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Speed-Dating: Ein Gespräch übers Flirten in der Hauptstadt der Singles

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jetzt.muenchen: Ist der Lenbachhaus-Garten ein guter Flirt-Ort? Anna: Er ist jedenfalls romantisch. Ich verbinde mit dem Garten ein München, das etwas zurückgezogen und unaufgeregt ist, aber schön. Davon gibt es nicht viele Orte. München ist schnell sehr hip. Sebastian: Ich bin zum ersten Mal hier, aber ich fühle mich gerade wie im Urlaub, weil der Garten so südländisch wirkt mit der abblätternden Farbe und der etwas überwachsenen Fassade. Urlaubsgefühl und Romantik sind ja gute Flirt-Voraussetzungen. Beim Speed-Dating sitzen sich Mann und Frau aber in einem kahlen Raum gegenüber und die Uhr tickt. Anna: Das ist total auf das Wesentliche reduziert: in einer kurzen Zeit eine möglichst große Auswahl haben. Alle Unsicherheitsfaktoren, etwa ob der andere überhaupt will, fallen weg. Das spart Zeit. Sebastian: Ich weiß auch nicht, ob die Leute dort die große Liebe suchen. Ich fürchte, viele gehen hin, weil sie jemanden suchen, mit dem sie kuscheln können. Oder weil sie Sex wollen. Wo fängt bei euch denn flirten an? Sebastian: Meistens entstehen Flirts doch, wenn man sich schon etwas kennt. Man beäugt sich am Arbeitsplatz oder im Sportclub und freut sich, wenn der andere auch da ist. Bei einem Speed-Dating geht das nicht, weil man sich dem anderen gegenüber nicht so aufladen kann. Das braucht Zeit. Andererseits hatte ich beim Drehen schon den Eindruck, dass eine alberne Stimmung herrschte und wir charmant miteinander umgingen. Das ist für mich auch Flirten.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Anna und Sebastian: Geht da was? Anna: Aber wir haben das doch nur gespielt, deshalb kann ich das nicht vergleichen. Beim Speed-Dating hat man für 15 Leute nur eine Stunde Zeit - ich weiß nicht, ob man da charmant bleiben kann. Ich stelle mir das anstrengend vor. Kommt es vor, dass ihr zwischen der Figur und der tatsächlichen Person nicht mehr trennen könnt? Sebastian: Man fragt sich beim Spielen immer, wo sich diese beiden Menschen treffen könnten, die sich da gerade gegenübersitzen. Da bin ich als Mensch gefragt, nicht als Schauspieler und da sind die Grenzen durchaus fließend. Anna: Wenn ich jemanden privat kennen lerne, steht meine Lust an dieser Person im Vordergrund. Beim Spielen steht aber meine Lust am Spielen mit dieser Person im Vordergrund. Sebastian: Ich finde schon, dass man sich als Schauspieler in seinen Rollen verlieren kann, weil du dich einen Monat lang in einer Welt bewegst und immer aus dieser Figur heraus agierst. Anna: Das stimmt. Vielleicht betone ich deshalb so sehr, dass das Spiel einen anderen Rahmen hat, um mein Spiel auch vor Privatem zu schützen. Manchmal kann man super miteinander spielen, dann lernt man sich privat besser kennen und denkt sich: "Oh no! Musste ich das jetzt erfahren!" Der private Eindruck kann so groß werden, dass er das Spiel irritiert. Wenn im Spiel gerade etwas zu flirren beginnt und danach hört man den Kollegen zu seiner Freundin etwas Dummes sagen . . . Sebastian: . . . oder du siehst sie knutschen und denkst: "Du dumme Sau, was machst denn du da?" Das kommt vor, aber man muss sofort über sich grinsen. Aber manchmal muss man sich beim Einschlafen neben seiner Freundin schon disziplinieren, weil einen die Beziehung, die man untereinander beim Spielen entwickelt nicht los lässt. Entstehen da nicht Konflikte? Sebastian: Wenn man damit offen umgeht und die Beziehung stabil ist, ist das kein Problem. Ich war einmal in kurzer Zeit bei drei Stücken in Liebesbeziehungen verwickelt und innerhalb kürzester Zeit dreimal verknallt. Da spürt man, wie austauschbar diese Beziehungen sind, die beim Spielen entstehen. Es ist eben nicht derjenige gemeint. Im Film oder im Theater werden oft Extremsituationen beschrieben. Ist das nicht gemein, weil man im Beziehungsalltag diese Ausnahmesituationen fast nie erlebt? Anna: Mit meinem letzten Freund hatte ich wahrscheinlich den langweiligsten Alltag, den man sich vorstellen kann, aber es war genau das, was ich wollte. Vielleicht ist das kitschig, aber für mich lag genau darin ein großes Vertrauen. Dass man nichts für den anderen inszenieren muss. Passiert euch das trotzdem manchmal, dass ihr in einer Beziehung Gefühle inszeniert? Anna: Du würdest sofort merken, was wahr ist und was nicht. Außerdem gibt es das auch bei Nichtschauspielern. Hast du schon mal jemand was vorgespielt, Sebastian?


