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Vier Mal täglich - Warum öfter Mailen schadet

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SZ: Professor Sharda, wie oft rufen Sie Ihre E-Mails ab? Sharda: Ungefähr sechs Mal am Tag. Früher habe ich aber viel häufiger reingeschaut. Sie halten sich also selbst nicht an Ihre Empfehlung, wonach man nur vier Mal am Tag E-Mails abrufen sollte? Ach nein. Ich habe versucht, die Häufigkeit zu reduzieren, aber die Gewohnheit ist einfach stärker. Könnten Sie kurz die Ergebnisse Ihrer Studie zusammenfassen? Mein Forscherteam und ich gingen davon aus, dass der Erhalt einer E-Mail eine Unterbrechung des Arbeitsablaufes ist. Wie ein Telefonanruf oder wenn jemand ungefragt ins Zimmer kommt – allerdings kann man E-Mails besser kontrollieren. Man hat selbst in der Hand, wie oft und wann man sich von ihnen stören lässt. Unsere Simulation zielte darauf ab, diese Unterbrechungen im Verhältnis zur Zeit, die man zur Beantwortung einer Mail braucht, zu optimieren. Was ist dabei herausgekommen? Unsere Untersuchung hat ergeben, dass es am besten ist, E-Mails vier Mal am Tag abzurufen – egal, in welchem Arbeitsumfeld man sich befindet. Haben Sie die Modellrechnungen denn bereits in der Wirklichkeit überprüft? Die Studie wird noch von wissenschaftlichen Fachzeitschriften überprüft. Wir wollen deren Ergebnisse erst abwarten, bevor wir beginnen, unsere Ergebnisse von Probanden in der Praxis überprüfen zu lassen. Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich Ihnen allerdings sagen: Gewohnheiten sterben zuletzt. Es ist schon eine kleine Herausforderung, Menschen davon zu überzeugen, dass es ausreicht, E-Mails nur vier Mal am Tag abzurufen. Sie sagten, Ihre Ergebnisse gelten in jedem Arbeitsumfeld. Auch für Studenten, die ja oft einen anderen Tagesablauf haben als zum Beispiel ein Buchhalter? Die meisten Ergebnisse sind übertragbar. Ich beobachte, dass E-Mails nicht mehr die einzige Kommunikationsform an der Uni sind. Daneben etablieren sich SMS und Instant Messaging Systeme. Die von diesen Programmen hervorgerufenen Unterbrechungen sind ja sogar gewollt. Auch dieses Problem werden wir untersuchen, allerdings sind wir noch in der Anfangsphase der Untersuchungen. Sollten Studenten also bestimmte Zeiten festlegen, zu denen sie Mails abrufen, um die Informationsflut überhaupt bewältigen zu können? Natürlich. Stellen Sie sich vor, Sie lernen für eine wichtige Prüfung und plötzlich kommt eine E-Mail auf ihrem Laptop an. Was machen Sie? Sie wenden sich der Mail zu, während Sie das Lernen vernachlässigen. Aber vielleicht ist die E-Mail wichtig für das Lernen. Haben Sie die Art der Mails auch mit in Ihre Studie einbezogen? Textlänge, Dringlichkeit, Absender? Das haben wir natürlich gemacht. Was aber viel wichtiger ist: Viele E-Mails haben rein informativen Charakter. Die muss man nur lesen, aber nicht beantworten. Andererseits gibt es Mails von bestimmten Personen, auf die man ausführlicher antworten will. Schließlich kommt hinzu, dass der Empfang zu bestimmten Tageszeiten stark zunimmt, was wiederum zu einem Überschuss an Informationen führt: Zu Beginn des Tages, kurz vor der Mittagspause und am Ende des Tages kommen die meisten E-Mails an. Die Verteilung der E-Mails über den Tag spiegelt also unser Arbeitsverhalten wieder. Haben Sie auch schon mal Telefonanrufe als Störung untersucht? Durch Mailboxen kann man das Telefon in bestimmten Fällen wie die E-Mail behandeln. Ursprünglich war das allerdings nicht so: Das Telefon ist ein synchrones Medium, während E-Mail ein asynchrones Medium ist. Können Sie das erklären? E-Mails kann ich dann beantworten, wenn ich Zeit habe. Telefonate, von Ausnahmen abgesehen, müssen sofort erledigt werden. Allerdings habe ich beobachtet, dass auch die E-Mail zunehmend als synchrones Medium genutzt wird und damit zur Informationsflut beiträgt. Ärgern sich Leute über Sie, weil Sie nicht gleich auf Mails antworten? Nein, noch nicht, aber das könnte passieren. Ich glaube, man sollte eher die Erwartungen neu justieren. Viele Menschen antworten nur deswegen sofort, weil sie zeigen wollen, dass sie an ihrem Arbeitsplatz sitzen. Dabei ist eine sofortige Antwort überhaupt nicht notwendig! Die sofortige Beantwortung von E-Mails ist also oft Schleimerei? So könnte man es auch ausdrücken, ja.

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