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"Spannend wird das Lied erst, wenn die Zeilen keinen Sinn ergeben."

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Hans Peter Geerdes, 45, alias H.P. Baxxter, macht seit 18 Jahren mit der Band Scooter Musik und ist trotzdem noch wichtig: Ende Juni gab die Band in Hamburg das größte Konzert ihrer Geschichte. Und das, obwohl eigentlich jeder normale Mensch Scooter für dadaistischen Wahnsinn halten muss. Wir treffen „Äitsch Pi“ im Marriott Hotel in Hamburg. Es ist früher Nachmittag, er kommt gerade aus dem Fitnessstudio. Er bestellt einen Latte Macchiato und raucht Marlboro Lights. Auf die Frage, welches Getränk Scooter wäre, antwortet er „Wodka Bull“. 

jetzt.de: Welche Bands haben dich damals vor 1993 geprägt?
  H.P.: 1990 hörte ich „What Time is Love?“ von „The KLF“ im Radio. Von da an wollte ich nur noch solche Musik hören. Bis heute hat sich das nicht geändert. Ich bin ja ein eher konservativer Typ.
 
Ach ja?
  H.P.: Ich mache lieber das, was ich kenne. Ich war zum Beispiel noch nie auf Helgoland, obwohl ich seit 18 Jahren in Hamburg lebe. Ich fahre immer nur nach Sylt, weil es mir dort gefällt.
 
   The KLF war ein Vorbild für dich?
 Wir haben in fast jedem Lied versucht, ein Zitat oder einen Hinweis auf The KLF einzubauen. „Respect to the Man in the Ice Cream Van“ ist ja ein versteckter Gruß an die. Bei einer ihrer Aktionen ist an Weihnachten ein Eiscremeverkäufer durch London gefahren und hat Bier an Obdachlose verschenkt.
 
 1995 verbrannten The KLF eine Million Pfund auf einer schottischen Insel.
  Ja, die machten immer so geile Aktionen! Bei ihrem angeblichen Comeback sind die mit Rollstühlen auf die Bühne gefahren und haben eine total kaputte Version von „What time is Love?“ gespielt. Oder wie sie eine Schafherde auf eine Pressekonferenz geschickt haben . . .
 
   Hast du The KLF einmal persönlich kennengelernt?
  Leider nie. Aber ich habe einmal ein Interview mit The KLF gehört, in dem sie gefragt wurden, wen sie als Erbe ihres Sounds sehen. Er hat auch Scooter erwähnt, was mich sehr stolz gemacht hat. Aber vielleicht hat er das auch nur zum Spaß gesagt.
 
 Scooter könnte doch auch mal Geld verbrennen . . .
  Ach ne. Ich glaube, man muss so ticken. Die sehen ihre Musik ja eher als Kunst. Wenn Scooter einen auf Kunst macht, wäre das nicht authentisch. Die haben halt auch vieles schlauer gemacht als wir.
 
Sie hatten ein besseres Image...
  Früher ist ja unsere Musik oft zerrissen worden und wir haben in Interviews Blödsinn geredet. Wenn man das besser geplant hätte, hätten wir nicht solche Image-Probleme. Aber wir sind damals da auch reingerutscht in diesen Erfolg.
 
In „Hyper Hyper“ habt ihr 1993 einfach die Namen bekannter deutscher DJs wie Westbam und Marusha aneinandergereiht.
   Wir wollten die grüßen, weil wir sie gut fanden. Im Englischen nennt man das ja Shoutouts. Aber die waren sauer.
 
Hat dich das getroffen?
  Damals ja. Ich wollte zu der Szene gehören. Plötzlich hörten wir nur noch blöde Sprüche und keiner wollte mit uns etwas zu tun haben. Vielleicht war das, was wir produzierten, eben einen Tick kommerzieller als deren Musik. Aber wir haben halt einfach darauf losproduziert und dann kam eben diese Musik dabei raus.
 
Und heute?
 Heute ist mir die Szene egal. So läuft das oft, wenn man Erfolg hat.
   
In welchem Zustand muss man sich befinden, damit einem Textzeilen wie „How much is the fish?“ einfallen?
 Das kommt so durch Zufall. Es gab mal so eine Punkgruppe, die hat ein Lied gemacht, in dem es nur um Gemüsepreise und Lebensmittel ging, das ist mir dann eingefallen.
 
Warum, glaubst du, mögen die Leute so sinnentleerte Sprüche?
Die bleiben hängen. Jeder fragt sich: Hä? Was soll das? So merken sie sich das.
 

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


 Wie entstehen solche Lieder?
 Im besten Fall habe ich die Melodie schon im Kopf und dann tüfteln wir am Bass. Aber das wird mit der Zeit immer schwieriger.
 
 Warum?
Naja, wir wollen uns ja auch nicht ständig wiederholen.
 
Aber die Lieder von Scooter ähneln sich seit 18 Jahren doch ziemlich.
Wir haben da unsere Methode: Als Gegenpart zu dem harten Beat kommt eine eher weiche Melodie. Laute und leise Parts müssen sich abwechseln. Intro, Strophe, Refrain, zweite Strophe, Refrain, C-Part. Das ist das klassische Popsong-Rezept. Wichtig ist: Die Bassdrum, die Basis, muss sitzen. Wenn das nicht stimmt, funktioniert der ganze Track nicht.
 
