jetzt.de: In deinen Büchern wird nie ganz klar, ob du Fiktion oder Erfahrungsberichte schreibst. In „Dich lieben“ verwendest du zum Beispiel deinen eigenen Namen und den deines Freundes. Es steht aber Roman auf dem Cover. Was denn nun?
Melissa: Ich habe meine Bücher immer als Romane bezeichnet und nicht als Memoiren. Natürlich enthalten sie alle autobiografische Elemente, vor allem das letzte. Aber ich glaube, dass sich Erinnerungen immer verändern, wenn man sie neu zusammen setzt. Man fügt neue Dinge hinzu und nimmt manche Sachen auch weg. Deswegen würde ich mein Buch eher als eine Art alternative Autobiografie bezeichnen. Es ist der Entwurf eines Lebens, das ich auch hätte führen können, wenn ich bestimmte Entscheidungen anders getroffen hätte.
jetzt.de: In „Dich lieben“ gibt es eine Szene, in der dir ein Liebhaber vorwirft, du hättest dich seit deinem Buch vollkommen verändert – zum Schlechten. Hat dich der Erfolg verdorben?
Melissa: Nein, der hat keinen Einfluss auf meine Persönlichkeit gehabt, glaube ich. Natürlich habe ich mich in den letzten Jahren verändert. Ich bin eben auch erwachsener geworden, das hat aber nichts damit zu tun, wie viele Bücher ich verkauft habe. Der Typ in dem Buch sagt das nur, um mich schlecht zu machen. Er merkt eben, dass ich mich von ihm entferne und will verhindern, dass ich nach meinen eigenen Vorstellungen lebe.
jetzt.de: Wie war das mit Beziehungen zu Freunden und deinen Eltern: Hat sich da etwas verändert, als du mehrere Millionen Bücher verkauft hast?
Melissa: Ehrlich gesagt hatte ich in meiner Heimatstadt Catania kaum Freunde, also konnte sich da auch nicht viel ändern. Und die Beziehung zu meiner Familie hat sich eher verbessert: Gerade weil ich durch das Buch die Möglichkeit hatte, nach Rom zu ziehen und damit einen Abstand zwischen uns zu bringen.
jetzt.de: Im Buch beschreibst du ziemlich angewidert eine Gruppe von Journalisten und Filmleuten, die dich mit ihrer Aufmerksamkeit nerven. Ist es denn so furchtbar, erfolgreich und damit für andere interessant zu sein?
Melissa: Naja, man trifft immer wieder Leute, die man nicht mag. Das passiert aber jedem, unabhängig von den Kreisen, in denen man sich bewegt. Jede Welt, in der du leben kannst, hat auch ihre hässlichen Leute. Das ganze Drumherum um mein Buch spielt für mich keine Rolle. Ich sehe Erfolg nicht als mein Ziel, sondern als etwas, das mir einfach passiert ist. Das ist jetzt gerade ein Kapitel meines Lebens. Mir ist aber auch klar, dass es möglicherweise wieder zu Ende geht.
jetzt.de: Du wurdest für deinen ersten Roman ziemlich hart kritisiert. Das Buch bediene in erster Linie pornographische Phantasien älterer Männer, du hättest es als 16-Jährige gar nicht selbst schreiben können. Diese Kritik ging ja auch gegen deine Person – war das nicht schmerzhaft?
Melissa: Nicht wirklich. Der Pornographie-Vorwurf hat mich nicht gestört. Henry Miller musste sich das ja auch anhören. Ich denke nicht, dass Pornographie an sich gut oder schlecht ist, schließlich gibt es auch künstlerisch wertvolle pornographische Literatur. Mir haben diese Vorwürfe eher gezeigt, dass viele Erwachsene eine sehr niedrige Meinung von jungen Leuten haben. Mir zu sagen, ich hätte mein eigenes Buch nicht selbst geschrieben, ist wie einer Mutter zu sagen, sie hätte ihr Kind nicht selbst geboren – so etwas ist unheimlich frustrierend.
jetzt.de: Für dein Privatleben interessieren sich mittlerweile ziemlich viele Leute. Es ist alles mögliche über dein Sexleben oder deine Familienverhältnisse berichtet worden. Hast du dir jemals gedacht, dass du für deine Bücher die Leute zu nah an dich heran gelassen hast?
Melissa: Nein, weil ich das nie getan habe. Ich achte sehr genau darauf, wie viel ich meinen Lesern und der Öffentlichkeit preisgebe. Klar muss ich ihnen etwas von meinem Leben zeigen. Doch das ist nur ein sehr oberflächlicher Teil. Ich gebe ihn letztlich auf, um mich zu schützen.
jetzt.de: Was meinst du?
Melissa: Wenn ich mich vollkommen verschließe, fängt die Presse erst recht an, in meiner Privatsphäre herum zu wühlen. Dann kämen Dinge heraus, die ich lieber für mich behalte. Besser gebe ich gebe ihnen ein kleines Stückchen von meinem Leben und sie denken, sie bekommen alles – was aber nicht der Fall ist. So sind alle glücklich. Ich, weil ich in Ruhe gelassen werde und die anderen, weil sie denken, sie wüssten über mich Bescheid. Natürlich muss ich mich auch abschotten, ich bekomme immer wieder Interviewanfragen für meine Mutter. In so einem Fall muss man auch einfach nein sagen, sonst verliert man etwas.
Foto: Gabriele Rigon