Foto: Maria Dorner
Manchmal wache ich nachts auf der Couch der Studentenbude auf, in die ich für zwei Wochen eingeladen worden bin, weil ich denke, dass Kolja mich ruft. Ich liege dann ein bisschen wach und frage mich, ob Kolja mich noch kennt, wenn ich wiederkomme. Tagsüber, wenn ich meiner amerikanischen Freundin Amanda und ihren College-Kommilitonen, mit denen sie zusammenwohnt, den Abwasch mache, stelle ich fest, dass ich hier haushaltstechnisch völlig unterfordert bin. Was ich dann für einen Augenblick echt total gut finde, bevor der Gedanke wieder verschwindet, da sich alle überschwänglich für die Nudeln mit Tomatensoße bedanken, die ich gekocht habe. Ich bin ganz froh, dass ich meinen Mami-Ton einsetzen darf, wenn eine von Amandas Freundinnen zu viel getrunken hat und beschließt, lieber im Keller als auf der Couch zu schlafen. Ich kann so gut schimpfen, ich brauche nicht mal zu schreien, ich hab einen ganz tollen strengen Ton für solche Fälle.
Ich glaube Kolja ist froh, wenn er auch mal zwei Wochen Urlaub von diesem Ton hat. Ob ich Heimweh habe? Oh ja, und wie. Ich kriege jedes Mal feuchte Augen, wenn hier nur einen kleinen Jungen sehe, der im gleichen Alter ist, wie Kolja, so sehr vermisse ich ihn. Ob ich mich wie eine Rabenmutter fühle, weil ich ganz selbstsüchtig eine Einladung von einer Austauschstudentin angenommen habe? Obwohl ich wusste, dass Kolja bei seinen Omas bleiben muss, weil ich ihn ganz sicher nicht auf einen 14-stündigen Flug nach Seattle mitnehmen würde, um dann mit ihm auf einer alten Couch zu nächtigen? Ich versuche es nicht.
Wenn man jung ein Kind kriegt, muss man dann sein ganzes Leben danach ausrichten oder darf man ab und zu noch einen jugendlichen Anfall bekommen, der nicht ganz einem niedergelassenem Familienleben entspricht? Irgendwo dazwischen richte ich einfach Koljas und mein Leben ein.