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„Wir sind die größte Blogger-Gemeinde der Welt“

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Alice Xin Liu arbeitet für das chinesische Medien-Blog Danwei. Sie kam in China zur Welt, hat aber einen Großteil ihrer Kindheit und ihrer Studienzeit in Großbritannien verbracht. Seit zwei Jahren lebt sie wieder in Peking. Im Interview mit jetzt.de spricht sie über Zensur, politischen Protest im Internet und die Einstellung junger Chinesen zur Demokratie. jetzt.de: Wie kam es dazu, dass euer Blog Danwei gesperrt wurde? Alice: Am 5. Juli haben wir gemerkt, dass man von chinesischen Computern aus nicht mehr auf unsere Domain zugreifen kann. Allerdings haben wir unseren Host-Server in den USA, das heißt, wir bloggen normal weiter. Nur kann man uns in China nicht mehr lesen. jetzt.de: Wisst ihr, warum ihr gesperrt wurdet? Alice: Wir glauben nicht, dass es etwas mit den Unruhen in Xinjiang zu tun hat, denn wir wurden schon davor geblockt. Vermutlich hat es etwas mit einer Internetsäuberungsaktion seitens der Zensurbehörden zu tun, der auch viele andere Websites zum Opfer gefallen sind. jetzt.de: Was macht ihr bei Danwei genau? Alice: Wir berichten über die chinesische Medienlandschaft. Wir lesen Tageszeitungen, Magazine, Blogs und übersetzen chinesische Artikel ins Englische. Wir versuchen interessante Beiträge zu sammeln, die Meinungen zu aktuellen gesellschaftspolitischen Themen vertreten, die von der Berichterstattung der Mainstream-Medien und den großen Fernsehsendern in China abweichen. Viele Leute denken ja, alles in den staatlichen Medien sei automatisch Propaganda. Das gilt für den Großteil, aber manchmal werden auch in chinesischen Publikationen Artikel veröffentlicht, die nicht linientreu sind. Sie sprechen Dinge über Umwege an, aber sie tun es.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert
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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Besucher eines Internetcafés in China. Unten: Alice. jetzt.de: Viele im Westen haben die Hoffnung, dass das Internet demokratische Veränderungen in China vorantreiben kann. Siehst du das auch so? Alice: Bereits jetzt hat China die meisten Internetnutzer und die größte Blogger-Gemeinde der Welt. Die allgemeine Meinung unter jungen Chinesen ist, dass das Internet dazu beigetragen hat, offener über Probleme zu sprechen. jetzt.de: Erst vor kurzem hat der Protest von Bloggern bewirkt, dass die 21-jährige Deng Yujiao vor Gericht freigesprochen wurde. Ein KP-Funktionär wollte die Kellnerin mit Gewalt zu Sex nötigen, woraufhin sie ihn in Notwehr erstochen hat. Alice: Das war ein kleiner Triumph. Niemand hatte damit gerechnet, dass die Behörden sie freilassen würden. Aber wirklich jeder chinesische Blogger hat über sie geschrieben. Darauf waren die Behörden nicht vorbereitet. In dem Fall konnten sie nicht anders, als zu reagieren. Man hätte ja nicht jedes Internetportal zu machen können. jetzt.de: Wie wahrscheinlich ist es, dass die Regierung langfristig ihre Informationspolitik ändern wird? Alice: Manche halten es für möglich, dass die Regierung sich nach dem Scheitern der Einführung des „Grünen Damms“, einem Internetfilter, neue Mittel einfallen lassen wird, um die Kontrolle wieder zu verstärken. Man sollte nicht zu früh Optimismus verbreiten. Das liegt nicht zuletzt an den jungen Chinesen selbst. jetzt.de: Inwiefern? Alice: Viele Menschen im Westen machen einen Denkfehler: Aus Protest gegen bestimmte Missstände schließen sie, dass die Chinesen prinzipiell gegen ihre Regierung sind. Das ist falsch. Junge Chinesen meiner Generation interessieren sich für Veränderung. Sie interessieren sich für Reformen. Das heißt aber noch lange nicht, dass sie von heute auf morgen Demokratie wollen. Und eine Revolution schon gar nicht. Auch die Rolle des Internets sollte man nicht verklären. jetzt.de: Was ist mit dem Internet-Phänomen „Caonima“, dem „Gras-Schlamm-Pferd“? Hat sich da nicht auf eine subversive Art und Weise Widerstand geregt? Alice: Der Fall von „Caonima“ ist äußerst interessant. Einer meiner Kollegen stieß vor einigen Wochen im Netz auf eine Reihe von mystischen Wesen mit seltsamen Namen, die auf Schimpfwörter anspielen, die im chinesischen Internet ausgefiltert werden. „Caonima“ heißt „Fick deine Mutter“. Anders intoniert kann es aber auch „Gras-Schlamm-Pferd“ bedeuten. Es dauerte nicht lange, bis die New York Times darauf aufmerksam wurde, gefolgt von anderen ausländischen Medien. Die westlichen Journalisten schrieben jedoch alle, bei dem Phänomen handele es sich um einen kritischen Fingerzeig auf die chinesische Zensur. Das „Caonima“ und andere Wesen sind aber in erster Linie typisch chinesische Witze, die auf Wortspielen gründen. Mit politischem Aktivismus hat das nicht zwingend etwas zu tun.

jetzt.de: Warum nicht? Alice: Sich im Internet als politisch zu gerieren ist unter chinesischen Jugendlichen gerade „trendy“. Die meisten davon rebellieren nur in der virtuellen Welt. jetzt.de: Aber sie rebellieren doch unter der Gefahr, mit hohen Strafen rechnen zu müssen. Alice: Das ist ja das Verrückte. Manche der Jugendlichen, die im Netz rebellieren, trinken sogar Tee mit Leuten von der Guobao (chinesische Staatssicherheit, Anm. d. Red.). Die Blogs dieser Jugendlichen werden lediglich gesperrt, das ist alles. Diese Jugendlichen sind nicht organisiert und nehmen an keinen Aktionen teil, die die Macht der KP in Frage stellen könnten. Offline stellen sie für die Partei keine Gefahr da. Dissidenten, die tatsächlich politische Verfolgung zu befürchten haben, machen ihre Präsenz nicht sofort offenkundig. Die halten sich im Internet verständlicherweise bedeckt. jetzt.de: Die chinesische Regierung wirft ausländischen Medien regelmäßig vor, voreingenommen über politische Ereignisse in China zu berichten. Sehen junge Chinesen das auch so? Alice: Es gibt einen riesigen Unterschied zwischen der Berichterstattung im Westen und ihren eigenen Ansichten. Im aktuellen Beispiel von Xinjiang verstehen zum Beispiel die Chinesen nicht, wieso man im Ausland zuerst die Uiguren als Opfer dargestellt hat, obwohl so viele Han-Chinesen in den Unruhen gestorben sind. Auch liberal eingestellte Chinesen werden wirklich wütend, wenn ständig von außen mit dem Finger auf die fehlende Demokratie gezeigt wird. Dass China Zeit zur Entwicklung braucht, ist Konsens im Bewusstsein von fortschrittlich denkenden Chinesen. Wenn man junge Chinesen fragt, sagen außerdem die meisten, dass es Veränderungen nur mit der Partei geben kann, nicht ohne. Ob am Ende China ein demokratischer Staat wird, muss man abwarten.

Text: xifan-yang - Fotos: ap, privat

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