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Max Schrems gefällt das nicht

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Zwischen zwei Terminen will Max kurz nach Hause, um sich zu rasieren. „Ich seh sonst aus wie ein Knastbruder“, sagt er und erzählt, während er mit dem surrenden Rasierer in der Hand durch seine Wohnung läuft, dass er im vergangenen Jahr etwa 200 Interviews gegeben hat. Ein flauschiger Teppich, ein Glastisch, ein rotes Sofa, ein bisschen saubere Unordnung. Hier wohnt anscheinend ein ganz normaler Student. Nur die Badges an der Pinnwand geben einen Hinweis, warum Max seit Monaten in allen Medien präsent ist: „Europe vs. Facebook“ steht darauf oder „Österreichischer IT-Rechtstag“. Der 25-jährige Wiener, der vor einer Woche seine letzte Juraprüfung abgelegt hat, ist einer der bekanntesten Datenschützer Europas. Er ist der Mann, der Facebook verklagen will.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



  Vor eineinhalb Jahren hat Max Schrems erreicht, dass Facebook ihm die gesammelten Daten seiner Netzwerk-Mitgliedschaft aushändigte: 1200 Seiten, unter anderem mit sämtlichen von ihm gelöschten Nachrichten. Damit konnte erstmals schwarz auf weiß bewiesen werden, dass Facebook gegen europäisches Datenschutzrecht verstößt. Letzteres ist für den US-Konzern relevant, weil er seinen Europasitz in Dublin hat. Max brauchte zwei Abende und eine Flasche Wein, um 22 Anzeigen gegen Facebook bei der irischen Datenschutzbehörde aufzusetzen. Die forderte das Netzwerk daraufhin im Dezember 2011 zu Nachbesserungen auf und bescheinigte mit dem Abschlussbericht im September 2012 zufriedenstellende Ergebnisse. Max, der mit etwa zehn Mitstreitern im Verein „Europe vs. Facebook“ organisiert ist, sieht das anders. Das Resultat sei noch immer weit weg von den Gesetzen der EU, heißt es auf der Homepage des Vereins. Er reagierte mit einer 70-seitigen Stellungnahme, die das Verfahren kritisiert. Wenn die Datenschutzbehörde die Anzeigen trotzdem fallen lässt, wollen Max und seine Mitstreiter die Konsequenzen ziehen und sie verklagen. Juristisch ist keine direkte Klage gegen Facebook, sondern nur eine gegen die zuständige Aufsichtsbehörde möglich. Aber sie hätte trotzdem unmittelbare Auswirkungen auf das Netzwerk und könnte es sogar bis vor den Europäischen Gerichtshof schaffen. Die Prozesskosten würden sich auf bis zu 300.000 Euro belaufen. Seit vergangener Woche sammelt der Verein dafür per Crowdfunding. Bisher wurden schon etwas mehr als 20.000 Euro (Stand Sonntagmittag) gespendet. Und es gibt bereits potenzielle Anwälte, die den Fall übernehmen würden.

  Max hat mittlerweile viele Unterstützer und Fans. Das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz in Schleswig-Holstein steht hinter ihm, der Blogger und Journalist Richard Gutjahr lobt ihn in den höchsten Tönen und Datenschützer verehren ihn in Internetforen. Sogar in seinem liebsten Kaffeehaus nennt ihn der Kellner „unseren Filmstar“, als er ihm sein Frühstück bringt. Während Max eine Semmel schmiert, erzählt er, dass es ihm bis heute unbegreiflich ist, wieso Facebook ihm die 1200 Seiten Datenmaterial zugeschickt hat, ohne die es nie so weit gekommen wäre. Er hat sogar mal nachgefragt. „Die haben mir gesagt, sie hatten interne Kommunikationsprobleme.“ Max lacht. Das tut er sehr viel, während er seine Geschichte erzählt. Die Begriffe „absurd“ und „lächerlich“ fallen oft, die Datenschutzbehörde nennt er immer nur „die Iren“. Manchmal hat man das Gefühl, das Ganze sei für ihn ein einziger großer Witz.

