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Wann machst du dir Sorgen um deine Freunde?

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Ich sorge mich um Freundin A. Nicht weil sie so offensichtliche Dummheiten macht wie dauerhaft zu saufen, sich Crystal zu spritzen oder mit Scharen gewalttätiger Männer zu schlafen, sondern weil sie keinen Spaß hat. Und das macht sie verbissen, verhärtet, leblos.  

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Eine Freundin braucht Hilfe, und du streckst ihr deine Hand trotzdem nur halbherzig hin? Unserer Autorin geht es so – obwohl sie sich sorgt

Nach dem Abi klappte es bei A irgendwie nicht. Sie war seit Jahren davon ausgegangen, Medizin zu studieren, aber bekam keinen Platz und schrieb sich für Physik ein. Ihr Freund machte Schluss und sie wollte nicht mehr in die Stadt ziehen, in der er wohnte – und all ihre anderen Freunde. Sie war einsam und hatte ein Studium, das sie zum einen nicht besonders interessierte, zum anderen überforderte.

Dann entschied sie sich zu lernen. Und hatte Erfolge, bekam einen Job als studentische Hilfskraft und ein Stipendium. Sie hängte sich noch mehr rein, verließ die Bibliothek nur zum Schlafen. Schritt für Schritt begann sie den Perfektionismus und die Arbeitssucht auf alle Felder ihres Lebens auszuweiten. Sie war immer ein wenig dick gewesen, jetzt aß sie nur noch gekochtes Gemüse. Sie trieb Sport, den sie im Schulunterricht stets boykottiert hatte. In ihrer knapp bemessenen Freizeit arbeitete sie für NGOs. All das tapfer Sein und Kämpfen hat sie selbst ganz hart gemacht. Wenn ich in konventionellen Supermärkten einkaufe, statt in Bioläden zu gehen, verdreht sie die Augen. Sie lächelt nur noch spöttisch und lachen tut sie nie. 

Ich wünsche mir, dass A mal richtig durchgespaßt wird. Denn, dass sie sich selbst Freude sucht, glaube ich nicht. Und ich könnte ihr womöglich helfen: sie zum Trinken, Tanzen und Burger essen animieren. Das hat sie früher geliebt, das könnte sie retten. 

 Doch ich tue es nicht. Weil sie sagt, dass sie das nicht möchte und dass es ihr gut geht. Ich will sie nicht bevormunden, nicht manipulieren, nicht „zu ihrem Glück zwingen“. Und mit ihr reden, das genügt nicht: Sie versteht die Argumente – aber ändert nichts. Eigentlich ist sie schwach und ich sollte sie lieben, damit sie stärker wird. Stattdessen meide ich sie, weil mich das verkrampfte Strebertum nervt. Ich warte, bis es besser wird – doof, oder?  

Wie ist das bei dir? Wann machst du dir Sorgen um deine Freunde, Bekannte oder – denken wir groß – die Menschheit? Und was machst du dann, müssen sie dich bitten, damit du einschreitest?                                     



Text: merle-kolber - Bild: The Johnny / photocase.com

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