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Koalitionsverhandlungen können auch Überraschungen bringen. Am Dienstag wurde eine solche Überraschung bekannt: Innenminister Friedrich von der CSU und der SPD-Unterhändler Oppermann wollen Plebiszite auf Bundesebene einführen. Gleichzeitig trommelte Horst Seehofer bei seiner Regierungserklärung im bayerischen Landtag für mehr direkte Demokratie im Freistaat. 

Seehofer möchte den Bürgern in Bayern, wo es auf kommunaler und auf Landesebene bereits direktdemokratische Elemente gibt, durch „Volksbefragungen“ noch mehr Mitbestimmungsrechte einräumen. Die CSU fordert seit Jahren Volksentscheide auch auf Bundesebene – vor allem wenn es darum geht, ob und wie viele Rechte an Europa abgetreten werden sollen. 

Um Europa geht es auch im Vorschlag von Oppermann und Friedrich. Das Volk solle „bei europapolitischen Entscheidungen von besonderer Tragweite direkt befragt werden“, heißt es bei ihnen – also wenn neue Staaten aufgenommen oder Rechte nach Brüssel abgegeben werden sollen. Außerdem plädieren sie für einen „behutsamen Einstieg“ in mehr direkte Demokratie auf Bundesebene. Die Bürger sollen zu Gesetzen, die der Bundestag beschlossen hat, innerhalb von sechs Monaten einen Volksentscheid erzwingen können, wenn sie dafür eine Million Unterstützer finden. Nicht vorgesehen sind Volksbegehren, mit denen die Bürger Gesetze selbst anschubsen könnten.  

Die Reaktionen auf die plötzliche Volksabstimmungsbegeisterung bei SPD und CSU waren, nun ja, sagen wir mal: nicht gerade euphorisch. Es folgte schnell Kritik von führenden CDU-Politikern, und Horst Seehofer, der in seiner Regierungserklärung vor seinem bayerischen Absolute-Mehrheit-Parlament ansonsten viel Applaus bekam, bekam ausgerechnet für seine geplante "Koalition mit den Bürgern" keinen Applaus.

Ist ja aber auch schwierig, diese Mitbestimmungssache. Einerseits erscheint es ja irgendwie logisch, sie auf Bundesebene auszuweiten, nachdem man festgestellt hat, dass es in den Ländern und Kommunen klappt. Ein Bürger wird schließlich nicht plötzlich dümmer, wenn es um ein Bundesgesetz geht. Umfragen in der Schweiz haben außerdem gezeigt, dass mehr Mitbestimmung bei der Bevölkerung die Akzeptanz des gesamten politischen Systems erhöht – in Zeiten von Politikverdrossenheit kann das sicher nicht schaden.  

Andererseits gibt es durchaus Gegenargumente. Beispiel Schweiz: Die brauchte bis 1971, um auch für Frauen ein Stimmrecht einzuführen – als eines der letzten Länder in Europa. Direkte Demokratie hat oft einen „konservierenden Effekt“. Die meisten Bürger wagen nicht gerne Veränderungen, sie stimmen eher gegen Neuerungen als sich Innovationen auszudenken. Die braucht eine Gesellschaft mitunter aber auch, wenn scheinbar alles in Ordnung ist.

Auch in der Union hat der Oppermann-Friedrich-Vorstoß einige überrascht,

Wie stehst du zu den Plänen von Friedrich und Oppermann? Bist du für mehr Mitbestimmung? Sollte man die Bürger öfter ran lassen oder glaubst du, dass das eher zu Problemen führt? Wie viele Kompetenzen würdest du den Bürgern anvertrauen? Und hättest du überhaupt den Willen, die Lust und die Zeit, dich zu beteiligen?   



Text: christian-helten - Foto: dpa

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