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Ein Bösewicht, wer keine Lieder mag?
Vier Uhr morgens, Party-Gäste sitzen im Kreis, labern, nippen, nicken vor sich hin. Plötzlich steht meine Freundin M. auf und sagt, dass sie Musik nicht mag. Das Gebrabbel der anderen verstummt. M. ist in Fahrt, stolziert um den Kreis herum und erklärt: Auch wenn ihr hin und wieder ein Lied gefalle, es sei doch bekloppt, den ganzen Tag vor dem PC zu sitzen und sich gegenseitig Videos zu schicken. Ihr Motto sei ein anderes: Musik ist egal! Die anderen bleiben still – ziemlich lange – dann reden sie weiter. Für M. interessiert sich keiner mehr.
Musik bestimmt Jugendkultur. Wem sie egal ist, dem fehlt also was. Denn es gäbe ja so viele Richtungen, die man mögen könnte: Hip-Hop, Indie, Standardpop, auch alle anderen sind erlaubt. Nur die eine eben nicht: Gar keine Musikrichtung zu mögen.
Dabei ist bei allen anderen Vorlieben ja auch niemand streng. Wer keine Bücher liest, war zumindest nie ein Streber. Wer peinliche Klamotten trägt, vermittelt, dass ihm Aussehen egal ist und wer abends nie ausgeht, ist sich womöglich einfach selbst genug. Wenn sich einer aber nicht mit Musik beschäftigt, so ist sein Weg zur Lässigkeit versperrt.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Keinen Klamottengeschmack, kein Verständnis für gutes Essen - alles wurscht. Aber bei fehlendem Musikgeschmack hört die Liebe auf - oder?
Wir haben ein intuitives Verständnis vom Zusammenhang zwischen Musikgeschmack und Persönlichkeit eines Menschen, schreiben die Psychologen Jason Rentfrow und Samuel Gosling in einer Veröffentlichung aus dem Jahr 2006. In ihren Experimenten sollten Probanden die Persönlichkeit eines anderen beschreiben – anhand des Musikgeschmacks gelang das teilweise besser als mit einem Foto. Ihre Einschätzung zeigte große Übereinstimmung mit dem Persönlichkeitsprofil, das die Forscher erstellt hatten. Wenn einer also keinen Musikgeschmack hat, gelingt uns diese Einschätzung nicht - und ein Mann ohne Eigenschaften, der ist uns irgendwie suspekt.
Unterstellen wir also musikbefreiten Menschen einen Mangel an Charakter? Denken, sie seien leidenschafts-, emotions-, leblos? Oder erinnern wir uns sogar, noch schlimmer, an den Spruch: Böse Menschen haben keine Lieder?
Da im jetzt-Kosmos viele ausgewählte Musiktipps umherfliegen, gehen wir mal davon aus, dass es hier viele Musikliebhaber gibt. Unsere Frage also an euch: Denkt ihr automatisch, wer keine Lieder mag, der ist ein Bösewicht? Gibt es Vorlieben und Mankos, die vergleichbar schnell Abwertung auslösen? Oder siehst du das anders und ob man sich für Musik interessiert, scheint dir so irrelevant wie der Brotaufstrich des Nachbars? Was ist deine Intuition bei Leuten, denen Musik egal ist?
Text: anne-kratzer - Foto: rockabella / photocase.com