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"Wir wollen sie übernehmen"
Am 2. November wird in den USA der Kongress neu gewählt und diese Wahl ist so etwas wie ein Stimmungstest für Präsident Barack Obama. Folgt man den Umfragen, sieht es im Moment nicht besonders gut für ihn aus. Wahrscheinlich werden die Republikaner bald die stärkste Kraft im Kongress sein. Sie profitieren von der Unzufriedenheit mit Obamas Politik und von der Unterstützung durch die Tea Party-Bewegung. Diese Strömung ist angeblich schon sehr groß und doch nur schwer zu fassen, weil sie ein Sammelbecken für alle möglichen Politikanschauungen abgibt. Viele Tea Party-Anhänger sind der Überzeugung, dass der Staat zuviel in ihr Leben eingreift und bezeichnen Barack Obama deshalb gerne als „Sozialist“. Die ehemalige Gouverneurin von Alaska, Sarah Palin, und der häufig als „Fanatiker“ und „Populist“ beschriebene Fox-Moderator und Obama-Verächter Glenn Beck sind so etwas wie die Stimmen und Gesichter der Tea Party geworden, was viele Beobachter angesichts der Zusammensetzung der Bewegung für bezeichnend halten. In Washington versuchen nun Organisationen wie die konservative NGO FreedomWorks die Gruppierungen innerhalb der Tea Party zusammenzuführen. Der 29-jährige Brendan Steinhauser steuert im Auftrag von FreedomWorks die Wahlkampfaktivitäten der Tea Party und gilt als einer der Anführer der Bewegung. jetzt.de hat zwei Wochen vor der Wahl mit ihm gesprochen. jetzt.de: Brendan, für was steht die Tea Party aus deiner Sicht? Brendan: Wir wollen die Regierungsausgaben reduzieren. Zum Beispiel hat die Regierung nach der Finanzkrise im Rahmen des „Recovery Act“ eine Billion Dollar ausgegeben – in der Privatwirtschaft sind dadurch aber keine neuen Jobs entstanden. jetzt.de: Nun setzt sich die Bewegung aus vielen unterschiedlichen Gruppen mit teilweise extrem konservativen Ansichten zusammen. Bist du der Marionettenspieler, der die Bewegungen der einzelnen Glieder dieser Puppe koordinieren soll? Brendan: Nein, sicher nicht. Die Bewegung ist ziemlich dezentralisiert. Ich war vorgestern zum Beispiel in Ohio in einem Congressional District außerhalb von Cleveland. Dort waren sicher ein halbes Dutzend verschiedene Gruppen, die gemeinsam Wahlkampf gemacht haben. Die haben alle ganz unterschiedliche Ziele, wollen aber am Ende das gleiche: Sie wollen die Demokraten schlagen. jetzt.de: Was hast du dort gemacht? Brendan: Ich war nur dort, um ihnen bei der Organisation zu helfen und Tipps für den Wahlkampf zu geben. FreedomWorks musst du dir wie ein Servicecenter für diese Graswurzelbewegung vorstellen. Wir stellen zum Beispiel die Schilder für den Vorgarten zur Verfügung oder Flyer, die man an die Türen der Nachbarn legen kann.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Brendan im Wahlkampf
jetzt.de: Was ist euer Ziel? Wollt ihr etwa die dritte große Partei in Amerika werden?
Brendan: Nein, das wäre ein Fehler, weil das System anders als zum Beispiel in Deutschland oder in anderen europäischen Ländern ist. In Amerika ist das System allein auf die zwei großen Parteien ausgerichtet.
jetzt.de: Was heißt das für deine Tea Party?
Brendan: Erst wollen wir bei den Republikanern mitmischen. Dann wollen wir systematisch innerhalb der republikanischen Partei mehr Einfluss gewinnen und sie im Lauf der nächsten zehn Jahre übernehmen. Das ist, kann man sagen, unser erstes Ziel. Das zweite Ziel heißt dann: die Demokraten schlagen.
jetzt.de: Im Obama-Wahlkampf vor zwei Jahren waren sehr viele junge Erwachsene engagiert. Wer sind die Mitglieder der Tea Party?
Brendan: Dass die Leute Obama nachmarschiert sind, kommt daher, dass er so jung ist. Er ist ein Typ, den jeder mag. Deshalb drehte sich auch sein Wahlkampf nur um ihn. Unsere Bewegung dreht sich aber nicht um eine Person sondern um unsere Ideen. Wir sind eine viel mächtigere Bewegung, in der sich von der Altersverteilung her ganz Amerika spiegelt.
jetzt.de: Du hast schon an der Universität über die „konservative Revolution“ geschrieben und hast auch einen Blog zu dem Thema. Was ist für dich konservativ?
