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Das Leben der Anderen - Der Nachbarticker
Vor einigen Wochen schrieb die jetzt-Userin klinsmaus einen schönen, aber auch etwas furchterregenden Text über ihren Nachbarn. Der brüllte nämlich. Regelmäßig, meistens so ab neun Uhr abends. Diese Geschichte hat mich dazu veranlasst, regelmäßig auf die Geräusche meiner Nachbarn zu achten. Doch in meinem Haus wird selten gesprochen, ans Brüllen gar nicht zu denken. Und auch Sex scheinen die Leute in meinem Haus nicht zu haben. Das Einzige, was sie meiner Beobachtung nach tun - und das muss ein unausgemachter Brauch bei uns im Haus sein - ist, dass sie ihren häuslichen Unrat auf die große Treppenhausfensterbank im ersten Stock legen. Dort ist also jede Woche ein neues Sperrmüllbuffet angerichtet: Abgelaufenes Sonnenblumenöl neben Selbsthilfebüchern neben Tomatenkonserven neben 90er Jahre CD‘s. Und manchmal hängen auch ein oder zwei Klamotten über dem Fenstergriff. Das Merkwürdigste ist: Irgendjemand scheint sich immer für die abgelegten Umsonstwaren zu interessieren, denn nach einigen Tagen ist alles vergriffen und jemand erneuert das Sortiment. Ich habe regelmäßig großen Spaß daran, mir kleine Geschichten hinter diesem sonderbaren Phänomen auszumalen. Genau so wenig, wie ich meine Nachbarn höre, kenne ich sie auch. Das möchte ich mittlerweile aber auch gar nicht mehr so gerne. Ihre großen Schweigsamkeit ist mir unheimlich. Meine Nachbarin auf linker Seite lässt abends immer sehr lange Wasser in die Badewanne tröpfeln, beinahe eineinhalb Stunden lang. Und letztens bin ich nachts aufgewacht, weil sich jemand drei Stockwerke über mir aus dem Fenster erbroch und es laut auf die Straße plätscherte. Und dann gab es noch diese Nagelsache: Um fünf Uhr nachmittags schlug ich einen Nagel in die Wand. Nicht sechzehn Nägel, sondern einen einzigen Nagel. Sofort hämmerte jemand von der anderen Seite mit der Faust gegen die Wand. Ich erschrak erst sehr und entschied mich dann aber gegen ein schlechtes Gewissen. Fünf Uhr ist immerhin eine humane Zeit. All das passiert, ohne das je jemand spricht. Es gruselt mich, dass mein Haus so schweigsam ist. Ich bin fest davon überzeugt, dass meine Nachbarn ein Haufen mieser, alleinstehender Grumpler sind, die sich schrecklich darüber ärgern, dass nun jemand zwischen ihnen eingezogen ist, wie ich. Jemand, der hin und wieder laute Geräusche erzeugt, weil er ja immerhin lebt. Aber sie müssen sich zu ihrem Glück nicht täglich über mich ärgern, denn ich bin oft und gerne bei meinem Freund. Da wohnen Schwangere, Studenten, Anwälte, Inder und Asiaten. Da grüßt man sich im Flur und man hört sich, und zwar ständig. Es wird gevögelt, gestritten, getanzt, gelacht, von allen Seiten. Liegt man nachts im Bett, kann man sich ein schönes Spiel daraus machen, sich ganze Geschichten hinter den Geräuschfetzen auszumalen, die man so mitbekommt. Da lernt man erstaunlich viel über Streitkultur, Sexpraktiken und Kochkunst. Passend zu dieser neuen Nachbarleidenschaft meinerseits entdeckte ich kürzlich ein neues Blog, in dem nun jeder, der mag, seine neuesten Erkenntnisse über die eigenen Nachbarn aufschreiben kann. Weil meine voyeuristische Ader durchaus ausgeprägt genug ist, auch anderer Menschen Mutmaßungen über ihre Nachbarn mit Interesse zu lesen, gefällt mir die Idee. Vor allem aber musste ich wieder an den Text von klinsmaus denken. Ich frage mich, wie es eigentlich mittlerweile um ihre Nachbarschaft mit dem Brüller steht und würde mich sehr über einen Fortsetzung der Geschichte freuen. Aber jetzt zu dir: Interessierst du dich eigentlich für deine Nachbarn? Sind sie dir völlig fremd oder gab es bei euch vielleicht sogar ein präsentkorbartiges Vorstellungstreffen? Was bekommst du im alltäglichen Leben von ihnen mit, und: Wagst du es, darüber nachzudenken, was sie von dir alles mitbekommen? Her mit deinen Anekdoten!