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Mit dem Geld der Vielen

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Klara Harden hatte einen Traum. Sie wollte drei Wochen alleine durch die Highlands von Island wandern. Nichts Unmögliches, prinzipiell. Aber Klara wollte mehr: Sie wollte mit der Reise andere inspirieren. Sie wollte filmen und fotografieren und die Wanderung mit anderen teilen. Vor allem aber wollte sie sich die Reise von anderen bezahlen lassen. Mit Crowdfunding.

Beim Crowdfunding stellen Menschen ihr Projekt auf einer Internetplattform vor und versuchen, andere dazu zu bewegen, die Idee mit kleinen finanziellen Beiträgen zu unterstützen. Im Gegenzug müssen sich die Projektinitiatoren möglichst originelle Prämien für ihre Unterstützer überlegen. Klara lockte ihre potenziellen Geldgeber mit Logbuch-Einträgen von ihrer Reise (für 10 Euro), Postkarten aus Island (für 25 Euro) oder einem „Happy Dance“, den sie in Island performen und filmen würde (für 50 Euro). 1250 Euro hatte die 23-jährige Österreicherin für ihre Reise veranschlagt. Tatsächlich unterstützten 48 Menschen ihr Vorhaben, insgesamt kamen über 1500 Euro zusammen, das Projekt war ein Erfolg. (Meist funktioniert Crowdfunding nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip: Wenn die Zielsumme erreicht wird, bekommt der Projektinitiator das Geld. Wenn nicht, bekommen die Unterstützer ihr Geld zurück.)

Während der Finanzierungsphase bekam die Informationsdesignerin viele E-Mails von Menschen, die selbst gerne eine ähnliche Reise machen würden, aber zu Hause gebunden sind. Sie unterstützten Klara: Sie sollte in ihrem Namen die Reise auf den heimischen Bildschirm bringen. Mittlerweile ist Klaras 15-minütige Dokumentation der Fahrt online. Der Zuschauer sieht zum Beispiel, wie Klara einem Polarfuchs begegnet, er sieht aber auch, wie sie es einmal richtig mit der Angst zu tun bekommt. Klara lässt die Menschen an ihren Gefühlen teilhaben. Das hat sie schon im Vorstellungsvideo zu ihrem Projekt gemacht und auf diese Weise Unterstützer gewonnen. „Ich habe im Video Emotionen gezeigt“, sagt Klara. „Damit tun sich viele Leute schwer.“ 

Dieser Ansicht ist auch Tino Kreßner, 27, einer der beiden Gründer der Crowdfunding-Plattform startnext.de, auf der Klara ihr Projekt einstellte. Tino glaubt, wer um Geld bitte, müsse sich bei den Geldgebern Vertrauen erarbeiten. „In einem Video können am besten die Visionen beschrieben und das Team vorgestellt werden.“ Tino sagt aber auch, dass viele den Aufwand beim Crowdfunding unterschätzten. Die Projekte müssen online und offline beworben werden, die Unterstützer wollen in Updates über den Projektverlauf informiert werden. 

Andreas Schanzenbach zum Beispiel startete vor einem Jahr ein Crowdfunding-Projekt, um Geld für seine Idee namens „Paint Club“ zu sammeln. „Der Paint Club ist wie der Eurovision Song Contest der Urban Art Szene“, sagt Andreas. Illustratoren, Comiczeichner, Graffiti-Sprayer und andere Künstler stellen sich dem Entscheid in ihrem eigenen Land und müssen ein vorgegebenes Thema auf einer weißen Wand umsetzen. Die nationalen Gewinnerteams treten im internationalen Entscheid in Deutschland gegeneinander an. 

Andreas und sein Team wollten die Macht der Menge für eine Zusatzfinanzierung nutzen und ihre Sponsorengelder aufstocken. Die angestrebte Summe von 6000 Euro in 30 Tagen kam jedoch nicht zusammen. „Ich bin der festen Überzeugung, dass wir es geschafft hätten, wenn unsere Kommunikation stärker gewesen wäre“, sagt Andreas. „Solange Crowdfunding nicht im Mainstream angekommen ist, bleibt es schwierig“, findet der 32-Jährige. 

