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Diekmanns willige Vollstrecker?

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In der notorisch klammen aber dafür umso aufrichtigeren Tageszeitung, schaltet die Bild heute eine ganzseitige, bezahlte Anzeige.

Darauf ist tatsächlich jener Brief von Judith Holofernes abgedruckt, mit dessen Veröffentlichung auf der Homepage ihrer Band vor drei Tagen alles anfing. Es ist ein harscher Brief der nichts an Ablehnung zu wünschen übrig lässt und man muss schon jenes spezielle Bild-Selbstverständnis haben, um sich damit zu brüsten, beziehungsweise zu versuchen, aus dieser Anti-Werbung eine Pointe für sich selber zu generieren. Unter dem Text steht der Zusatz “BILD bedankt sich bei Judith Holofernes für ihre ehrliche und unentgeltliche Meinung”. Das ist frech, zweifellos. So frech, dass sich genug Menschen vor Vergnügen auf die Schenkel klatschen werden, wenn sie von der Sache hören. Damit bedienen sie dann genau den von Holofernes angeprangerten Trend, demnach es für schick gilt, die Bild und ihren Chef Kai Diekmann für irgendwie doch liebenswerte Lausbuben zu halten. (Davon abgesehen holt die Realität damit die kleine Satire ein, die am Freitag hier für Furore sorgte und deren Verfasser synthie_und_roma bereits am Freitag darüber nachdachte, wie man Holofernes' Antwort auf ein Plakat bekommen könnte.)

Andererseits weiß man, dass Kai Diekmann eine gewisse Zuneigung zur taz pflegt, die er in den letzten Jahren immer mal wieder unter Beweis stellte. Hinter dieser Volte könnte deswegen natürlich auch so etwas wie ein verqueres Friedensangebot stehen. Schließlich kommt der Anzeigenerlös einer Institution zu Gute, für die sich Holofernes mutmaßlich selber einsetzen würde. Wäre sie mit ihrer Band als Testimonial aufs Bild-Plakat gewandert, hätte die Bild im Gegenzug 10.000 Euro für einen guten Zweck gespendet. Jetzt spendet sie vermutlich genau 12.555 Euro an die taz und lacht sich obendrein ins Fäustchen. Ein irgendwie bohlenhafter Schachzug, genial arschig. Diekmanns augenzwinkernder Gang nach Canossa. Hätte er den Brief in seiner eigenen Zeitung in dieser Größe veröffentlicht, wäre die Sache vermutlich eskaliert. Wie ernsthafte Bild-Leser reagieren, wenn sie sich in ihrer Weltsicht bedroht fühlen, davon können Titanic-Redakteure und Günter Wallraff ein Lied singen.
So aber wird sich allenfalls die taz-Leserschaft ein bisschen aufregen, die Medienschaffenden zwischen Hamburg und München werden in den Kaffeeküchen ein bisschen darauf herumtwittern, Judith Holofernes wird zum ersten Mal über Polizeischutz für ihr Kind nachdenken und Bild selber wird gänzlich unbeeindruckt weiterdampfen. Bleibt die müßige Frage, wieso die taz sich zur Kulisse für diese Spielchen machen lässt? Ist das Geld so nötig? Ja, sagen alle die mal dort waren. Sind also nicht die Abokündigungen, die darauf folgen werden und die angeknackste Glaubwürdigkeit, ein größeres Opfer als der Verzicht auf die Kohle? Das beigestellte Holofernes-Interview, in dem die Musikerin sich ebenfalls und unwidersprochen über der Rolle der taz dabei wundert, schmeckt jedenfalls in diesem Zusammenspiel doch ein wenig nach Ablasshandel.
Oder profitieren von der ganzen Aktion letztlich doch irgendwie alle? Die Helden haben aus dem Nichts massive Anteilnahme und Sympathien, die Werbeagentur macht das, wofür sie bezahlt wird, nämlich ihren Kunden Aufmerksamkeit bescheren, die Bild hat sich mal wider Bild-typisch verhalten und aufgetrumpft und die taz kriegt ein saftiges Stück vom Kuchen. Alles gut also? Oder wie siehst du das, was sagt dein Bauchgefühl zum (hoffentlich) Ausgang dieser Geschichte? Sauer auf die taz? Sauer auf die Bild? Oder sind die von Jung von Matt an allem schuld?

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