Nachdem im Vorfeld der EM noch von einem Boykott der Spiele in der Ukraine die Rede war, könnte Merkel im Falle eines Finaleinzugs des deutschen Teams nun doch anreisen. An der ukrainischen Menschenrechtslage und den Haftbedingungen von Julia Timoschenko hat sich allerdings nichts verändert.
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Bereits am Wochenende hatte Team-Manager Oliver Bierhoff berichtet, die Kanzlerin habe dem DFB-Team bei ihrem Kabinenbesuch nach dem Spiel gegen Griechenland gratuliert und hoffe nun auf einen Halbfinalsieg, „weil sie eben zum Finale auch kommen würde“. Am Montag meldete dann auch die Nachrichtenagentur dpa mit Berufung auf Regierungskreise, die Kanzlerin wolle im Falle eines Finaleinzugs nun doch nach Kiew reisen.
Vor der Meisterschaft waren Gerüchte über einen Boykott der Begegnungen auf ukrainischem Boden laut geworden. Den bisherigen Spielen in Kiew, Donezk, Charkiw und Lemberg sind deutsche Regierungsmitglieder sowie die EU-Komission bisher ferngeblieben. Grund für den Boykott sind die schlechten Haftbedingungen der bandscheibenerkrankten Oppositionsführerin Julia Timoschenko, die wegen Amtsmissbrauch zu sieben Jahren Haft verurteilt wurde, was von vielen als politisch motviertes Vorgehen seitens der Regierung gewertet wurde. Ihre Berufungsverhandlung, die Hoffnungen auf eine baldige Freilassung genährt hätte, wurde am Dienstag verschoben. Merkels Regierungssprecher Steffen Seibert wollte die Meldungen bisher nicht bestätigen, man wolle sich jetzt erstmal aufs Halbfinale konzentrieren und dann nächste Schritte besprechen.
Für den Spagat aus Finalbesuch und diplomatischer Feinfühligkeit hat Merkel mehrere Möglichkeiten. Um negativer Kritik zuvorzukommen, könnte sie sich beim Finale nicht neben den ukrainischen Regierungschef Janukowitsch setzen, sondern zum neutralen UEFA-Präsidenten Michel Platini. Außerdem könnte sie den nicht unweit der Spielstätte campierenden Timoschenko-Unterstützern einen Besuch abstatten. Kritikern allerdings würde das nicht reichen. Jubelbilder mit Janukowitsch würden ein falsches Signal senden und dessen Wiederwahl begünstigen. Die Kanzlerin täte besser daran, das Spiel auf der Berliner Fanmeile zu verfolgen, meinte Tom Königs, Vorsitzender des Menschenrechtsausschusses im Bundestag.
Was hältst du von den möglichen Varianten? Ist Merkels Fußballbegeisterung ein ausreichender Grund, sich jubelnd mit dem zu Recht in der Kritik stehenden Janukowitsch ablichten zu lassen? Sollte sie nicht lieber daheim bleiben? Oder sollte man die Europameisterschaft lieber als eine unpolitische Sportveranstaltung sehen, bei der es eigentlich keine Rolle spielt, wer neben wem auf der Tribüne Platz nimmt?