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Wie schnell kann man leben ohne doof zu werden?

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In der FAZ stehen immer mehr interessante Dinge. Redakteur Christian Geyer hat in der Zeitung aus Frankfurt jetzt einen Text geschrieben, der ein kleines bisschen Empörung transportiert. In der Unterzeile steht zumindest: Warum es ein Trugschluss ist, all unsere Sorgen auf eine angeblich beschleunigte Kultur zurückzuführen, und die Langsamkeit kein Allheilmittel ist. Geyer erinnert an den modernen Menschen, der sich, wo er steht und geht, nach Entschleunigkeit, nach Muße, nach Kontemplation und Langsamkeit sehnt. Dann fragt er, woher die Sehnsucht kommt und ob sie so gut ist?

Immer wieder zitiert er aus dem Buch "Echtleben" von Katja Kullmann, das in vielen Zeitungen als ein Portrait der Generation der über 30-jährigen vorgestellt wurde. Kullmann singt in ihrem Buch das Lied von Menschen, die immer flexibler werden und immer mehr Optionen zur Verfügung haben und deren Leben sich so sauschnell dreht, dass es nirgends einen ordentlichen Halt gibt. Was sie schreibt stimmt, einerseits. Andererseits ist Kullmann eine Journalistin und beschreibt, da der Text sehr Ichig ist, ein typisches Journalistenleben. Ob es wirklich soviele andere Menschen gibt, die ein ähnliches Leben führen, muss man dahingestellt sein lassen. Immerhin: Christian Geyer nimmt Kullmann ernst und mit in seinen Text. Er zitiert sie immer wieder als eine, die mit rollenden Augen vor dem bunten Flickenteppich namens Leben steht, der immer schneller entstehe, der es einem unmöglich mache, so etwas wie Übersicht zu behalten. Einmal schreibt Kullmann deswegen von "Zwangskurzsichtigkeit" und meint die Art, wie sie ihr Leben führt. Also schreibt Christian Geyer: Mit der Diagnose „Zwangskurzsichtigkeit“ rührt Kullmann an die Grundannahme der Entschleunigungsideologie: dass der Mensch sich nur in langfristigen Perspektiven begreifen könne, während ihm in der Kurzfristigkeit prekärer Lebensverhältnisse, in denen die Zukunft offen und die Rente nicht sicher ist, das Narrativ abhandenkommt.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Wenn hier vom Narrativ gesprochen wird, dann ist wahrscheinlich, grob gesagt, der Sinn gemeint. All die, die sich nach Entschleunigung sehnen, glaubt Geyer, sehnen sich gleichzeitig nach Übersicht, nach einer Erzählung, die das Leben begleitet. Sie sehnen sich nach Sinn. Und da kommt jetzt die große Frage, die Geyer immerhin noch aufwirft, dann aber nicht so recht beantwortet:

Kann man auch in einem sehr schnellen Leben noch Sinn erkennen? Oder geht das gar nicht? Muss ein Leben übersichtlich sein, damit es Sinn ergibt? Geyer fragt: Sollte es in prekären Beschäftigungsverhältnissen, in Patchwork-Konstellationen und biographischen Krisensituationen grundsätzlich nicht möglich sein, zusammenhängende Erzählungen seiner Existenz zu formulieren, eine Haltung einzunehmen, sich zu sich selbst in Beziehung zu setzen?

Christian Geyer antwortet:

Narrativität lässt sich gleichermaßen in Prozessen der Beschleunigung wie in solchen der Entschleunigung gewinnen.

Was glaubst du? Wird unser Leben wirklich schneller und eiliger? Bräuchten wir mehr Zeit zum nachdenken? Kann das Leben nur dann Sinn ergeben, wenn wir es langsam angehen?



Text: peter-wagner - Foto: ap

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