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Was schaust du auch noch ein zehntes Mal?
Ich liebe Geschichten. In jeder Form. Ich liebe es, neue Geschichten erzählt zu bekommen. Aber es gibt auch alte Geschichten, die mir immer wieder Spaß machen. Neulich zum Beispiel habe ich "König der Löwen" geguckt, weil das als Kind mein Lieblingsfilm war. Wenn einer der "Harry Potter"-Filme im Fernsehen läuft, freue ich mich und schaue ihn an, dabei kenne ich ja schon alle. Ich habe die kompletten "Sopranos" ein zweites Mal angesehen. Und ich höre jeden Abend eine Folge "Drei Fragezeichen" zum Einschlafen - meist eine, die ich schon sehr gut kenne, dann muss ich nicht befürchten, im ersten leichten Schlummer von einer verzerrten Gruselstimme geweckt zu werden.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
...uuund noch mal!
Auch die anderen Wiederholungen haben damit zu tun, dass ich mich wohl und geborgen fühle, wenn ich etwas sehe oder höre, das ich kenne. Wenn ich mit der Geschichte vertraut bin wie mit einem lieben Menschen. Wenn ich dadurch die Möglichkeit habe, mich auf Details zu konzentrieren, die mir bisher entfallen waren. Und wenn ich meinen Ist-Zustand daran prüfen kann, wie ich auf den Film oder das Hörspiel reagiere: Wieso bin ich gerade so erschrocken, die Stelle kannte ich doch schon? Wieso muss ich bei dieser Szene weinen, das war doch letztes Mal auch nicht so?
Auf der Seite des "Atlantic" gibt es gerade einen Text zum Thema "On Repeat". Der Autor spürt dem Re-Watching von Filmen und Serien nach. Er findet verschiedene Gründe. Gewohnheit natürlich, Sucht, Rituale. Oder auch die "Status-Quo Bias", der Hang des Menschen dazu, bei einer Entscheidung zu bleiben, weil eine neue und eine Veränderung mental anstrengend sind. Das gilt für den blöden Job nicht kündigen, weil man keine Lust hat, einen neuen zu suchen. Und das gilt vielleicht auch für zum zehnten Mal "Die fabelhafte Welt der Amélie schauen", wenn es sich gerade ergibt, auch, wenn man längst nicht mehr der Amélie-Typ ist. Der "Atlantic-Autor" erwähnt auch einen möglichen "therapeutischen Grund": Man versetzt sich in die Zeit, als man den Film oder die Serie zum ersten Mal gesehen hat, und setzt sich dadurch mit sich selbst und der eigenen Entwicklung auseinander.
Könnte aber auch sein, dass alles viel einfacher ist und der Grund für das Nochmalanschauen bloß: Man mag den Film oder die Serie. Oder das Buch. Mit Büchern geht das nämlich auch. Eine Freundin von mir hat zwischen ihrem sechszehnten und ihrem zwanzigsten Lebensjahr vermutlich etwa zehn Mal "Die Mitte der Welt" von Andreas Steinhöfel gelesen, weil sie es so mochte.
Bist du ein Wiederholungs-Gucker oder -Leser? Welchen Film, welche Serie hast du mehrmals gesehen, welches Buch mehrfach gelesen? Und wie oft? Oder kannst du das alles überhaupt nicht verstehen und sagst "Denn keeenn ich doch schooon!", wenn jemand einen Film anschauen willst, den du schon gesehen hast?
Text: nadja-schlueter - Foto: andybahn / photocase.de