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"Fapping" ist ein Slangausdruck für Selbstbefriedigung. Seit ein paar Monaten wächst im Netz eine Community, die sich "NoFap" nennt. Knapp 100.000 junge Männer tauschen sich darin über ihre Sucht nach Online-Pornos aus – und stellen sich der "ultimativen Herausforderung": einem Leben ohne Pornokonsum und Masturbation. Gegründet wurde die Bewegung von Alexander Rhodes, 24, einem Programmierer aus Pittsburgh. Er sagt, sein Leben habe sich mit der Abstinenz enorm verbessert.

jetzt.de: Alexander, wann hast du das letzte Mal einen Porno angeschaut?
Alexander Rhodes: Um ehrlich zu sein, ich weiß es nicht. Ich zähle die Tage nicht mehr – wie es ja viele Fapstronauten online tun. Es sind auf jeden Fall einige Monate. Ich lebe ein porno- und masturbationsloses Leben.

Würdest du sagen, du warst vorher süchtig?
Das ist ein starkes Wort. Man müsste wahrscheinlich tief in die Verhaltenspsychologie eintauchen, um zu klären, inwiefern man wirklich von Sucht sprechen kann. Aber ich würde sagen: Ich hatte ein sehr ernstes Pornoproblem. Wie groß es wirklich war, habe ich aber erst gemerkt, als ich aufgehört hatte, Pornos zu schauen.

Inwiefern?
Pornos brachten mich dazu, meine Lust über alles andere zu stellen – über Liebe, Zuneigung, Einfühlungsvermögen. Keine Pornos mehr zu schauen war der Versuch, diese Fähigkeiten zurückzubekommen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Ein Leben ohne Online-Pornos und Masturbation - das ist die "ultimative Herausforderung", finden die "NoFapper"

Wie schwer ist dir das Aufhören gefallen?
Ich war ein wirklich hypersexualisierter Junge. Ich habe mindestens sechs mal am Tag masturbiert. Eine Woche oder ein Monat Pause sind da eine harte Nummer. Oh Mann, das war 'ne krasse Zeit! Der Slogan auf der Website heißt: "Mach mit bei der ultimativen Herausforderung". Den habe ich nicht einfach so gewählt.

Auf der Seite heißt es außerdem: "Erlange die Kontrolle über deine Sexualität und verwandle sie in Superkräfte!"
Das ist keinesfalls nur lustig gemeint. Es hängt damit zusammen, dass die Nutzer auf unserer Seite so unterschiedliche Erfahrungen machen. Viele haben berichtet, dass ihr Leben sich dramatisch zum Besseren gewendet hat. Für manche sind die Veränderungen minimal, aber für jemanden, der süchtig nach Pornos war und sehr viel masturbiert hat, fühlen sie sich an wie Superkräfte. Außerdem spielt es auf das Konzept der sexuellen Transformation an: Das Umlenken der Energie des menschlichen Sexualtriebs in andere Bahnen, um dein Leben insgesamt zu verbessern.

Hat das auch was mit Potenz zu tun?
Wenn du Geschichten von Fapstronauten liest, wirst du da viele Probleme und Symptome finden. Manche schreiben von Erektionsproblemen oder dass sie sich nicht trauten, auf Mädchen zuzugehen. Ich selbst litt unter etwas, das man "verzögerte Ejakulation" nennt. Ich konnte beim Sex in meinen Beziehungen nur schwer einen Orgasmus bekommen. Seit ich keine Pornos mehr schaue, hat sich das geändert. Darüber hinaus – und das ist mir auch wichtig – hat es meine Sichtweise auf Frauen verändert. In Pornos sind sie nur Objekte. Ich habe Frauen nicht respektiert. Ich hatte falsche Erwartungen, auch beim Sex.

Kann man also sagen: Ihr seid Jungs, die einen männlichen Trieb unterdrücken, um bessere Männer zu werden?
Gewissermaßen schon. Das ist ein bisschen paradox. Aber wenn du nicht exzessiv masturbierst, macht dich das zu einem besseren Partner. Ohne Pornos in meinem Leben ist es mir möglich, eine höhere emotionale Ebene mit meiner Freundin zu erreichen.

Geht es also eher ums Nicht-Masturbieren als ums Keine-Pornos-Schauen?
Das ist natürlich beides miteinander verflochten. Das kann von mir aus aber jeder selbst für sich definieren. Anfangs ging es nur darum, möglichst lange nicht zu masturbieren, mittlerweile ist es eine Community von mehr als 100.000 Leuten, und die haben nicht alle dieselbe Ausrichtung. Das mache ich auch auf der Website deutlich: Die Leute sollen sich ihre eigene Herausforderung suchen, selbst entscheiden, was sie tun oder nicht tun.

