Kampusch bei „Beckmann“, Kachelmann vor Gericht. Die Grenzen zwischen Privatheit und Öffentlichkeit lösen sich auf. Wie viel wollen und wie viel sollen wir eigentlich über das Leben anderer Menschen erfahren?
simon-hurtz
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3096 Tage lang wurde Natascha Kampusch gefangen gehalten und genauso heißt auch ihre gerade veröffentlichte Biographie. Medien drucken Exklusivauszüge mit schockierenden Details und im Fernsehen wirbt sie bei „Beckmann“ für ihr Buch. Die Zuschauer bekommen Einblick in ihre intimsten Erlebnisse, die Gefangenschaft wird vor dem geneigten Leser ausgebreitet.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Illustration: Julia Schubert
Kampusch bei Beckmann, bei einer Art Beichte.
Natascha Kampusch betrachtet ihre Biographie als eine Art Therapie, einen Versuch, ihre schrecklichen Erlebnisse zu verarbeiten. Sie hat sich bewusst dafür entschieden, ihre Erfahrungen öffentlich zu machen, sofern sie nicht ohnehin längst bekannt waren. Diese Wahl hatte Jörg Kachelmann nicht. Der Vergewaltigungsverdacht gegen den Wettermoderator ist aber Anlass für viele Vorverurteilungen, für Zweifel an der Aussage des Opfers oder für tiefschürfende Charakterstudien. Was ich mich dabei frage: Wieso interessieren wir uns eigentlich so sehr für das Privatleben anderer, uns völlig unbekannter Menschen? Haben wir ein Recht darauf, über Jörg Kachelmanns Sexualpraktiken informiert zu werden, nur weil wir sein Gesicht aus dem Fernsehen kennen? Und wollen wir das überhaupt, sind wir wirklich derart voyeuristisch?