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Oh du schöne Passivität
Vergangene Woche saß vor mir im Zug ein Mann, der „Dungeon Hunter“ spielte. Sein iPad stand auf dem Tisch, ich konnte die Kampfhandlungen durch den Schlitz zwischen den Sitzen verfolgen. Ich beobachtete, wie er „verdorbene Soldaten“ und „Todesritter“ schlug, war immer sehr traurig, wenn plötzlich „Du bist tot!“ auf dem Bilschirm stand und sehr aufgeregt, wenn er am „Rad des Schicksals“ drehte. Dann musste ich umsteigen.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Man muss gar nicht immer selbst spielen, zugucken kann auch schön sein.
Ich muss bei Computerspielen immer hinsehen. Ich habe keine Lust sie selbst zu spielen, ich will sie nur beobachten. Das beruhigt mich. Denn im besten Fall ist das so als würde derjenige, der spielt, mir eine Geschichte erzählen. Mich mitnehmen in eine Fantasiewelt, in der ich aber nur gucken muss und in der mir nichts passieren kann, weil ich ja nicht die Verantwortung trage. Als mein Freund eine „Roller Coaster Tycoon“-Phase hatte, habe ich das Gewusel im Freizeitpark beobachtet, bis ich eingeschlafen bin, und danach von Achterbahnen geträumt. Als ich viel Stress hatte, habe ich gerne bei seinem damaligen Mitbewohner auf dem Wippsessel gesessen und ihm dabei zugeschaut, wie er auf der Playstation Golf spielte, das ist nämlich ungemein entspannend. Meine Spiele-Favoriten in Sachen Zugucken sind allerdings: „Final Fantasy“ und „Batman: Arkham Asylum“.
Manche Sachen sind beim Zuschauen eben besser als beim Selbermachen. Für viele Menschen ist das mit Sport so: Fußball/Tennis/Reiten gucken, ja; selbst zum Fußball/Tennis/Reiten gehen nein. Und Kochshows zeigen, dass viele sich auch gerne anschauen, wie andere am Herd etwas zubereiten. Ich kann das gut verstehen, ich sehe anderen auch gerne auf die Finger, wenn sie Gemüse schneiden, rühren und würzen. Oder noch lieber: Wenn sie Brote schmieren. Ästhetische Broteschmierer sind eine Wonne für die Augen. Ich kann mir aber auch vorstellen, dass jemand gerne sieht wie jemand anders strickt oder näht, läuft oder Holz hackt, bügelt oder malt.
Bei was siehst du gerne zu, obwohl oder gerade weil du es vielleicht gar nicht so gerne selbst machst? Wann wirst du passiv, lehnst dich zurück und sagst: „Mach du mal, ich guck zu“?
Text: nadja-schlueter - Foto: dpa