Viele Leute kommen doch aus Ironie zu euren Konzerten.
Mit Sicherheit. Aber ich kann das nachvollziehen. Ich muss selbst manchmal lachen, wenn ich im Studio stehe und mir so eine Textzeile ausdenke.
 
Aber du produzierst das Lied ja trotzdem.
Weil ich denke, gerade deswegen wird es gut. Spannend wird das Lied erst, wenn die Zeilen keinen Sinn ergeben.
 
 Mit bürgerlichen Namen heißt du Hans Peter Geerdes, seit wann nennst du dich Äitsch-Pie?
Das hat ein Lehrer aus Ostfriesland, wo ich herkomme, mal zu mir gesagt. Seitdem nennen mich alle so.
 
Du wolltest von Anfang an Musiker werden?
 Das ging schon mit 14, 15 los mit der ersten Schülerband. Als ich 1985 nach Hannover zog, war ich zwar an der Uni für Jura eingeschrieben, aber eigentlich wollte ich nur Leute kennenlernen, um mit denen Musik zu machen. Ich hab damals alles auf eine Karte gesetzt.
 
Was hat sich in den 18 Jahren verändert?
Ein radikaler Umbruch war für uns sicher das Internet. Früher brachte man eine Scheibe raus, die kam in die Läden und lief oder eben nicht. Heute mit diesen Downloads ist das ja gar nicht greifbar. Aber bei uns in der Band hat sich nichts geändert. Wir haben unsere Rituale. Jens macht das Business, Rick die Produktion, ich den Rest.
 
 Und eure Fans?
Früher waren es sehr junge Leute, heute ist das gemischt: Alte, Kiddies, alle möglichen. Das „Jumpstyle“-Album hat nochmals viele junge Leute für Scooter begeistert. Nicht-Scooter-Fans denken ja immer, alle warten auf „Hyper Hyper“, aber unsere Fans, die wollen das gar nicht so gern hören.
 
Was wollen die denn hören?
„Maria, I like it loud“ – das muss man spielen.
  http://www.youtube.com/watch?v=8V94SCJ4NGc
Hast du eine Facebook-Seite?
Nein, aber es gibt viele unter meinem Namen.
 
Warum nicht?
Ach, ich weiß nicht. Ich denke immer, man hat das nicht so unter Kontrolle. Deswegen sträube ich mich. Aber vielleicht muss man das jetzt machen.
 
Am 25. Juni habt ihr in Hamburg das größte Konzert eurer Karriere gespielt.
Da fließt unser ganzer Ehrgeiz rein. Wir überlegen jedes Mal, was für eine Pyro-Show wir machen. Allerdings müssen wir in den letzten Jahren da etwas sparen.
 
Wieso?
Früher haben wir da draufgezahlt, aber das geht heute nicht mehr, weil die Plattenverkäufe so zurückgegangen sind. Irgendwo muss man ja Geld verdienen. Aber nach wie vor macht es mir am meisten Spaß, auf der Bühne zu stehen. Manche Journalisten haben ja geschrieben, das wäre so quasifaschistisch, wenn da auf der Bühne steht, „Yeah“ schreit und alle jubeln. Aber das ist doch Quatsch.
   
Hatte Scooter mal eine wilde Zeit? Groupies, Drogen?
Nie. Früher saßen wir noch ein bisschen an der Hotelbar und haben getrunken, heute gibt es manchmal noch Aftershowpartys. Damals bin ich noch öfter ausgeflippt, weil was nicht funktionierte. Ich bin Perfektionist, mir geht das wahnsinnig auf den Zeiger, wenn der Ton nicht stimmt, oder die Boxen kaputt sind. Wenn Sachen nicht klappen, die man vermeiden könnte, krieg ich einen Hals. In der Schweiz ging ein Mikrofon mal nicht, weil die Batterie alle war. Das habe ich auf den Typ geworfen.
 
 Scooter soll besonders in Osteuropa beliebt sein.
In Moskau flippen die Leute aus, wenn ich in die U-Bahn steige. Das ist viel krasser als hier. Wir waren ja auch in Kasachstan und in der Mongolei. In England hatten wir ein paar Hits – am Anfang lief „Move Your Ass“ gut, und dann kam 2008 „Jump around the world“ ein Nummer-Eins-Hit. Jetzt bin ich gespannt, ob wir bald wieder etwas in die Top Ten dort kriegen.
 
Warum unbedingt England?
 Weil es das Mutterland des Pop ist. Ich habe früher nur Musik aus England gehört. KLF sind ja auch von dort.
 
Wo lebst du jetzt?
In einer alten Jugendstilvilla in der Nähe von Hamburg. Ist sehr ruhig da. Ich habe dort alles mit alten englischen Antiquitäten eingerichtet. Da hängen ausgestopfte Tierköpfe rum. Da findest du nix Modernes. Das sieht aus wie in einem englischen Gentlemen-Club. Das gibt mir eine Behaglichkeit, ich fühle mich da wohl. Wir gehen ja, wenn wir auf Tour sind, auch nur in Schlosshotels und alte Burgen.
 
Hast du nicht manchmal Lust, etwas ganz anderes zu machen?
Dazu bräuchte ich ja auch Talent. Ich bleib lieber bei dem, was ich kann. Ich bin ein Gewohnheitsmensch. Ich esse ja auch seit meiner Kindheit jeden Abend eine Tüte Bahlsen-Flips.


Text: philipp-mattheis - Foto: Philipp Mattheis

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