Am Anfang war "NoFap" nur ein Experiment auf einer kleinen Unterseite von Reddit.com. Du und ein paar andere wolltet eine Woche lang nicht masturbieren. Wie konnte daraus so eine große Bewegung werden?
Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung. Ich habe anfangs erwartet, dass sich nicht mehr als 20 Leute für meinen Eintrag interessieren würden. Deshalb bin ich immer noch jedes Mal geschockt, wenn wir wieder eine Zehntausendermarke knacken. Aber offenbar haben sich ziemlich viele Menschen lange nicht getraut, darüber zu sprechen, dass sie Probleme mit Pornos haben. Es wurde totgeschwiegen. "NoFap" hat eine coole Plattform dafür geboten, die nicht verbissen religiös ist, sondern sich auf persönliche Erfahrungsberichte stützt.

Diese Geschichten der Fapstronauten lesen sich zum Teil, als hätte alles Schlechte in ihrem Leben seinen Ursprung in Pornos und Masturbation gehabt, und alle positiven Entwicklungen hätten mit der Enthaltsamkeit zu tun. Ist das nicht etwas übertrieben?
Klar, viele übertreiben, was die Auswirkungen angeht. Pornokonsum ist oft auch nicht die Ursache, sondern ein Symptom. Die wahren Probleme werden erst sichtbar, wenn die Leute versuchen, ihren Konsum in den Griff zu bekommen. Es ist vielleicht sogar eine Art Placebo-Effekt. Viele Leute sagen, sie seien selbstbewusster, seit sie nicht mehr masturbieren – ein Zusammenhang, der stimmen kann oder auch nicht. Aber selbst wenn "NoFap" nur ein gigantischer Placeboeffekt wäre – mir wär’s vollkommen recht.

Die meisten Fapstronauten sind in deinem Alter oder jünger. Warum ist das Thema vor allem für Teenager und Jungs bis 25 so attraktiv?
Wir sind die Generation, für die Pornos immer schon verfügbar gewesen sind. Internet-Pornografie ist in dem Maße, wie sie jetzt zugänglich ist, ja noch relativ jung. Wir sind die ersten, die schon als Kinder und Pubertierende jederzeit massenhaft Pornos sehen konnten, also zu einer Zeit, in der sich die Sexualität entwickelt. Wer jetzt 40 ist, hatte in der Pubertät vielleicht ein paar Magazine. Er konnte selbst sexuelle Erfahrungen machen, Gewohnheiten und einen Bezug zu Sex entwickeln. Wir sind mit Youporn erwachsen geworden. Und jetzt haben wir mit den Auswirkungen davon zu kämpfen. Ich glaube, dass "NoFap" noch ganz schön wachsen wird. Wir sind schon groß – aber wir sind nichts im Vergleich zur Größe und Zahl der Pornoseiten und ihrer Nutzer.

Von Alkoholikern weiß man, dass sie ihr ganzes Leben gegen die Versuchung kämpfen müssen. Wie ist das bei dir?
Pornos ziehen mich nicht mehr an. Nur noch, wenn es mir schlecht geht. Pornos waren für mich immer eine Art Selbstmedikation, wenn ich gestresst war. In solchen Situationen fühle ich immer noch den Drang, Pornos zu konsumieren.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Alexander Rhodes, Programmierer und "NoFapper"

Es hat ziemlich lange gedauert, bis einigermaßen anerkannt war, dass Masturbieren keine Sünde oder Krankheit ist. Ist "NoFap" da nicht ein Rückschritt?
Es geht ja nicht um das Masturbieren an sich, das ist ja nicht ungesund. Wir verurteilen das auch nicht generell. Es geht um das exzessive Masturbieren. Wenn du es so oft machst, dass es den Rest deines Lebens beeinflusst. Und es geht um die Mentalität dahinter, die sich auch in unserer Gesellschaft wiederfindet: Der Gedanke, dass ein Orgasmus zum täglichen Leben so sehr dazugehört wie Essen und Atmen, ist einfach Quatsch.

Würdest du Internetpornos verbieten, wenn du könntest?
Auf keinen Fall! Ich bin strikt gegen jegliche Form der Regulierung des Internets. Man sollte in den Bereichen Erziehung und Schule ansetzen.

Wie denn?
Ich glaube, dass man im Rahmen des Sexualkundeunterrichts das Thema Pornos nicht ausklammern, sondern auf das Gefahrenpotenzial hinweisen sollte. Ich sage nicht, dass man Kindern und Jugendlichen predigen sollte, niemals einen Porno anzuschauen und niemals zu masturbieren. Aber die Kids sollten eine Ahnung haben, worauf sie sich da einlassen.

Wie hoch ist eigentlich der Frauenanteil bei euch?
Fünf Prozent sind Frauen und Mädchen.
Haben die eine andere Motivation als die Jungs?
Das ist eine Frage, die wir so nicht explizit untersucht haben. Aber nach allem, was ich aus Gesprächen weiß, haben sie dieselben Probleme. Es ist also ein menschliches Problem – nicht nur ein männliches.

Text: christian-helten - Illustration: Katharina Bitzl

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