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Ungereimtes auf Papier

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Als das erste Mal die selbstkomponierten Beats abgespielt werden sollen, streikt die Technik. Das macht aber nichts, denn die beiden Künstler des Abends haben hilfsbereite Freunde, die den Getränkeverkauf kurzerhand von der improvisierten Theke in den Veranstaltungsraum verlegen und damit die Zeit überbrücken. Und als dann endlich wieder alles klappt und die Musik verklungen ist, tragen die jungen Dichter im Wechsel ihre Werke vor. Tobias Heitzer (22) und David Vajda (20) geben hier, im Kellerraum einer Münchner Synchronisationsfirma, die Debüt-Lesung ihres Poesielabels Perplex. Noch sind sie nur zu zweit, doch sie wollen, dass Perplex zu einer Plattform für junge Poeten heranwächst. „Wir wünschen uns, dass sich Leute bei uns melden, mit denen wir an Poesieprojekten arbeiten können“, erläutert Tobias den Plan. „Wir möchten Lesungen organisieren und eventuell eine Zeitschrift herausbringen, die sich auf Lyrik konzentriert.“ Denn die Lyrik, sagen sie, sei heutzutage fast in Vergessenheit geraten, vorbei die Zeiten in denen es regelmäßige Publikationen mit Gedichte gab. „Heute spielt sich das alles im Internet ab – das wollen wir nicht, wir wollen etwas Gedrucktes, etwas, das man in der Hand halten kann“, sagt David. Zurückkehren zu althergebrachten Modellen, das ist ihr Ziel – sie seien eben „nostalgisch“. Auch ihre Vortragsabende wollen sie klassisch gestalten, anders als Lesebühnen und Poetry Slams, die sich bewusst von der sogenannten Wasserglaslesung distanzieren. „Auf Poetry Slams geht es um die Performance und darum, die Leute zu unterhalten, es ähnelt oft dem Kabarett. Bei uns stehen Sprache und Gefühl im Vordergrund“, erklärt David. Tobias studiert Neuere Deutsche Literatur, Psychologie und Italienisch an der LMU, David wird in Kürze ein Französisch- und Philosophie-Studium in London beginnen. Doch dem jungen Label und München will er trotzdem treu bleiben, denn er glaubt, dass es gerade hier an neuen Ideen im Literaturbereich fehlt. Tobias sieht das genauso: „In Berlin gibt es schon viele ausgefallene Poesieprojekte, da kann man sich zum Beispiel in einem Café für sieben Euro Kaffee, Kuchen und ein vorgelesenes Gedicht bestellen. So was ist hier viel schwieriger – aber ich habe den Glauben an München noch nicht verloren.“ Während der Lesung sitzen die beiden in grünem Licht an einem Tisch. Ohne Mikrofon lesen sie ihre Gedichte den etwa 50 Zuschauern vor. Es sind ungereimte Gedichte und es geht oft um Sex oder Liebe oder die Atmosphäre einer bestimmten Stadt – Themen, die man von jungen Dichtern erwartet. Es steckt sehr viel Emotion, sehr viel Künstlertum in dem, was sie tun, sogar das abwechselnde Ein- und Ausschalten ihrer beiden Leselampen wirkt leidenschaftlich. Von dem verpönten Prinzip der Performance können sie sich daher aber auch nicht ganz freisprechen. Aber das, was sie machen, machen sie gut, weil sie sich nicht völlig in kryptischen Formulierungen verlieren, weil man versteht, was sie sagen wollen, und weil es hin und wieder eine angenehme, leise Pointe gibt. Nach der Lesung bleiben Dichter und Gäste zur Party. Es gibt Absinth und gute Musik. „Wir wollen die Poesie ja schließlich feiern“, sagt David. Dazu haben sie auch Grund, denn mit ihrem Debüt sind die beiden zufrieden und hoffen nun auf Zulauf für ihr Label.

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