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Wieviel Handwerker steckt in Dir?

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Letztens so passiert: Mein Fahrrad hatte einen Platten. “Kann ja nicht so schwer sein das zu fixen”, dachte ich mir. Denkste. Das einzige Werkzeug, das sich in meinem Besitz befindet, ist ein filigraner Schraubendreher, der mal vor langer Zeit bei einer Laptop-Aufrüst-Aktion seinen großen Einsatz hatte.

Also schnell mal Zuhause angerufen und schon eine Stunde später kommt mein Vater beschwingt in einer praktischen Heimwerker-Latzhose angeradelt. Sichtlich froh, dass endlich mal wieder sein wohlsortierter Werkzeugkoffer zum Einsatz kommt. Ich belächel ihn ein wenig, er sieht so aus wie "Bob, der Baumeister". Er schraubt, lötet, hämmert, schleift herum und tunkt flink Fahrradschläuche in Wassereimer – das alles mit einer Begeisterung, die mir völlig unverständlich ist.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Zwar haben mir meine Eltern wesentliche handwerkliche Kompetenzen vermittelt, doch bei mir sind diese praktisch niemals zum Einsatz gekommen. Theoretisch wüsste ich ja, wie man Winterreifen wechselt, Löcher in die Wand bohrt oder Sonntagsmenüs kocht. Meine Jugendzeit habe ich dann doch lieber damit verbracht, mit Computer-Software rumzudaddeln und in den Tiefen des Internets zu versumpfen.

Heute stellt es für mich beinahe schon eine übermenschliche Belastung dar, bei einer verlorenen Wette für die Arbeitskollegen einen Kuchen zu backen, kaputte Glühbirnen auszuwechseln oder das Geschirr zu spülen. Auf Festivals werden mittlerweile schon fix und fertig aufgebaute Zelte angeboten für all jene, die nicht per Du mit "Heringen" sind. Ach ja, eine Entschuldigung für meine Bequemlichkeit habe ich noch: Die meisten Unfälle passieren erwiesenermaßen im Haushalt.

Außer bizarren Kunstwerken aus dem Grundschul-Werkunterricht wie Salzteig-Teekannen, Pappmaché-Lampenschirmen oder einem krummen Laubsäge-Gewürzregal habe ich dieser Welt leider noch nicht sehr viel hinterlassen.

Wohin hat sich das Handwerk verdrückt? Wieso machen wir so wenig selber? Oder kommt das noch mit dem Alter? Arbeiten wir irgendwann alle nur noch im Informationssektor?  Sind wir gar verweichlicht? Wer ist Schuld? 

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