Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Beispiel Burnout: Wie offen kann man über eine Krankheit reden?

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Wenn man gestern die Geschichten über den Rücktritt von Ralf Rangnick als Trainer des Fußballbundesligisten Schalke 04 gelesen hat, konnte man spüren, wie überrascht die Verantwortlichen gewesen sein mussten. Man hatte mit viel gerechnet, aber nicht mit einem Rücktritt. Der Aufsichtsratschef Clemens Tönnies sagte: "Ich war bestürzt und fassungslos. Ich kann es immer noch nicht fassen." Es hörte sich an, als reagiere Tönnies auf die Nachricht, dass Rangnick gestorben sei. Dabei schien er schlicht nichts bemerkt zu haben. Die Fallhöhe zwischen dem Gedanken "Alles in Ordnung mit dem Trainer" und "Der Trainer hört auf, weil er krank ist" war also groß.

Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Im Lauf des Tages bekam Rangnick viel Zustimmung für seine Entscheidung. Trainer sagten, dass man mal wieder einsehen müsse, dass Fußball nicht das Wichtigste auf der Welt sei. Der Wolfsburger Trainer Felix Magath schrieb von einem "mutigen" Schritt. Nun kann man sich denken: Nett, dass es soviel Zustimmung gibt. Dass von einem richtigen und wichtigen Schritt gesprochen wird. Gleichzeitig lernt man, dass solche Entscheidungen immer noch als mutig empfunden werden. Eine Depression, eine Erschöpfungserkrankung, ein psychisches Leiden ganz generell ist immer noch etwas anderes als eine schwere Operation am Herzen. Niemand würde Ralf Rangnick einen mutigen Schritt attestieren, wenn er sich einen Bypass legen lassen würde. Es wäre ein notwendiger Schritt. Die Leute würden ihm schlicht alles Gute und gute Besserung wünschen.

Die Frage ist alt, aber vielleicht muss man sie immer wieder neu stellen: Sind wir immer noch unfähig, entspannt und klar und offen mit Erkrankungen umzugehen, die mit Psyche und Seele zu tun haben? Muss man Menschen wie Ralf Rangnick immer noch öffentlich zurufen, dass sie mutig sind? Sollte diese Zeit nicht eigentlich vorbei sein?   



Text: yvonne-gamringer - Foto: dapd; Coverfoto: benicce / photocase.com

  • teilen
  • schließen