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46 Geldstücke und 60 Minuten
Es war 14 Uhr, als ich los fuhr. Wir hatten uns um 15 Uhr verabredet. Eigentlich genug Zeit, denn für die Strecke würde ich nicht länger als eine halbe Stunde brauchen. Aber irgendetwas kann ja immer schief gehen, dachte ich mir, vielleicht ist Stau oder ich finde keinen Parkplatz, ein halbe Stunde mehr Zeit könne da bestimmt nicht schaden.
Ich hatte vor zwei Wochen meinen Führerschein gemacht und es war das erste Mal, dass ich mit dem Auto alleine in die Stadt fuhr. Wer auf dem Land den Führerschein gemacht hat, weiß: Auf-dem-Land-Autofahren verhält sich zu In-der-Stadt-Autofahren ungefähr so wie ein Kinderkarussell zu einem Achter-Looping. Ich war unglaublich aufgeregt, aber alles funktionierte: Um 14.20 Uhr erreichte ich das Cafe, in dem wir uns verabredet hatten. Ein bisschen früh vielleicht, aber ich hatte ja auch noch keinen Parkplatz. Dass sich die Parkplatzsuche schwieriger als geplant gestalten würde, wusste ich in diesem Moment noch nicht. Ich fuhr also an dem Cafe vorbei, in der festen Überzeugung an der nächsten Ecke einen Parkplatz zu finden.
20 Minuten und etliche Blicke auf die Uhr später fand ich mich einen Kilometer vom Treffpunkt entfernt vor einem Parkhaus wieder. Die paar Mark ist das wert, sagte ich mir. Ich fuhr hinein, parkte das Auto und ging wieder an die Oberfläche zurück. Dort angekommen traute ich meinen Augen kaum: Vor mir war eine ganze Straße freier Parkplätze – Platz genug für drei Sattelzüge! Ich lief wieder in das Parkhaus hinein und wollte bezahlen: Da ich nur knappe fünf Minuten lang geparkt hatte, kostete es den Mindestpreis von vier Mark. Blöd, dass ich nur einen 50-Mark-Schein bei mir hatte, denn das Wechselgeld bestand aus 46 einzelnen Mark-Stücken, die nun bei jedem Schritt schwer in meiner Tasche klimperten. Oben angekommen fiel mir dann das Taxi-Schild vor den vermeintlichen Parkplätzen auf.
Es 14.45 Uhr und noch nicht alles verloren. Ich konnte es noch rechtzeitig schaffen. Mein Plan: Zurück zum Cafe und mich notfalls dort ins Parkverbot stellen. Nach zehn Minuten allerdings hatte ich mich hoffnungslos verfahren und nebenbei schweißgebadet. Als ich eine freie Parklücke sah, stellte ich den Wagen dort ab und rief mir ein Taxi. Den Fahrer bezahlte ich mit neun einzelnen Markstücken. Ich war tatsächlich pünktlich um 15 Uhr bei unserem Treffpunkt. Ein unglaubliche Erleichterung machte sich breit, die dem Gefühl einer bestandenen Führerscheinprüfung nicht unähnlich war. Nur leider war sie nicht da. Sie kam 15.20 Uhr, fragte mich lächelnd, ob ich schon lang gewartet hätte. Dann trank sie einen Milchkaffee und wir sahen uns nie wieder.
Was war dein peinlichstes Date?
Text: philipp-mattheis - Illustration: Dominik Pain