Aber diese Sorgen um Verspießerung gehen jedes Mal schnell wieder vorüber. Weil ich gerne spaziere, seit ich denken kann. Ich glaube, der Sonntagsspaziergang ist der generelle, immer schon dagewesene Spießigkeitsanteil in meinem Leben, hinter dem ich so sehr stehe, dass es mir nicht so richtig etwas anhaben kann, wenn mir jemand, der Sonntagspaziergänge aus Prinzip ablehnt, daraus einen Vorwurf macht.
Es gibt noch mehr solcher Dinge, die viele junge Menschen tun oder haben, obwohl sie oft als spießig bezeichnet oder als muffig verschrien werden, weil Mama und Papa oder Oma und Opa ähnliche Gewohnheiten und Besitztümer haben. Das Glas Rotwein mit den Freunden am Samstagabend zum Beispiel oder das (teure) Messerset in der Küche. Natürlich ist es am allerspießigsten, darüber nachzudenken, was im eigenen Leben denn jetzt besonders spießig ist (und es dann eventuell aus Angst ganz schnell zu lassen). Aber mal ganz unaufgeregt darüber nachzudenken, was von dem, was man tut oder hat, als besonders spießig gelten könnte, macht sogar ein bisschen Spaß und zeigt einem, dass es da watteweiche Dinge gibt, auf die man sich verlassen kann.
Was ist der Spießigkeitsanteil in deinem Leben? Der Sonntagspaziergang, die Küchenausstattung, ein Möbel- oder Dekostück, eine alltägliche Gewohnheit? Was ist ein bisschen altmodisch und langweilig, aber die so lieb, dass du es nicht missen magst?
Text: valerie-dewitt - Bild: timtoppik.photocase.com