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Mit Spenden einen Bürgerkrieg verhindern
Eine Revolution kostet pro Monat: 200 Euro für Flugblätter und Banner, 100 Euro für eine abgesicherte Internetverbindung und 500 Euro, um Miete und Essen für untergetauchte Oppositionelle zu bezahlen. So viel braucht zum Beispiel eine Aktivistengruppe aus Damaskus in ihrem Kampf gegen das Assad-Regime - und hofft nun auf Kleinspender aus dem Internet. Wer mag, kann über die Seite www.syrischer-fruehling.de an lokale Protestinitiativen in Syrien spenden. Initiator der Revolutions-Schwarmfinanzierung ist Elias Perabo. Im Interview erklärt er, wie er dafür sorgt, dass vom Spendergeld keine Waffen gekauft werden und wie er es trotz gekappter Bankverbindung überhaupt ins Land bekommt.
jetzt.de: Elias, mittels Crowdfunding wurde kürzlich Geld für einen Film zur Fernsehserie "Stromberg" gesammelt. Du möchtest damit die Revolution in Syrien finanzieren. Ist Crowdfunding nicht etwas zu unernst dafür?
Elias: Das Thema ist natürlich total ernst. Und Crowdfunding ist eine ziemlich naheliegende Form der Unterstützung, wenn man sich ansieht, welche Rolle soziale Medien wie Facebook während des gesamten arabischen Frühlings gespielt haben. Das Konzept hat enormes Potenzial. In den ersten zehn Tagen haben sich schon über 300 Revolutionspaten gefunden. Die Finanzierung für die zehn lokalen Aktivistenkomitees in Syrien steht damit bereits.
jetzt.de: Wie kam dir die Idee?
Elias: Eher zufällig. Im April war ich im Urlaub in der Region, erst in Syrien, dann im Libanon, wo ich meinen sehr guten Freund Rami Nakhle besucht habe. Rami ist einer der wesentlichen syrischen Cyberaktivisten und lebt im Exil in Beirut. Wir saßen zusammen und überlegten, was man machen könnte, auch von Deutschland aus. Im September war ich ein zweites Mal dort. Anschließend habe ich meinen Job als Referent bei einem Klimaschutz-Bündnis gekündigt. Ich nehme mir jetzt ein Jahr Auszeit, um mich ganz um das Projekt zu kümmern.
jetzt.de: Wie war dein Eindruck von der Lage in Syrien?
Elias: Solange man sich in der Innenstadt von Damaskus bewegt, bekommt man kaum etwas mit von den Protesten. Die Sicherheitskräfte des Regimes sind extrem gut aufgestellt. Demonstrationen werden sofort auseinandergetrieben. In den Vororten ist das anders. Da sieht man große Sockel, auf denen Statuen standen, die gestürzt worden sind. Da sieht man Bilder, die übermalt worden sind. Man sieht aber auch viele Soldaten und Scharfschützen, die zum Beispiel oben auf den Sportstadien liegen.
jetzt.de: Hattest du Angst als Ausländer mitten im Konfliktherd?
Elias: In September waren in Syrien selbst nur noch ganz wenige Ausländer unterwegs. Da fällt man natürlich auf. Ich habe mich also sehr behutsam bewegt. Wenn wir über das Handy telefoniert haben, haben wir immer unverfängliche Codewörter benutzt. Meine Computerkommunikation habe ich verschlüsselt. Angst hatte ich eher, als ich in Beirut war bei den Exil-Syrern um Rami. Er wurde schließlich von den syrischen Geheimdiensten bis in den Libanon verfolgt.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
jetzt.de: Wäre es nicht besser, für eine unabhängige Hilfsorganisation zu spenden statt an eine der Konfliktparteien?
Elias: Die humanitäre Lage in Syrien ist wirklich desolat, das stimmt. Aber die Aktivisten, die jetzt seit zehn Monaten auf die Straße gehen, bekommen kaum Unterstützung. Deren ökonomische Lage ist absolut prekär. Das sind größtenteils junge Leute zwischen 15 und 30 Jahren. Viele von denen leben im Untergrund, die müssen finanziert werden. Bisher gibt es kaum Organisationen, die das machen. In die Lücke treten wir.
jetzt.de: Damit schaltet man sich als Spender aber direkt in den Konflikt ein.