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Die Idee zu startnext.de kam Tino Kreßner 2007 während seiner Bachelorarbeit im Studiengang Medientechnik an der Hochschule Mittweida. Dabei untersuchte er das „Marketing 2.0“ und befasste sich in einem Kapitel mit dem Phänomen sellaband.com. Auf der Seite versuchen Bands, sich die Produktionskosten für ein Album im Voraus von ihren Fans finanzieren zu lassen. Tino fragte sich: Geht das auch für Filmemacher? Schließlich konzipierte er Startnext als eine Crowdfunding-Plattform für kreative Projekte. Während Tino Kreßner zusammen mit seinem Kompagnon Denis Bartelt bald an der Umsetzung einer deutschen Crowdfunding-Plattform arbeitete, gingen in den USA in den Jahren 2008 und 2009 die Websites indiegogo.com und kickstarter.com online. Kickstarter machte weltweit mit Projekten wie „Diaspora“, einer Alternative zu Facebook, oder „TikTok“ und „LunaTik“ auf sich aufmerksam. Hinter den letztgenannten Namen verbergen sich Halterungen, mit denen der iPod-Nano als Multitouch-Armbanduhr benutzt werden kann. Die Entwickler versprachen, das Projekt umzusetzen, sobald sie 15.000 US Dollar zusammen hätten. Tatsächlich wurden es mehr als 62 Mal so viel – über 940.000 Dollar. 

Bislang wurden bei Kickstarter mehr als 15.000 Projekte finanziert, über 100 Millionen Dollar wechselten die Besitzer. Auf IndieGoGo wurden sogar 50.000 Projekte unterstützt, allerdings dürfen sich Initiatoren dort jeden gesammelten Betrag auszahlen lassen, auch wenn das Finanzierungsziel nicht erreicht wird. 

Von solchen Zahlen ist Deutschland noch weit entfernt. Zwischen September und Dezember 2010 nahmen fünf Crowdfunding-Plattformen ihre Arbeit auf. Neben startnext.de waren dies mysherpas.com, inkubato.com, pling.de und visionbakery.de. Bei allen Plattformen zusammen wurde bislang angeblich die übersichtlich wirkende Zahl von 160 Ideen mit rund 423.000 Euro finanziert. Der größte Anteil kam bei startnext.de zu Stande: Bei 94 Projekten wurden 220.000 Euro überwiesen. 

Seit kurzem ist das Crowdfunding-Prinzip auch in der Startup-Szene angekommen. Bei seedmatch.de und innovestment.de können Startups im Internet um eine Geldspritze werben. Die Investoren erhalten Beteiligungen am Unternehmen und werden bei den jährlichen Gewinnausschüttungen berücksichtigt.

Der Online-Shop „Cosmopol“ ist das erste Startup, das sich über Seedmatch erfolgreich finanzieren ließ. In ihrem Shop vertreiben die beiden Unternehmer Michael Kraus und Gilbert Souvignier Produkte und Souvenirs aus 70 Ländern. „Wir sind beide viel gereist und haben uns immer gefragt, was man aus dem jeweiligen Land mitbringen kann. Die Souvenir-Läden an den Flughäfen hatten immer nur Mist“, erzählt der 34-jährige Michael. Also gründeten die beiden einen Online-Shop, in dem sie von Chips über Schals bis hin zu Kinderspielen verschiedene landestypische Produkte anbieten. Anfangs finanzierten sie ihre Idee selbst und gingen im vergangenen Jahr mit ihrem Shop online. Doch dann fehlte Geld fürs Marketing und neue Produkte. Die beiden entschieden sich für eine Finanzierung über seedmatch.de. Nach 90 Tagen hatten die beiden Gründer 100.000 Euro zusammen – 20.000 Euro mehr als sie mindestens brauchten. „Wir haben fest daran geglaubt, dass es klappt, weil wir Plattformen aus der Schweiz, aus Frankreich und Großbritannien kannten, durch die sich Startups finanzieren lassen“, erzählt Michael. 

Die Begeisterung für Crowdfunding ist in Deutschland noch auf einen kleinen Kreis von Plattform-Betreibern, Projektinitiatoren und Unterstützern beschränkt. Einer Studie des Deutschen Spendenrats zufolge spenden Privatpersonen pro Jahr gut zwei Milliarden Euro – der Anteil, der an Projektinitiatoren geht, ist überschaubar. „Das Problem in Deutschland ist, dass Crowdfunding nach wie vor ein unterbelichteter Bereich ist. Es steckt noch in den Kinderschuhen und muss sich erst etablieren“, sagt Thomas Röhr, der stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Fundraising Verbands. Und fügt an: „Aber es hat mit Sicherheit ein großes Potenzial.“

Text: dorothee-klee - Foto: jala/photocase.com

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