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„Wir haben noch alle groß gekriegt“
Früher spielten hier Eric Clapton und Udo Lindenberg, heute stehen vor der Tür noch immer Jugendliche Schlange: Das „Crash“ ist einer der ältesten Clubs der Stadt. Karin Schmunkamp, 59, war von Anfang an dabei. Die Geschäftsführerin sitzt bis heute jede Nacht an der Kasse. Ein Gespräch über’s Älterwerden im Nachtleben. jetzt.muenchen: Karin, wann warst du zum ersten Mal im Crash? Karin Schmunkamp: Das war 1968, im Eröffnungsjahr. Ich habe in der Nähe gewohnt, damals hatte ja noch nicht jeder mit 18 ein Auto. Im Crash lief Rockmusik, die hat mir gut gefallen. Irgendwann haben wir dann jedesmal beim Weggehen gesagt: „Gehen wir noch ins Crash, da ist es am schönsten.“ Und dann hast du angefangen, dort zu arbeiten. Karin Schmunkamp: Genau, zuerst als Aushilfe an der Bar. Zehn Jahre später haben mein Mann und ich den Laden dann übernommen. Mein Mann war davor schon Geschäftsführer, wir wussten also, was wir da tun. Was sind denn Nachteile, wenn man einen Club betreibt? Karin Schmunkamp: Wir konnten zum Beispiel nie zusammen in den Urlaub fahren. Und klar: Das soziale Leben spielt sich meist abends am Wochenende ab. Wenn du da immer arbeitest, ist der Freundeskreis schon eingeschränkt. Die meisten Clubs werden mit ihren Gästen älter und schließen irgendwann. Das Crash hat den Generationenwechsel ohne Änderung des Konzepts überstanden. Was ist das Geheimnis? Karin Schmunkamp: Vielleicht, dass bei uns alles sehr familiär ist. Dass wir uns um die Leute kümmern. Als in den Neunzigern die ganzen Hallendiscos aufmachten, konnte man damit natürlich schneller Geld machen. Aber die Leute spüren doch, wenn man sie verarscht. Du musst deine Gäste einfach mögen. Und wenn du sie magst, kommt auch was zurück. So ist das, denke ich.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Es gibt viele Gerüchte über das Crash. Stimmt es, dass einmal Cowboys ins Crash geritten sind?
Karin Schmunkamp: Ja, Anfang der 80er war das. Unser neuer Discjockey war Country-Fan, und da haben wir gesagt: Zum Einstand bekommt jeder 100 Mark und Getränke umsonst, der mit dem eigenem Pferd kommt. Wir haben ja nicht damit gerechnet, dass das jemand ernst nimmt. Und dann haben wir auf dem Weg ins Geschäft schon am Harras fünf reiten gesehen. Am Ende waren 13 Pferde vor dem Crash angebunden.
Heute steht jedes Wochenende eine Riesenschlange 20-Jähriger vor eurer Tür.
Karin Schmunkamp: Gott sei Dank, Nachwuchs braucht man immer. Das geht ja schon lange so: Erst kommt ein Schwung Junger, die dann bei uns älter werden. Irgendwann sind die dann weg, und irgendwann kommen sie wieder. Oder eben ihre Kinder.
Kennst du deine Gäste immer noch persönlich?
Karin Schmunkamp: Klar. Wenn's nette Leute sind, unterhalte ich mich doch auch gerne mit denen. Den Namen kenne ich vielleicht von jedem Dritten.
Stimmt es denn, dass die Jugendlichen heute mehr trinken als früher?
Karin Schmunkamp: Ach, wie die oft verteufelt werden! Wir waren doch nicht anders. Vielleicht haben wir damals nicht so viel Geld gehabt – aber wenn wir was erwischt haben, haben wir’s auch reingeschüttet.
Trinkt man heute vielleicht anders?
Karin Schmunkamp: Logisch. Was wir früher nicht gemacht haben, ist diese Vorglüherei. Wir sind nüchtern weggegangen. Und der erste Drink war eher ein Bier oder ein Glas Wein und nicht gleich ein Schnaps. Heute ist Wodka Bull und Jackie Cola am beliebtesten.
Gab es in den 40 Jahren auch Krisen?
Karin Schmunkamp: Ja, als wir 1993 aus der Lindwurmstraße nach Schwabing umgezogen sind, ist ein Teil vom Stamm nicht mehr gekommen. Das waren harte Jahre, durch die wir uns kämpfen mussten. Aber das war auch zu erwarten, ein Club ist ja immer ein Auf und Nieder.
Wie habt ihr die Gäste zurückgewonnen?
Karin Schmunkamp: Ich denke, das lag auch daran, dass wir die Preise gesenkt haben. Da konnten sich die Leute das Crash wieder leisten.
Bis ein Uhr kostet bei euch jedes Getränk 1,50 Euro. Kommen die Jugendlichen vielleicht vor allem wegen der Preise?
Karin Schmunkamp: Nein, auf jeden Fall nicht nur. Ich glaube, es ist in, wieder in’s Crash zu gehen. Das mag auch mit der Musik zu tun haben, weil zur Zeit doch wieder mehr Rock angesagt ist. Wir waren ja immer eine Rock-Discothek.
Ist das Nachtleben eigentlich ein guter Beruf zum Älterwerden?
Karin Schmunkamp: Ja, weil du ständig unter jungen Leuten bist. Da bist du viel näher am Leben, als wenn du jeden Tag im Büro sitzt und abends in Hausschuhen vor dem Fernseher. Für Frühaufsteher ist das natürlich nichts. Ich komme nach der Arbeit erst um halb sechs Uhr morgens nach Hause. Und gute Nerven brauchst du auch. Aber das Fell wächst ja im Laufe der Jahre.
Regst du dich überhaupt noch auf?
Karin Schmunkamp: Wenn jemand unverschämt ist, dann schon. Wenn da zum Beispiel einer steht und handeln will, obwohl ich dreimal „Nein“ gesagt habe. Und der dann einen Spruch ablässt wie: „Bleib’ cool, Baby.“
So frech sind die Jugendlichen?
Karin Schmunkamp: Nein, das sind fast immer die älteren Gäste. Die Jungen kann man noch eher erziehen. Die haben wir noch alle groß gekriegt.
Text: jan-stremmel - Foto: Juri Gottschall