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Wenn das Netz nicht spendabel ist
Amanda Palmer und „Häppies“, die herzhaften Germknödel, haben eines gemeinsam: Sie kamen an. Pitches, mit denen Album und Tour der US-Musikerin sowie ein Germknödelladen in Berlin finanziert werden sollten, fanden auf Crowdfunding-Plattformen in letzter Zeit genügend Unterstützer, um erfolgreich zu sein. Geschichten wie diese gibt es einige, es wird viel über sie berichtet. Gern wird das neuartige Crowdfunding im Netz dabei enthusiastisch als Allheilmittel gegen leere Kassen oder die Beschränkungen des Urheberrechts gefeiert. Kein Wunder: Die Vorstellung, dass es nicht mehr braucht als eine zündende Idee, eine pointierte Selbstdarstellung und ein paar originelle Versprechungen, um den Geldstrom zwischen Kreativem und Unterstützern auf der ganzen Welt zum Fließen zu bringen, hat etwas. Allerdings ist sie nur ein Teil der Wahrheit.
Abseits der Erfolgsgeschichten scheitern nämlich viele Pitches am selbst gesteckten Finanzierungsziel. Nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip, das den meisten Crowdfunding-Plattformen zu Grunde liegt, gehen sie damit komplett leer aus, wenn die angestrebte Summe nicht erreicht wird. Wie viele der vorgestellten Projekte auf diese Weise im Sand verlaufen, ist schwer zu sagen, weil es von Plattform zu Plattform variiert. Die 54 Prozent beziehungsweise 44 Prozent Erfolgsquote, die auf der größten deutschen Plattform Startnext und dem Marktführer Kickstarter laut Eigenaussage verbucht werden können, dürften allerdings schon recht zuversichtlich ausgelegt sein. Auffallend ist, dass dabei neben Unausgegorenem auffallend viele Pitches ins Leere laufen, hinter denen spannende Projekte stehen. Ob es daran liegt, dass kein prominenter Name mit ihnen verbunden ist? Oder gehört auch einfach Glück dazu? Marcus Kirzynowski zumindest hat die Erfahrung gemacht. „Torrent“, das Magazin, das der Medienjournalist mittlerweile herausgibt, beschäftigt sich mit komplexen Fernsehserien und wurde dafür bereits viel gelobt. Als er die Druckkosten der Erstausgabe über die Crowdfunding-Plattform Pling absichern wollte, war von dem Zuspruch allerdings wenig zu spüren. Nur sieben Unterstützer interessierten sich für die ausgelobten Goodies wie Abos oder die Möglichkeit, im Heft über die eigene Lieblingsserie zu schreiben – zu wenig für die anvisierten 3 000 Euro.
Kirzynowski glaubt: Um im Netz erfolgreich zu pitchen, muss man eigene Unterstützer mitbringen. Damals fehlten ihm die noch. Zwar hatte er als Vorläufer zum Printmagazin eine Website eingerichtet und auf seinen Geldsammelaktion aufmerksam gemacht, allerdings ohne große Reichweite. Auch eine entsprechende Facebook-Seite gab es erst seit Kurzem. Kirzynowski hoffte auf die Community, die er auf der Funding-Seite vermutete. „Aber wahrscheinlich gibt es gar nicht so viele Leute, die dort angemeldet sind und rumsurfen, um interessante Projekte anzugucken.“ Die meisten meldeten sich wohl an, um ein bestimmtes Vorhaben zu unterstützen. Danach seien sie Karteileichen.
Hinzu kam, dass es, sobald der Pitch online stand, gar nicht so leicht war, Kontakt zu potenziellen Unterstützern zu halten. „Ich dachte, man kann auf der Seite Updates posten oder Artikel vermelden, die man für die erste Ausgabe plant, sodass die Leute merken, dass man an dem Projekt arbeitet. Aber das ging dann nicht.“ Anders als bei anderen Plattformen gibt es auf Pling nicht die Möglichkeit, einen eigenen Blog zu führen – man kann sich nur an einem allgemeinen Projektblog beteiligen oder das allgemeine Kommentarfeld zum Projekt nutzen.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Helga Bahmer wollte über Crowdfunding einen Dokumentarfilm finanzieren.
Auch Christoph Kaling scheiterte mit seinem Pitch am „Alles-oder-Nichts“-Prinzip. Der Kulturwissenschaftsstudent hatte sich auf der Plattform VisionBakery angemeldet, um Geld für das Hildesheimer Folk’n’Fusion Festival zu sammeln, das er mitorganisiert. Die Fördergelder, mit denen das Weltmusik-Festival finanziert wird, waren dieses Jahr niedriger ausgefallen als angenommen. „Wir mussten die Musikergagen drücken“, sagt Kaling. Weil das den Organisatoren unfair vorkam, sollte Crowdfunding Abhilfe schaffen.