Sebastian: Vielleicht kurz vor einer Trennung. Aber ich glaube, das hat nichts mit Schauspielerei als Beruf zu tun, sondern damit, dass man sich noch nicht eingestehen will, dass das Ding gelaufen ist. Die Vorstellung, meiner Freundin etwas vorzuspielen, finde ich absurd. Gut am Speed-Dating ist, dass man sich nicht überwinden muss, jemand anzusprechen. Anna: Damit hatte ich nie Probleme, weil man nichts zu verlieren hat. Je nachdem, wo man ist, bieten sich auch immer Themen an: "Hast du die Band schon mal live gesehen, blablabla", wenn man auf einem Konzert ist, oder "Wie findest du die Ausstellung, blablabla". Ich finde den zweiten Schritt schwieriger. Sebastian: Was ist denn der zweite Schritt? Den Arm streifen, wenn man sich unterhält? Anna: Ja, da bin ich ganz schlecht.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Sebastian: Das kann ich super - aber mir fällt das Ansprechen schwer (lacht). Nein, es ist doch immer schwer, weil man nie weiß, auf welche Widerstände man stößt. Ich bin ja gerade in einer Beziehung. Das letzte Mal, dass ich in die Offensive ging, war bei ihr. Wo hast du deine Freundin kennen gelernt? Sebastian: Wir haben uns über Freunde kennen gelernt und erfahren, dass wir beide gerne joggen. Ab da waren wir zweimal in der Woche laufen. Da ist man schnell über "Was machst du so" hinaus. Irgendwann merkten wir, dass die Jogging-Treffen die Highlights der Woche wurden. Und dann kam natürlich der Moment, wo man das aus dem Joggen herausholen musste. Anna: Hast du sie dann gefragt? Sebastian: Wir waren was Trinken und irgendwann habe ich mir gedacht: Jetzt starte mal 'ne Attacke (lacht). Da flossen dann beim Gespräch ab und zu Berührungen ein. Immer wenn das Gespräch absackte und kurz Ruhe war, habe ich das genutzt, um einen Blick auszutauschen und sie leicht am Arm zu berühren. Da wurden wir beide etwas verlegen, aber das war auch ganz schön. Anna: Den Tipp, den ich da raushöre ist: Besser mal den Mund halten (lacht). Sebastian: Ich wollte es dir nicht direkt sagen, liebe Anna, aber - ja (lacht auch). Ist München ein guter Ort, um Leute kennen zu lernen? Angeblich ist München ja Single-Hauptstadt. Sebastian: Weil hier so viele Menschen nur wegen der Arbeit herziehen, glaube ich. Das sieht man auch beim Speed-Dating: Das sind oft Leute, die keine Zeit haben in Clubs abzuhängen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Anna: Dadurch dass viele Münchner hier studieren und danach auch hier anfangen zu arbeiten, gibt es einen total gesättigten Cliquen- und Freundeskreis. Der macht die Münchner oft bequem. Ich komme zwar aus München, aber selbst ich habe das gemerkt, als ich aus Wien vom Schauspiel-Studium zurückkam. Ich fand es schwierig, alte Freundschaften wieder in Gang zu bringen, weil alle immer schon etwas vor hatten und nie zurückgerufen haben. Das gibt der Stadt etwas Feistes und Selbstzufriedenes, das ich nicht mag. Das ist so eine Münchner Arroganz, zu sagen: "Wir ham's ja eh." Gibt es gute Flirt-Orte in München? Anna: Ich mag den Hofgarten gerne und den Kunstverein, da hat man immer gleich ein Gesprächsthema. Am Königsplatz sitzt man sehr gut auf den Stufen zusammen. Sebastian: Ich finde die Isar unschlagbar, allerdings weniger zum Kennenlernen. Aber wenn man da ein Feuerchen macht oder grillt - super. In "Shoppen" entscheiden eher die Frauen, ob was aus einem Flirt wird. Hast du als Mann ab und zu das Gefühl, ausgesucht zu werden? Sebastian: Da würden 90 Prozent meiner Geschlechtsgenossen weglaufen. Ich kriege ein Problem, wenn ich das Gefühl habe, die Frau sucht mich aus. Bei allen Gender-Diskursen, die ich mitgehe, da schlägt irgendwas durch, wo ich merke: Da will ich auch jagen und sammeln, wie es in "Shoppen" heißt. Anna: Oh, Sebastian! Sebastian: (lacht) Ich brauche zumindest die Illusion, dass man mich jagen und sammeln lässt. Das ist vor allem der erste Impuls. Anna: Jagen und sammeln klingt mir echt zu archaisch, da stehe ich beim Flirten nicht drauf. Von wem was wie ausgeht, ist mir egal. Am Spannendsten finde ich, wenn man sich ergänzt und sich dieses lustvolle Abzirkeln beim Kennenlernen im Wechselspiel ergibt. Sebastian: Da bin ich konservativer. Wenn meine Freundin mich als erste umarmt hätte, hätte ich Schwierigkeiten bekommen. Es geht da nur um dieses Balzritual - da finde ich es schön, wenn man als Mann ein bisschen im Ungewissen bleibt. Das gibt dem Ganzen so einen Reiz (lacht). Interview: Caroline von Lowtzow, Meredith Haaf

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