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Jetzt in Sansibar (1): „Er hier arbeitet für die Al-Qaida“

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Der Tag neigt sich dem Ende entgegen, und auf dem kleinen Platz in der Nachbarschaft beginnen die Stunden der Jugend. Die älteren Männer, die tagsüber unter der Palme auf Steinbänken sitzen, Domino spielen und über Politik debattieren, sind bereits nach Hause zu ihren Familien gegangen; der kleine Kohleofen, auf dem Kaffee gebrüht wird, ist längst weggeräumt, und nur der Playstation-Laden, in dem Fußball und Wrestling die beliebtesten Spiele sind, und der Tante-Emma-Laden, den der alte Mann führt, haben noch geöffnet.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Mukrim steht mit Mohammed an der Ecke, drückt auf seinem Organizer herum und spielt Musik ab. Mohammed hat seine Haare unter einer Kofia versteckt, einer Kopfbedeckung, die Männer in Sansibar in der Moschee und als Alltagskleidung gleichermaßen tragen. „Taarab“, sagt Mukrim, als ich vorbei gehe. „Kennst du Taarab? Wir hören nur Taarab-Musik, weil das zur sansibarischen Kultur gehört.“ „Keinen Hiphop?“, frage ich. „Ich habe auch schon Hiphop gehört hier.“ „Nein, Hiphop mögen wir nicht. Wir sind Sansibaris, und Taarab ist unsere Kultur, nicht Hiphop.“ Ein paar Tage zuvor bin ich in den zweiten Stock des Eckhauses gezogen, und wir kennen uns bereits vom Sehen. Mohammed hatte mir zugenickt und gelacht, als ich beim Einzug mit meiner Tasche in der engen Haustür stecken geblieben war. Er sagt meinen Namen. „Stimmt doch, oder?“ „Stimmt“, sage ich. „Welche Bedeutung hat das?“, fragt Mukrim, wartet aber nicht auf eine Antwort. „Ich meine, bei uns haben die Namen eine Bedeutung. Er hier zum Beispiel heißt Mohammed, das ist der Name des Propheten.“ Dann legte er eine Pause ein. „Jetzt ist Mohammed allerdings nicht mehr der Prophet, jetzt ist er ein Cartoon aus Dänemark.“ Mukrim und Mohammed lachen, aber es hat einen bitteren Unterton. Cartoonisten hatten Mohammed in einer dänischen Zeitung dargestellt. Einer von ihnen zeichnete ihn mit einer Bombe im Turban. Nicht nur die Darstellung mit der Bombe veranlasste viele Muslime in aller Welt zu Protesten, sondern auch, dass der Prophet als Bild dargestellt worden war. „Der Kerl, der diese Cartoons gezeichnet hat“, fuhr Mukrim fort, „weiß gar nicht, was er angerichtet hat. Ihre einzige Religion dort ist, dass sie tun und lassen können, was immer sie wollen. Und die Folge von dem Ganzen ist: überall Gewalt. Die ganze Welt ist in Aufruhr, weil dieser Kerl nicht denken kann. Die arabischen Länder importieren nichts mehr aus Dänemark. Und überall gibt es Gewalt.“ „Aber hier in Sansibar habe ich nichts davon bemerkt“, sage ich. „Ja“, sagt Mukrim, „hier in Sansibar ist alles friedlich, aber trotzdem sind wir betroffen. Wir können nicht einfach in ein anderes Land gehen und dort studieren, weil wir keine Visa mehr kriegen. Weil wir Muslime sind. Wir in Sansibar sind alle gemischt, Araber, Inder, Afrikaner, schon immer. Wenn Mohammed hier in Ägypten wohnen würde, würde man ihm auch glauben, dass er Ägypter ist. Wir sehen nicht aus wie Sansibaris, wir sehen aus wie Muslime. Die Araber haben Geld, die können überall hingehen, um zu studieren. Aber wir haben kein Geld in Sansibar, wir brauchen Stipendien, und die kriegen wir nicht. Wir sitzen hier den ganzen Tag herum auf unseren Bänken und reden und langweilen uns, und irgendwann sind wir alt. Die sitzen da im Weißen Haus und sagen, alle Muslime seien Terroristen. Und wer hat das Haus in Oklahoma in die Luft gesprengt? War das ein Muslim? Immer sind es die Muslime.“ Mukrim hat sich in Rage geredet, das Gespräch ist zu einem Monolog geworden, und mir ist die unerwartete Konfrontation mit dem gegenseitigen Missverstehen unangenehm. Mukrim stockt und kommt wieder auf die Karikaturen zurück. „Und dann schreiben die von dieser Zeitung als Entschuldigung, sie wollten nur sehen, wie die Muslime darauf reagieren. Was ist das denn?“ Er fragt: „Warum habt ihr diese Karikaturen gezeichnet?“ „Ich habe diese Karikaturen nicht gezeichnet“, sage ich. „Die waren in einer dänischen Zeitung, die ich nicht einmal lesen würde, wenn ich Däne wäre.“ Mukrim nickt. „Okay“, sagt er und grinst. „Wir wollten nur sehen, wie du reagierst.“

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Als wir uns das nächste Mal wiedersehen – nur der Playstation- und der Tante-Emma-Laden, den der alte Mann führt, haben noch geöffnet –, sitzt Mukrim mit ein paar Freunden auf einer Türschwelle und drückt auf seinem Organizer herum, von dem er beim ersten Treffen nur alte sansibarische Taarab-Musik abgespielt hatte. An diesem Abend läuft ein Song des US-amerikanischen Rappers 50 Cent. Mukrim singt den Refrain mit. „Kennst du 50 Cent?“, fragt er. Dann deutet er auf einen Freund, der dabei sitzt und den ich noch nicht kenne: „Er hier arbeitet für die Al-Qaida“, sagt er. Das Grinsen, das er dazu aufsetzt, übertrifft den Hauseingang, in dem er sitzt, deutlich an Breite. Es ist ein Witz, und ich glaube, ihn verstanden zu haben. „Schön, dich kennenzulernen“, sage ich. „Gleichfalls“, antwortet er. Unter seiner Schildmütze, die er aufgesetzt hat, weil er in die Disco gehen will, schaut eine Haarsträhne hervor. Sie schaukelt hin und her, als er anfängt, im Takt der Musik zu nicken.

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