Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Vier Geschichten aus vier Wochen Streik

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

1. Tokio Jede Protestbewegung braucht Gesichter. In München gibt es zwei: den Studentensprecher Malte Pennekamp und Tokio. Tokio kannten eine Zeit lang wirklich alle, denn Tokio sorgte dafür, dass die ganzen Bierflaschen wieder in ihre Bierkästen kamen. Jeden Abend kletterte er die Bänke des Audimax entlang und sammelte Leergut ein. Er trug entweder ein Antifa-T-Shirt oder eines der Band Tokio Hotel. Niemand wusste, wie er richtig hieß, und irgendwann musste er nach Hamburg und wurde nie mehr gesehen. Nur noch ein Banner im Audimax erinnert an ihn, darauf steht: Liebesgrüße aus Hamburg – Euer Tokio. 2. VoKü Der Ort, an dem immer laut Punkmusik lief. Die Volksküche war natürlich vegan, meisten gab es also interessant gewürzte Kartoffel-, Reis- und Nudeleintöpfe – oder eben auch: Sushi für alle (ohne Fisch). Nur eines Abends liefen Studenten mit Hähnchenschenkeln, Hummerpaste und Lachshäppchen durch die Gegend. Das Hilton hatte Reste eine Großbuffets gesponsert. Warum? Wusste keiner. Der einfachste Weg, die Besetzung zu beenden, wäre wahrscheinlich gewesen, ein paar Tropfen Schweinegrippe-Erreger irgendwo reinzukippen. Hygienisch alles leicht fragwürdig, aber jeden Abend Schlangen, als gäbe es etwas umsonst. Gab es ja auch.

Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

3. Audimarxismus Rede, Gegenrede, Verfahrensvorschlag, Gewedel. Rund acht Stunden Plenum waren es jeden Tag, das macht nach 25 Tagen Besetzung rund 200 Stunden. Wenn man von durchschnittlich 200 Besetzern pro Plenum ausgeht, wurden dort also 4 000 Stunden Arbeitszeit verbraten. Unvergessen das Plenum am Donnerstag vergangener Woche: Seit zwei Tagen galt es zu beschließen, wie auf ein Kompromissangebot des LMU-Präsidenten Huber reagiert werden soll. Sieben Stunden fürchterlicher Streit, Menschen verließen unter Tränen türenschlagend das Audimax, der Redeleitung wurde ständig das Misstrauen ausgesprochen, bei Abstimmungen wurde laut Streikbrecher, Spalter und ähnliches gebrüllt. Nach Plenumsende war kurz alles möglich: Massenschlägerei, Vandalismus, Spaltung des Protests. Am nächsten Morgen ist alles für die Katz, man hatte schlicht vergessen zu überlegen, was passieren soll, wenn Huber den Gegenvorschlag des Plenums gar nicht annimmt. Was dann prompt geschah. 4. Revolutionbabys Selbst Harald Schmidt bemerkte kritisch: Was für eine Revolution soll das denn sein, wenn Menschen Nacht für Nacht brav nebeneinander in ihren Schlafsäcken liegen? Also wirklich nichts mit freier Liebe? Wahr ist: Es wurden BHs verbrannt, noch vor der Kunstakademie, Mädchen sollen mit nackten Brüsten herumgetanzt sein und die Jungs spielten dazu Bob Dylan auf ihren Gitarren. Und es gab die AG Beischlafzentrale, jede Nacht nach dem Plenum in B101. Was da passiert ist? Genaues ist nicht bekannt, was nur heißen kann: Entweder geschah dort nichts, oder es waren derartige Orgien, dass die Teilnehmer lieber schweigen – bis heute.

Text: adrian-renner - Foto: ddp

  • teilen
  • schließen