Elias: Richtig. Was wir machen ist ganz klar eine politische Intervention. Wir beziehen einen Standpunkt. Wir sagen: Es ist falsch, dass Leute für ihren Protest massakriert werden. Deswegen unterstützen wir sie.
jetzt.de: Manche Beobachter sagen, dass Syrien praktisch vor dem Bürgerkrieg steht. Wenn ich spende - unterstütze ich dann einen Krieg?
Elias: Nein, im Gegenteil. Wir finanzieren grundsätzlich nur Komitees, die sich für den unbewaffneten Widerstand ausgesprochen haben. Die Aktivisten selbst sehen darin auch ihren größten Trumpf: Die wollen nicht, dass jeder im Land mit einer Waffe rumläuft, weil dann viel von dem Protest verloren ginge. Viele Menschen würden sich dann gar nicht mehr einbringen, weil es ihnen zu gefährlich wäre. Wer einen Bürgerkrieg verhindern will, muss also gerade die Aufstände und die friedlichen Kräfte unterstützen.
jetzt.de: Kannst du garantieren, dass von dem gespendeten Geld keine Waffen gekauft werden?
Elias: Das kann man nie zu 100 Prozent garantieren. Selbst bei rein humanitärer Hilfe würde man das nicht garantieren können. Wir wollen die Komitees aber genau beobachten. Wir bekommen regelmäßig Berichte von ihnen und werden sie zwischendurch interviewen, ob die Mittel angekommen sind und wie sie sie verwendet haben. Die Verzweiflung ist sehr groß. Der Wunsch nach Bewaffnung liegt oft sehr nahe. Die Aktivisten versuchen dem immer wieder entgegenzuwirken in ihren Netzwerken.
jetzt.de: Was machen die Komitees, die unterstützt werden?
Elias: Die lokalen Komitees in Syrien bestehen meistens aus 20 bis 50 Leuten. Sie organisieren Demonstrationen, überlegen sich, aus welcher Moschee sie nach dem Freitagsgebet herausmarschieren, und achten darauf, dass gefilmt wird und die Aufnahmen hinterher ins Netz gestellt werden. Sie dokumentieren Menschenrechtsverletzungen und versorgen Verwundete. Teilweise gibt es Ärztegruppen, die sich ehrenamtlich um diejenigen kümmern, die im Widerstand verletzt worden sind. Denn die können nicht einfach in ein staatliches Krankenhaus gehen.
jetzt.de: Protest ist riskant in Syrien.
Elias: Das Risiko ist leider sehr groß, ja. Eines der Komitees, die wir fördern, hat in Damaskus ein Sit-in in einer Moschee organisiert, das blutig niedergeschlagen worden ist. Die sind verprügelt worden und haben sich Brüche zugezogen. Ein Großteil der Demonstranten ist ins Gefängnis gekommen. Es passiert oft in Syrien, dass Leute ins Gefängnis kommen, gefoltert werden und teilweise überhaupt nicht zurückkehren. Es gibt deswegen kaum ein Komitee, in dem nicht ein paar Leute im Untergrund sind.
jetzt.de: Fördert ihr auch Islamisten?
Elias: Die Komitees repräsentieren die syrische Gesellschaft, und gläubige Muslime sind ein Teil dieser Gesellschaft. Die gläubigen Muslime, die sich in den Komitees engagieren, sind sehr moderat und sprechen sich für die Trennung von Religion und Staat aus. Der Punkt ist uns wichtig: Wir fördern nur Komitees, die sich am Bild eines säkularen und demokratischen Staates orientieren und auf Gewalt verzichten.
jetzt.de: Wie kommt das Geld zu den Aktivisten? Per Banküberweisung?
Elias: Es wäre schön, wenn es so einfach ginge. Wegen der Sanktionen gibt es im Moment kein Banktransfersystem zwischen Deutschland und Syrien. Wir sind gerade gewissermaßen dabei, das erste Geld versandfertig zu machen. Wir geben es an Aktivisten in Europa, die es an Aktivisten in der Türkei geben, die es dann über die Grenze ins Land schmuggeln. Manche Dinge kaufen wir auch hier, zum Beispiel Satellitentelefone. Die bekommt man in Syrien gar nicht.
jetzt.de: Hört sich nicht gerade nach dem sichersten Weg an.
Elias: Natürlich nicht. Wir sind in einer Ausnahmesituation. Wir bemühen uns, möglichst viel Transparenz herzustellen. Aber wir können natürlich nicht genau offenlegen, über welche Wege das gespendete Geld zu den Empfängern kommt. Das würde die Aktivisten gefährden, und deren Sicherheit steht bei uns an erster Stelle.
Text: bernd-kramer - Foto: oh