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Wo liegt deine Absage-Hemmschwelle?
Es wurde kein schöner Abend. Ich hatte es vermutet. Aber nicht darauf gehört.
Es war einer dieser Freitagabende, für den ich mich schon vor einer Woche verabredet hatte. Mit Daniel, den ich zufällig mal wieder auf dem Heimweg getroffen hatte, hey, Wahnsinn, krass lange nicht gesehen, sollten mal wieder ein Bier trinken gehen.
Ich hatte diesen Vorschlag ernst gemeint, ich freute mich wirklich auf das Bier mit Daniel. Aber eben nicht mehr an dem Abend, an dem es getrunken werden sollte. Der Freitag war ein mieser gewesen: leichte Erkältung, Nieselregen, auf dem Heimweg die Fahrradkette rausgesprungen, Supermarkt schon zu. Die Müdigkeit nach einer Woche mit zu viel Arbeit und zu wenig Schlaf. Meine Laune war keine Biertrinklaune, ich hatte so viel Verlangen nach einem abendfüllenden Gespräch wie ein Pflasterstein.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
"Nö, heute nicht so."
Abgesagt habe ich Daniel trotzdem nicht. Weil ich zwar keine Lust hatte, aber fand, dass das kein hinreichender Grund für eine Absage sei. Ein „Ich habe heute keinen Bock“ hätte Daniel vielleicht falsch interpretiert, selbst wenn ich gesagt hätte, dass der nicht vorhandene Bock echt nichts mit ihm zu tun habe. Auch die anderen Gründe hätten vielleicht geklungen wie vorgeschoben: „War echt ne harte Woche“ – „Bin bisschen erkältet“ – „Bin heute einfach nicht so in Stimmung“.
Und so saß ich mit Daniel in einer Kneipe. Ich gähnte viel und redete wenig und ärgerte mich, dass ich mich darüber ärgerte, dass ich überhaupt hier war.
Warum hatte ich nicht einfach abgesagt? Weil ich mich nicht traute, zu sagen, wie es ist. Weil ich fand, meine Gründe für eine Absage seien keine ausreichenden Gründe; sie hinderten mich ja nicht wirklich daran, mich mit Daniel zu treffen. Nicht so, wie unvorhergesehene Überstunden oder ein gebrochenes Bein mich hindern würden. Es waren keine „Ich kann nicht“-Gründe, sondern „Ich möchte lieber nicht“-Gründe. Und die sind, so glaube ich, für viele Menschen keine richtigen Gründe. Weil sie keine Gründe sind, für die man nichts kann. Sondern weil man eine Entscheidung trifft und diesen Gründen erst selbst eine Bedeutung zuteil werden lässt. Und zwar eine Bedeutung, die größer ist als die der Verabredung.
Wie verhältst du dich in solchen Situationen? Sagst du Leuten ab, wenn du doch keine Lust auf Kino, Party oder Schlauchbootfahren hast? Ab wann ist für dich da die Hemmschwelle überschritten? Sind Schnupfen oder schlechte Laune ausreichende Gründe, um abzusagen? Was denkst du oder was würdest du denken, wenn deine Verabredung sich mit der Begründung „nicht so in Stimmung“ abmeldet?
Text: eric-mauerle - Foto: inkje / photocase.de