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Lust auf Rezept: Sollen Frauen ihre Libido chemisch anheizen?

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In einem ausgesprochen interessanten (aber auch ausgesprochen langen) Artikel der New York Times beschreibt der Autor Daniel Bergner die Entwicklung und erste Testphase einer neuen Pille mit dem subtilen Namen „Lybrido“, die die weibliche Libido chemisch anheizen soll.  
Dass das Begehren – und insbesondere das weibliche – ein komplizierter Vorgang ist, ist eine alte Weisheit. Vor allem in Langzeitbeziehungen passiert es oft, dass Männer eine leichte Senkung ihrer Libido feststellen, Frauen mit der Zeit ihr Interesse an Sex fast ganz verlieren. Dabei ist es in vielen Fällen so, dass sie durchaus Vergnügen am Sex haben, wenn sie sich erst einmal darauf eingelassen haben, viele haben sogar regelmäßig einen Orgasmus. Nur: Die Lust auf den Sex kommt ihnen erst gar nicht und so vermeiden sie ihn, wo sie nur können. Das Problem dabei ist: Intimität und Sexualität sind sehr wichtig für eine stabile Beziehung. 

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Die Ursache für den Niedergang der Libido in Beziehungen ist bis heute nicht klar erforscht. Es gibt viele äußere Faktoren, die darauf Einfluss haben: Erschöpfung, Stress, Kinder, Krankheiten, auch viele Medikamente, insbesondere Psychopharmaka, haben einen direkten Einfluss auf die Libido. Doch einige Studien sagen auch, dass dauerhafte Monogamie der eigentliche Libido-Killer ist – und zwar ganz besonders für Frauen. Der Lustabfall ist demnach also unvermeidlich, sobald man sich in eine exklusive Zweierbeziehung begibt, die länger als ein Jahr dauert.  

Und hier kommt „Lybrido“ ins Spiel, eine Pille, die die weibliche Libido wieder anschieben soll. Daniel Bergner hat einige Probandinnen für den ersten Medikamenten-Test begleitet, in der einer kleinen Zahl von Frauen die Pille, beziehungsweise ein Placebo, verabreicht wurde. Eine der Testerinnen, Linneah, hat in der Testphase keinerlei gesteigerte Lust empfunden. Eine andere Probandin, Zita, dagegen merkte einen deutlichen Unterschied: Vorher hatte sie ein Mal pro Woche Sex mit ihrem Mann, eher aus Pflichtgefühl denn aus Freude. Während der Testphase dagegen hatten sie und ihr Mann fünf Mal pro Woche Sex, der auch oft von ihr initiiert wurde.  
Endgültige Daten zu der jetzt abgeschlossenen Testphase wurden bis jetzt noch nicht veröffentlicht, doch angeblich sehen die Daten so gut aus, dass eine nächste Testphase sehr wahrscheinlich genehmigt werden wird.  

Doch die Einführung eines solchen Medikaments stellt sehr viele Fragen auf: Was, wenn eine Frau die Pille nicht nehmen möchte, auch wenn ihr Begehren nachgelassen hat? Kann es passieren, dass manche Menschen dann geradezu von ihrer Partnerin erwarten, dass sie die Pille einnimmt? Und was würde so eine Pille für die Gesellschaft bedeuten? In Bergners Text wird ein Forscher zitiert, der sagt, so eine Pille solle zwar funktionieren, aber um Himmels willen nicht zu gut – schließlich wolle man Frauen nicht in Nymphomaninnen verwandeln.    

Wie siehst du die Entwicklung einer solchen Pille? Ist so ein Medikament erstrebenswert, wenn der Abfall der Libido geradezu zwangsläufig in Langzeitbeziehungen passiert? Würdest du so eine Pille nehmen? Oder glaubst du, dass hier ganz normale menschliche Vorgänge und Regungen pathologisiert werden, um daraus Profit zu schlagen?

Text: christina-waechter - Foto: Nenuphar / photocase.com

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