitzt, sehen wir uns als Team und arbeiten auch als solches. Nehmen wir trotzdem Situationen mit nach Hause, die uns langfristig belasten, können wir uns an die Feuerwehr-interne psychosoziale Notfallversorgung wenden.“ 

Welche Eigenschaften ich für den Job brauche 

„Man sollte empathisch und stressresistent sein. Man muss Verantwortung übernehmen wollen. Schließlich muss man Entscheidungen treffen, die Menschenleben betreffen. Problemlösekompetenz und Flexibilität sind wichtig. Nicht jeder Anruf ist gleich, man muss auch mal improvisieren und kreativ in der Lösungsfindung werden, wenn der klassische Weg nicht funktioniert.“ 

Wie ich zu dem Job kam 

„Es war nie mein Ziel, in der Leitstelle zu arbeiten. Nach einer Zeit im Handwerk merkte ich, dass ich gerne etwas abwechslungsreicheres machen möchte. Daraufhin habe ich die Ausbildung zum Brandmeister bei der Berufsfeuerwehr München gemacht. Eigentlich wäre ich dann in den Feuerwehrdienst auf die Wache gekommen. Aber die Integrierte Leitstelle München hat dringend Unterstützung gebraucht, deswegen wurde ich erstmal dorthin geschickt – und bin geblieben. 

Leitstellendisponent ist eine Spezialisierung bei der Feuerwehr – wie Höhenretter oder Taucher. Den Job lernt man in einer Art berufsbegleitenden Weiterbildung: Man startet als Calltaker und wird dann nach und nach auf jedem Platz in der Leistelle ausgebildet bis hin zum Funksprecher. Bis ich alle Plätze in der Leistelle besetzen konnte, hat es etwa sechs Jahre gedauert.  

Inzwischen läuft das aber anders. In der Intergierten Leistelle München kann man sich jetzt auch für eine direkte Ausbildung zum Leitstellendisponenten bewerben. Dann wird man zwei Jahre in der Leitstelle ausgebildet und im dritten Lehrjahr folgt die Ausbildung zum Brandmeister.“ 

Vorstellung vs. Realität 

„Ich war anfangs gar nicht mal so begeistert, als ich erfahren habe, dass ich in die Leistelle komme. Von der Arbeit bei der Feuerwehr hatte ich mir erhofft, auf Einsätze rauszugehen, was Praktisches zu machen. Und nicht, dass ich an einem Schreibtisch vorm Computer sitze. Ich habe aber schnell festgestellt, wie spannend und abwechslungsreich der Job als Leitstellendisponent ist. Und tatsächlich werde ich an etwa drei Tagen im Monat noch auf der Feuerwache eingesetzt.“ 

Wie viel ich verdiene 

„Im Schnitt verdient man 3800 Euro brutto. Das ist aber von Mitarbeiter zu Mitarbeiter verschieden, je nachdem welche Zulagen man erhält. Wir sind bei der Berufsfeuerwehr und damit Beamte. Da variiert das Gehalt zum Beispiel in Abhängigkeit davon, wo wir wohnen oder ob wir Kinder haben. Die Beamtenbesoldungstabelle kann aber im Internet eingesehen werden. Bei uns in der Leitstelle landet jeder Beamte über kurz oder lang mindestens in der Besoldungsstufe A9.“ 

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