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"Nach meinem Coming-out hat mein Onkel mir mit dem Tod gedroht“

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Ein Recht auf Mitbestimmung und Schutz vor staatlicher Willkür – das haben sich viele Menschen vom Arabischen Frühling im Nahen Osten und in Nordafrika erhofft. Auch für die bis dahin stark diskriminierte LGBTI-Community (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und Intersexuelle) war die Revolution mit der Hoffnung auf Anerkennung ihrer Rechte und mehr Freiheit verbunden. Knapp fünf Jahre nach Beginn der Revolution hat nun vergangenen Dienstag eine Konferenz in Berlin auf Einladung des Auswärtigen Amts, des Goethe-Instituts und der Hirschfeld-Eddy-Stiftung Aktivisten aus den betroffenen Ländern eingeladen und sie gefragt: Was ist von ihrem Traum übrig geblieben, welche Wünsche haben sich erfüllt, welche nicht? Badr, Dayana und Dalia aus Tunesien, dem Libanon und Ägypten haben uns diese Fragen beantwortet.
  

Badr, 35, arbeitet in Tunesien bei der Organisation „Damaj“, die sich für die Rechte von Minderheiten einsetzt

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


„Homosexualität wird in Tunesien immer noch mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft. 2008 und 2011 gab es deshalb große Festnahmewellen. Auch Morde gibt es immer wieder, registriert werden allerdings nur die an Ausländern. Natürlich haben wir gehofft, dass sich durch den Arabischen Frühling etwas ändert. Immerhin hat Tunesien seit 2014 eine neue Verfassung, die Rechtsstaatlichkeit und Gleichberechtigung garantiert. Dazu sollte auch gehören, LGBTI-Rechte durchzusetzen.

Stattdessen hat unser damaliger Minister für Menschenrechte im Jahr 2012 immer noch gesagt, dass Homosexualität „eine Krankheit“ sei, die man bekämpfen müsse. Und erst kürzlich, am 6. September 2015, wurde ein junger homosexueller Student verhaftet. Nur, weil er schwul ist. Ihm wurde kein Anwalt zur Seite gestellt und er musste sich gegen seinen Willen erniedrigenden Untersuchungen unterziehen. Als unser Justizminister danach öffentlich sagte, dass es solche Untersuchungen in Tunesien nicht mehr geben dürfe, wurde er entlassen. Die Justiz ist bei uns sowieso noch ein großes Problem: Selbst wenn die Diskriminierung von LGBTI-Personen eigentlich nicht mit der Verfassung vereinbar ist, setzen die Gerichte die neuen Gesetze noch nicht um.

Als Organisation versuchen wir natürlich, solche Fälle in die Öffentlichkeit zu bringen. Wir haben eine Aufklärungskampagne gestartet und setzen uns dafür ein, dass der Student ein ordentliches Gerichtsverfahren bekommt. Aber als LGBTI-Organisation ist es nicht einfach in Tunesien. Wir dürfen uns nicht als Verein eintragen lassen und bekommen keine staatliche Unterstützung. Das stellt uns automatisch auf die Seite der Revolutionäre, die dieses System weiter verändern wollen.

Trotzdem sehen wir die Veränderungen durch den Arabischen Frühling als Chance. Auch, dass das tunesische „Quartett für den nationalen Dialog“ den Friedensnobelpreis verliehen bekommen hat, war eine gute Entscheidung. So verschwindet Tunesien nicht aus der internationalen Aufmerksamkeit.“
 

Dayana, 26, arbeitet bei einer arabischen Organisation für die Rechte von LGBTI im Libanon

„Ich komme aus einer muslimischen Familie, mein Onkel ist bei der Hisbollah. Nach meinem Coming-out hat er mir mit dem Tod gedroht. Deshalb habe ich den Rest meiner Familie auch seit Jahren nicht mehr gesehen – es wäre einfach zu gefährlich für sie, wenn mein Onkel uns zusammen auf der Straße sieht.

Eigentlich gibt es im Libanon seit 2014 kein Gesetz mehr, das Homosexualität kriminalisiert. Trotzdem werden insbesondere Transsexuelle weiterhin ausgegrenzt, sowohl vom Staat als auch in der LGBTI-Community. Sie bekommen keine Jobs. Organisationen, die sich für sie einsetzen, werden nicht anerkannt. Ich selbst bin Akademikerin und habe wegen meiner Transsexualität trotzdem lange keine Arbeit gefunden. Ich habe sogar überlegt, deshalb den Libanon zu verlassen und im Ausland Asyl zu beantragen. Irgendwann bekam ich dann allerdings Jobs bei LGBTI-Organisationen.

Gerade bin ich, vorsichtig formuliert, zufrieden. Aber ich hatte auch Glück. Vielen Transsexuellen bleibt nur die Sexarbeit. Das ist das Kuriose an der libanesischen Gesellschaft: Eigentlich lehnen die Menschen Transsexualität ab, sie fragen mich „Warum machst du das, was soll das?“ – aber als Abenteuer ist es dann doch für viele interessant. Wir werden als Sexobjekte betrachtet. Die Prostitution als Transsexuelle ist illegal. Wird man erwischt, kommt man in Sondergefängnisse oder Einzelhaft.

Ich selbst lasse mich von den Diskriminierungen und auch von den Drohungen meines Onkels nicht mehr einschüchtern. Ich bin, wer ich bin, und ich werde nicht bestimmte Straßen meiden, um nicht aufzufallen. Ich würde mir wünschen, dass auch andere Transfrauen und -männer irgendwann so denken. Dass sie sich nicht mehr verstecken müssen und positiv in die Zukunft schauen.“

>>>> "Die ägyptischen Medien outen Leute öffentlich, die dann überwacht und in ihren Wohnungen angegriffen werden."

Dalia, 25, arbeitet für die internationale Organisation „Solidarity with Egypt LGBT“. Sie kommt aus Ägypten, studiert mittlerweile aber in Schweden

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


„Viele haben gedacht, die Unterdrückung der LGBTI in Ägypten ginge vor allem von den Muslimbrüdern aus und dass Mursi uns aus religiösen Motiven bekämpfen würde. Aber das war falsch. Das religiöse Argument, dass der Koran angeblich Homosexualität verbietet, ist nur ein Instrument, um die Menschen zu manipulieren. Denn seit dem Sommer 2014, als das Militär mit Präsident Al-Sisi an die Macht gekommen ist, ist alles noch schlimmer geworden.

LGBTI-Personen werden in großer Zahl verhaftet, auch wenn kein Gesetz Homosexualität explizit verbietet. Exekutive, Legislative und Judikative sind äußerst korrupt, die Rechte von Minderheiten werden nicht geachtet. Und auch die Medien spielen bei dem Thema keine gute Rolle. Sie starten regelrechte Kampagnen gegen LGBTI, outen Leute öffentlich, die dann überwacht und in ihren Wohnungen angegriffen werden. Diese Übergriffe werden dann teilweise sogar von Kamerateams gefilmt, es ist wirklich unglaublich.

Das alles interessiert international kaum jemanden. Im Gegenteil – viele Länder haben nach dem Arabischen Frühling ihre Beziehungen zu totalitären Regimen wie Ägypten wieder normalisiert. Deshalb versucht meine Organisation auch international Aufmerksamkeit für das Thema zu schaffen. Um andere Länder daran zu erinnern, mit wem sie sich da einlassen.“


Text: charlotte-haunhorst - Fotos: Charlotte Haunhorst; Cover: Reuters

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