Brendan: Naja, der Begriff ist sehr aufgeladen und du kannst ihn verschieden interpretieren. Mir geht es um individuelle Freiheit. Wir fokussieren uns im Wahlkampf auf wirtschaftliche Fragen, uns geht es um einen freien Markt und um begrenztes Regierungshandeln. Die traditionellen Konservativen kümmern sich um Fragen der Religion oder um soziale Themen wie die Heirat von Homosexuellen oder Abtreibung. Die stehen bei uns aber nicht im Vordergrund. Da soll jeder machen, was er will. Uns geht es vor allem um die Rolle der Regierung in der Gesellschaft. Wir wollen nicht alle Schulden bezahlen müssen, die die Politiker jetzt anhäufen.
jetzt.de: Sarah Palin wurde im Wahlkampf 2008 zur Lachnummer, weil sie keine Ahnung von Außenpolitik hatte. Glenn Beck bezeichnen Beobachter als „Einpeitscher“ oder als die „zornige Stimme eines reaktionären Amerikas“. Findest du es gut, dass die beiden gerade für die Tea Party stehen?
Brendan: Beide haben eine große Medienpräsenz im Fernsehsender Fox und sie tragen auch Themen weiter, die uns bewegen. Aber sie sind nur ein Teil der Bewegung und nicht das Zentrum.
jetzt.de: Euch wird immer wieder vorgeworfen, mit unfairen Mitteln Wahlkampf zu machen. Unter anderem wird FreedomWorks vorgeworfen, sich des sogenannten Astroturfings zu bedienen . . .
Brendan: . . . soweit ich weiß, ist das ein Public Relations-Handwerkszeug. Man erzeugt dabei nach außen hin die Wahrnehmung, dass es viel echte öffentliche Unterstützung für eine Bewegung gebe ...
jetzt.de: Korrekt. Indem man Menschen anweist, ganz viele Leserbriefe zu schreiben oder Blogeinträge mit bestimmten Inhalten zu verfassen, erzeugt man den Eindruck, dass hinter den Verfassern eine ganze Graswurzelbewegung stehe. Was aber nicht der Wahrheit entspricht.
Brendan: Unsere Bewegung ist sehr echt. Niemand bezahlt diese Leute, niemand bezahlt die Busse, die zu den Kundgebungen fahren. Die Leute, die bei uns mitmachen, sind echte Leute. Zu behaupten, wir würden diese Bewegung durch Astroturfing erzeugen, ist falsch.
jetzt.de: Neulich war die Geschichte von Gene Cranick aus dem Bundesstaat Tennessee zu lesen. Er hatte sich geweigert, seine Abgabe an die örtliche Feuerwehr zu bezahlen. Dann ist auf seinem Grundstück ein Brand ausgebrochen, der auf sein Haus übergriff. Cranick rief die Feuerwehr – und die kam nicht. Weil er seine Gebühr nicht bezahlt hatte. Glenn Beck fand das offenbar gut. Er sagte im Radio: „Wer seine Gebühren nicht bezahlt, muss die Konsequenzen tragen.“ Denkst du genauso?
Brendan: Ich habe davon nichts mitbekommen und kann deshalb nichts dazu sagen. Alles, was ich sagen kann ist: Ich will niemandes Haus abbrennen sehen.
jetzt.de: Die Chancen für die Republikaner bei der Wahl in zwei Wochen stehen offenbar ganz gut. Warum hat Barack Obama in deinen Augen soviel Unterstützung verloren?
Brendan: Er hat zuviel versprochen. Zuviel Hope, zuviel Change. Das Oval Office mag mächtig sein, aber soviel kann es dann doch nicht auf einmal verändern.
jetzt.de: Was muss er tun, um noch ein zweites Mal Präsident zu werden?
Brendan: Er wird es nur, wenn er sich, wie Bill Clinton damals in den 90ern, in die Mitte bewegt. Obama befindet sich mit seiner Politik weit links draußen – während Amerika in der Mitte versammelt ist.
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Hier kann man Brendan Steinhauser im Bewegtbild erleben: Vergangene Woche war er Gast im Colbert Report, einer amerikanischen Comedyshow.
Text: peter-wagner - Foto: privat