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Das Ketchup-Debakel

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„Niemals“, antwortete ich entschieden als mir meine beste Freundin ein unmoralisches Angebot machte. Janina fragte mich tatsächlich, ob ich für 1.000 D-Mark einen ganzen (!) Teelöffel Ketchup essen würde.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Dieser Korruptionsversuch trug sich auf dem Pausenhof der Heumaden-Grundschule zu, lange bevor mich Taschengeldnöte und studentische Armut bestechlich machten. Ich habe auch dann noch großmütig abgelehnt, als Janina ihr hypothetisches Angebot auf eine Millionen anhob, die höchste Zahl, die wir mit neun Jahren kannten. Zu groß war mein Ekel vor dem Tomatenmatsch.

Der Grund, weshalb ich den milliardenschweren Teelöffel so vehement ablehnte, beruht auf einer ganz eigenen Geschichte. Sie hat damit zu tun, dass ich es die Jahre vorher mit dem Ketchup-Konsum übertrieb. Meistens scheitert man damit ja an den Regeln der Eltern. An einem heißen Tag in der Stuttgarter Wilhelma ließen mich Mama und Papa beim Mittagessen einfach mal machen, vielleicht wegen ihres Sonnenstichs, vielleicht weil meine Oma sie beschwichtigte: „Ach, das bisschen Ketchup auf den Pommes wird dem Kind schon nicht schaden...“  Tat es aber doch. Schließlich quetschte ich die rote Pampe tütenweise auf meinen Teller. Ich stopfte, stopfte weiter, kleckerte und fühlte mich zufrieden mit meinem Essen und der Welt – bis ich es einige Stunden später mit derselben Eile wieder ausspuckte.  

Ich hatte mich überfressen. Aus meiner Liebe zum Ketchup wurde so ein Hass, der mich bis heute von Burgerresteraunts und Pommesbuden fernhält. Für das ganze Desaster konnte ich nichts, es war wie mit der berühmten Chipstüte: einmal aufgerissen, landet der Inhalt bis zum letzten Krümel im Mund. Das Ganze läuft wie auf Autopilot ab, man ist machtlos. Deswegen haben meine Schwester (Gurken), der Cousin (Nutella), die Freundin (heiße Himbeeren an der eigenen Kommunion) und ich ähnliche Erfahrungen mit dem Überfressen und den Folgen gemacht.

Nun aber zu den Vielfraßen im Kosmos: An was hast du dich schon mal überfressen? In welchem Alter und in welcher Situation? An was überfrisst du dich heute noch? Oder bist du inzwischen immun gegen solche Fressattacken? Musstest du dich, wie ich, schon mal hinterher übergeben? Und beeinträchtigen dich die Nachwirkungen noch heute in deinem Essverhalten?


Text: daniela-gassmann - Foto: photocase.de/ CL

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