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„Natürlich kann ich auch ohne Alkohol Spaß haben“: Amy Winehouse im jetzt.de-Interview
„Amy ist noch verkatert“, heißt es nachmittags im Londoner Büro der Plattenfirma. Es scheint also zu stimmen, was die britische Klatschpresse am liebsten über sie schreibt: Amy Winehouse, die am 14. Februar mit dem Brit Award als beste Künstlerin ausgezeichnet wurde, ist ein „bad girl“.
jetzt.de: Bist du jemand, der macht, was er will?
Amy Winehouse: Früher vielleicht, aber jetzt habe ich einen Freund. In einer Beziehung kann man nicht immer machen, was man will. Die Gefahr, dass man den anderen mit hineinzieht, ist zu groß. Wenn ich tun würde, was ich wollte, würde ich nur ausgehen und herumalbern. Wenn mein Freund dabei ist, halte ich mich zurück. Dann unternehmen wir was und machen uns einen netten Abend.
Stimmt es, dass du manchmal andere Mädchen verprügelst?
Nein, überhaupt nicht. Aber ich weiß, worauf du anspielst. Einmal ist nach einem Konzert ein Mädchen zu mir gekommen und hat gesagt: „Das war ein wirklich schönes Konzert.“ Ich habe mich geschmeichelt gefühlt und ihr ein Küsschen auf die Backe gegeben. Danach hat sie sich zu meinem Freund umgedreht und gesagt: „Sie war total beschissen.“ Das kann sie doch nicht machen! Ich bin ausgerastet und habe ihr anscheinend ins Gesicht geschlagen. Ich war ganz schön betrunken und konnte mich am nächsten Tag an nichts mehr erinnern.
Man hat dich schon den weiblichen Pete Doherty genannt.
Das ist totaler Unsinn. Ich bin ich und Pete Doherty ist Pete Doherty. Ich glaube nicht, dass wir viel gemeinsam haben.
Es gibt Gerüchte, dass ihr gemeinsam einen Song aufnehmen wollt.
Davon weiß ich noch nichts. Aber ich glaube, ich würde nicht nein sagen.
Deine Songs sind sehr persönlich. In dem Song „Rehab“ erzählst du zum Beispiel vom Alkohol und dass dich dein Management auf Entzug schicken wollte...
Stimmt. Mein damaliges Management fand, dass ich zu viel trinke und wollte, dass ich einen Entzug mache. Ich habe meinen Dad gefragt, ob er das auch so sieht und er hat gesagt: „Nein Schatz, du musst da nicht hingehen.“ Das hat mich beruhigt. Aus Neugier habe beschlossen, mir das Ganze doch mal anzuschauen. Aber genauso schnell wie ich dort war, war ich auch wieder draußen. Mein Problem war damals nicht der Alkohol, sondern dass ich unglücklich war. Ich habe getrunken, weil ich schlecht drauf war, das Trinken hat mich noch mehr runtergezogen und so weiter.
Was hat dich denn damals so deprimiert?
Ich habe nicht gearbeitet und mich gelangweilt. Ich wusste nicht, was ich machen sollte, außer Billard zu spielen, zu trinken und Spaß zu haben. Das war vor der Arbeit an der neuen Platte. Ich brauche Beschäftigung, sonst fange ich an, Unsinn zu machen. Jetzt bin ich zwar immer noch gerne betrunken, aber meine Arbeit gibt mir einen Grund, jeden Tag aufzustehen. Die Zeiten, in denen ich nur Billard spiele, tanze und trinke sind vorbei.
Die Yellow Press scheinen deine Trinkgewohnheiten dennoch mehr zu interessieren als deine Musik.
Für die Klatschpresse ist das Thema ein gefundenes Fressen. Ich finde nicht, dass ich ein Alkoholproblem habe. Ich bin jung und arbeite viel. Wenn ich frei habe, will ich Spaß haben – das ist doch normal. Natürlich kann ich auch ohne Alkohol Spaß haben, zum Beispiel indem ich Freunde bekoche oder Musik höre. Oft bin ich aber müde und habe keine Lust zu kochen oder will niemanden um mich haben. Außerdem herrscht bei mir zu Hause gerade totales Chaos, da brauche ich nicht unbedingt Gäste. Lieber gehe ich auf einen Drink woanders hin.
Glaubst du, dass man viel erlebt haben muss, um gute Songs zu schreiben?
Natürlich muss man was erlebt haben, wenn man vom Leben singen will. Ich bin am Produktivsten, wenn ich verliebt bin oder mich gerade entliebt habe und versuche, mein Leben neu zu ordnen.
Wie stellst du dir deine Zukunft vor?
Ich könnte die nächsten dreißig Jahre Musik machen. Das ist ein gutes Gefühl. Ich will aber nicht ausschließen, dass ich mich irgendwann dagegen entscheide. Als nächstes möchte aber ich neue Songs schreiben. Es sind noch so viele Ideen vom letzten Album übrig. Der Rest wird sich ergeben.
Du bist jetzt 23, ein Alter, in dem sich viele Sorgen um die Zukunft machen – entweder, weil sie zu viele Optionen haben oder weil sie überhaupt keine Möglichkeiten sehen. Kannst du das verstehen?
Unsere Generation hat es schwer, weil es gegen jede Krankheit ein Mittel gibt. Einerseits wird uns das Leben damit leicht gemacht, andererseits verlernen wir dadurch, es selbst in die Hand zu nehmen und uns zu entscheiden. Wenn wir uns bei unseren Eltern ausheulen, schicken sie uns zum Psychologen. Hätten unsere Eltern früher dasselbe getan, hätten unsere Großeltern sie wahrscheinlich für verrückt erklärt. Ich verstehe, dass heute viele Angst haben, sich ihren Weg selbst zu suchen. Ich liebe das Leben aber zu sehr, um die Hoffnung zu verlieren und bin schon glücklich, wenn mir die Sonne ins Gesicht scheint. Trotzdem kann ich nachvollziehen, warum Leute Drogen nehmen oder der Realität entkommen wollen, wenn ihnen alles zu viel wird.
Eine neue Möglichkeit der Realitätsflucht bietet das Internet mit „Second Life“. Hättest du gerne ein zweites Leben?
Kein zweites Leben, aber manchmal wäre es schön, wenn es zwei Amys gäbe. Dann könnte ich die ganze Zeit nur Billard spielen und ab und an ein Konzert, während mein Klon die Arbeit macht. Unsichtbar sein wäre auch cool – nicht für immer, Aber vielleicht für eine Woche.
Am 16. März 2007 erscheint das Album „Back to Black“.