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Tot auf Twitter

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Wann Garth Callaghan genau sterben wird, weiß er nicht. Drei Mal wurde in den letzten zwei Jahren Krebs bei ihm diagnostiziert. Die Ärzte geben ihm nicht länger als fünf Jahre. Er wird seine jetzt 14-jährige Teenagertochter Emma zurücklassen. Ihr hat der Vater bereits jetzt ein besonderes Erbe vermacht. Prämortal sozusagen.  

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Immer häufiger Nachrichten ihren Weg in soziale Netzwerke, die für nach dem Tod bestimmt sind.

Seit der zweiten Klasse findet Emma in ihrem Lunchpaket jeden Tag eine Serviette, beschrieben mit einer kleinen Notiz, einer Aufmunterung, mit einem berühmten Zitat oder persönlichen Wünschen von ihrem Vater. „I love you. Make today awesome“ steht da geschrieben, ebenso wie „Do the right thing even when no one is looking“.

826 weitere Anmerkungen hat Callaghan seiner Tochter versprochen. Für jeden Tag bis zu ihrem High School-Abschluss, falls er diesen selbst nicht mehr miterleben wird. Die Servietten schreibt er vor, 740 hat er bereits gesammelt, 86 Lebensweisheiten müssen noch aufs Papier gebracht werden. Eine Kollektion vergangener Notizen hat Callaghan veröffentlicht - auf Twitter, Facebook und einem eigenen Blog. Sein Ziel: Die Beziehung zu seiner Tochter verstärken und gleichzeitig anderen Eltern eine Inspiration zu sein.  

Auch Schriftsteller Wolfgang Herrndorf dokumentierte seinen Sterbeprozess im Internet. Auf seinem Blog „Arbeit und Struktur“ legte er ein Online-Tagebuch an, unmittelbar vor seinem Freitod. Rückwärts vom Tod lesen sich die Einträge, der erste lautet: „Schluss: Wolfgang Herrndorf hat sich am Montag, den 26. August 2013 gegen 23.15 Uhr am Ufer des Hohenzollernkanals erschossen.“ Auch der schwedische Krimi- und Bestsellerautor Henning Mankell trat mit seiner Krebserkrankung an die Öffentlichkeit. In einer Kolumne will er über seinen Kampf gegen die Krankheit schreiben. 

Witwer Ben Nunery dagegen gedenkt seiner Frau in ganz anderer Weise. In Erinnerung an die Verstorbene stellte er mit der dreijährigen Tochter seine Hochzeitsfotos nach und die dann auch ins Netz.  

Was hälst du davon? Brauchst es diese digitale Erinnerungs- und Trauerkultur? Welche Nachrichten willst du der Nachwelt hinterlassen? Was sollen deine Kindern oder Freunden nach deinem Tod lesen? Würdest du noch auf deinem Sterbebett twittern und posten? Wie verändert das den öffentlichen Umgang mit dem Thema Tod?

Text: katharina-elsner - Foto: dpa

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