Wie wichtig das Pitch-Video dabei ist, hatten die Organisatoren allerdings nicht bedacht. „Einen Tag lang haben wir ein paar Videos gedreht, in denen wir etwas über das Festival erzählt haben.“ Das lockere Sprechen vor der Kamera wollte aber nicht so recht klappen. Als Notlösung wurden stattdessen die Aufnahmen mit Livematerial vom letzten Festival zusammengeschnitten. Der größte Fauxpas ging der Gruppe erst später auf: Im Video kommt der potenzielle Unterstützer gar nicht vor. „Es gibt keinen einzigen Kontakt zu dem, der spenden soll. Wir sprechen nicht direkt in die Kamera und wir sprechen nicht darüber, warum man ausgerechnet uns fördern soll.“
Dass sich nur wenige angesprochen fühlten, hat vielleicht auch damit zu tun, dass die meisten in diesem Zusammenhang angebotenen Goodies – etwa Lunchpakete oder Festivaltickets – nur eingelöst werden konnten, wenn man das Festival tatsächlich besuchte. Zudem ist die Gruppe mit der wohl größten Spendenbereitschaft – die der regelmäßigen Festivalbesucher – sehr gemischt. Neben den Hildesheimer Studenten kommen Menschen aus allen Altersschichten, von denen viele nicht besonders internetaffin sind. „Wir wurden oft gefragt, wie der Geldtransfer auf der Seite funktioniert. Man muss sich registrieren und das können oder wollen viele nicht.“ Vor allem die PayPal-Pflicht schreckte ab. Die Organisatoren wiederum fremdelten mit Social Media. Ergebnis: Kaum Spendenbereitschaft.
Das Internet war nicht Helga Bahmers Problem: Es brachte sie sogar zu ihrem Projekt. Sie googelte nach einem Kinderteppich und stieß dabei auf Teppiche aus Afghanistan, in die Bilder von großkalibrigen Waffen und Panzern geknüpft waren. Was die Hamburger Filmemacherin bei ersten Recherchen herausfand, schien spannender Stoff für einen Dokumentarfilm. Also machte sie sich an die Finanzierung der Recherchereise. Statt der schwerfälligen Filmförderung probierte sie es diesmal bei Nordstarter, einer Crowdfunding-Plattform, die speziell Hamburger Projekte anschieben soll und dabei mit Startnext kooperiert: Projekte, die bei Nordstarter eingestellt werden, kann man auch über die Startnext-Seite unterstützen.
Groß geplant hatte Bahmer ihren Pitch nicht. Zwar trommelte sie eifrig, um von außen Aufmerksamkeit für ihr Projekt zu schaffen, schrieb zum Beispiel afghanische Vereine an. Das Video zum Pitch stellte sie allerdings erst nachträglich ein und auf einen eigenen Projektblog verzichtete sie. Auch zog sie in der Finanzierungsphase um, oft fehlte ihr schlicht die Zeit zum Kümmern. „Eigentlich muss man jeden Tag dran sein und Marketing machen“, denkt Bahmer heute. Dass Bahmers Projekt scheiterte, hat für sie aber auch andere Gründe: „Ich glaube, für das Crowdfunding ist es sehr wichtig, dass man eine Persönlichkeit mitbringt, die gerne nach außen tritt und gerne die ganze Zeit kommuniziert. Mir ist aber schnell einmal etwas unangenehm.“ Bahmer wäre es lieber, jemand anderes hätte sich um das Marketing gekümmert. Ihr nächstes Crowdfunding-Projekt will sie zu zweit angehen.
Tatsächlich sind abseits der großen Starnamen ja oft diejenigen erfolgreich, die charismatisch in die Kamera strahlen und wissen, wie man die emotionale Ansprache in packenden Updates hinbekommt. Aber kann man das immer erwarten? Und muss man, um im Crowdfunding erfolgreich zu sein, tausende Facebook-Freunde und professionelles Kameraequipment mitbringen? Vermutlich nicht. Eine gute Idee allein reicht allerdings auch nicht. Genauso wichtig ist es, seine Zielgruppe genau zu kennen, die richtige Plattform zu finden und sich im Voraus eine Unterstützerbasis aufzubauen.
Text: therese-meitinger - Foto: screenshot