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Schickeria vs. Rassismus 1:0
Warum veranstaltet ihr ein antirassistisches Fußballturnier? Simon Müller: Die Idee ist, den Raum eines Fußballturniers mit vielen anwesenden Jugendlichen aus ganz Deutschland und Europa zu nutzen, um den Teilnehmern antirassistische Grundsätze näher zu bringen. Der Sport ist hierbei die verbindende Sprache; er ist per se antirassistisch. Ein netter Nebeneffekt ist, dass engagierte Fußballfans verschiedener Vereine vernetzt werden. Zu diesem Zweck haben wir neben diversen Bayernfans auch Fans von Sankt Pauli, Babelsberg, Bochum, Tennis Borussia Berlin, Roter Stern Leipzig, aus Civitanova/Italien und ein Team der Straßenfußballliga „Bunt kickt gut“ eingeladen. Außerdem haben wir ein Programm mit dem Schwerpunkt „Rassismus als Fundament des Faschismus“ mit einem Besuch in der KZ-Gedenkstätte Dachau, einem Zeitzeugengespräch mit Martin Löwenberg und Filmen, Workshops und Diskussionen organisiert.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Hat der FC Bayern Probleme mit rassistischen Fans? Wie erlebt ihr andere Fans im Stadion? Natürlich gibt es ein paar totale Hohlköpfe, aber die fallen kaum ins Gewicht. Was wir als Hauptproblem sehen, ist ein latenter Rassismus, der bei einem Großteil der Stadionbesucher verwurzelt ist. Das äußert sich in der Regel so, dass man rassistische Ausfälle einiger weniger toleriert und sogar verharmlost. Anscheinend ist es für viele Stadionbesucher normal, wenn „Jude“ als Schimpfwort benutzt wird. Wir wehren uns aber strikt dagegen, Rassismus als ein Problem der Fußballfans abzutun. Das Fußballstadion ist ein Spiegelbild der Gesellschaft und genau wie im Stadion ist in der Gesellschaft latenter Rassismus allgegenwärtig. Wie soll man sich verhalten, wenn man so etwas mitbekommt? Wenn man demjenigen deutlich macht, was für einen Müll er von sich gibt, ist schon viel getan. Man muss diesen Leuten zeigen, dass man ihre Ausfälle nicht akzeptiert. Was kann ein Fan-Turnier bringen? Wir wollen Bewusstsein für die Thematik wecken und zu Engagement ermutigen. Antirassistisches Engagement in der Kurve steckt noch in den Kinderschuhen. Es geht in kleinen Schritten immer vorwärts, wobei wir den antirassistischen Grundkonsens der Gruppe und damit verbunden eine Plattform für kritische Fans schon als Erfolg sehen. Vor der Kurve hängt seit einigen Jahren immer eine „Ultras gegen Rassismus“-Fahne, wir haben uns mit Spruchbändern und Flugblättern schon mehrmals an der Europaweiten FARE-Aktionswoche (Football Against Racism in Europe) beteiligt und nehmen dieses Jahr zum zweiten Mal an der Mondiali Antirazzisti, der antirassistischen Fanweltmeisterschaft in Italien teil. Was macht die Schickeria noch, um sich von rassistischen Fans abzugrenzen? Wie geht ihr zum Beispiel mit auftretenden Tendenzen bei der Schickeria um? Antirassismus ist Grundkonsens unserer Gruppe. Natürlich gibt es keine „Gesinnungstests“ oder ähnliches bei der Aufnahme. Das wollen wir auch gar nicht. Wer auffällig werden würde, würde aber ziemlich schnell rausfliegen. Folglich gibt es bei den Ultras auch keine Probleme mit Rassisten, da alle den Grundkonsens der Gruppe teilen. Leider können wir diesem wichtigen Thema nicht die gebührende Aufmerksamkeit schenken, da wir uns neben „normalen“ Fandasein noch andauernd mit Repressionen und Verboten seitens der Polizei und des Vereins rumärgern müssen.