  Max ist in Salzburg aufgewachsen, in einer diskussionsfreudigen Familie, aus der er seine Hartnäckigkeit und seine Gerechtigkeitsliebe mitgenommen hat. Vor fünf Jahren zog er zum Studieren nach Wien. Am meisten interessierten ihn Straf- und Verfassungsrecht, „alles, wo es um die grundsätzliche Wurscht geht“, sagt er  - und natürlich der Datenschutz. Während eines Austauschsemesters im Silicon Valley hörte er den Gastvortrag eines Facebook-Mitarbeiters. Dessen Ansichten seien so „absurd“ gewesen, dass er beschloss, ein Paper zum Thema Datenschutz und Facebook zu schreiben. Um Fakten dafür zu sammeln, stellte er einen einfachen Auskunftsantrag, der ihm die mittlerweile berühmten 1200 Seiten einbrachte.
  Mit den Kopfhörern auf der ordentlich gegelten Frisur, in schwarzer Kapuzenjacke und Jeans sitzt Max nach dem Frühstück im ORF-Funkhaus. Kompetent und ohne auch nur einmal zu stocken erklärt er in einer Schalte zum Deutschlandradio seinen Fall. Und sagt hinterher trotzdem: „Ich bin noch etwas gaga im Hirn.“ Max stapelt gerne tief, bis hin zur Koketterie. „Man muss dafür nicht genial sein“, sagt er, „Facebook bietet einfach viele Angriffspunkte. Und irgendeiner muss es ja machen.“ Dass es ausgerechnet ein Student neben seinem Studium macht, erstaunt die Öffentlichkeit. Manche werfen ihm Mediengeilheit vor. Obwohl er sonst alles so locker zu nehmen scheint, reagiert Max auf diesen Vorwurf gekränkt: „Ich hab anfangs immer gesagt, dass ich meinen Namen und mein Gesicht nicht in der Zeitung sehen will. Aber ohne einen Protagonisten kann man nicht über Datenschutz berichten. Das ist einfach zu abstrakt.“ Seitdem sind Max’ Name und Gesicht überall. In der Bild, im BR, bei SternTV, in der New York Times. Aber wenn er in der Zeitung einen Artikel über sich liest, stellt er trotzdem lieber eine Kaffeetasse auf sein Bild. 

  Auf dem Weg zum nächsten Termin mit den russischen Fernsehkorrespondenten aus Berlin redet Max. Er redet, bis der Bus kommt, und im Bus und auf dem Weg von der Haltestelle zum Kaffeehaus. Er kann das eben gut und er weiß nun mal viel. Er spricht über die smalltalkfaulen Wiener, über die Unterschiede zwischen Ost- und Westeuropa, über den Testmarkt in Haßloch, übers Snowboarden. Im Kaffeehaus angekommen muss Max auch vor den russischen Reportern erstmal wieder seinen Text abspulen und den Fall erklären. Dann wollen sie seine Facebookseite filmen. Max hat noch einen Account, aus Trotz, wie er sagt und weil er soziale Netzwerke eigentlich gut findet. Er mache ja keine Fehler, sondern die anderen. Und er sei nicht gegen Technologie, sondern für Datenschutz, der dafür sorge, dass man die Technologie vernünftig nutzen könne. Damit er auf Facebook nicht jeden Tag 300 Freundschaftsanfragen bekommt, hat er seinen Namen in kyrillischen Buchstaben angegeben. „Filmt bitte nur das Foto, eure Leute können das ja lesen“, warnt er den Kameramann. Auch den Rest der Seite will er nicht aufgenommen wissen: „Da sind Daten meiner Freunde drauf!“ Max in der Medienrolle.

  Wie meistens in den vergangenen Monaten hat er alle Termine zum Thema Facebook auf einen Tag in der Woche gelegt. Was er in der restlichen Zeit macht, will er nicht so recht verraten. „Was alle anderen Menschen auch tun“, sagt er und: „Hauptsächlich genießen, dass mein Studium endlich vorbei ist. Ich wollte diese weiße Wand, nicht wissen, wie es danach weitergeht.“ Trotz allem hat auch er die klassische „Mal sehen“-Einstellung eines Mittzwanzigers. Eine große Datenschützerkarriere ist gerade nicht in Planung.

  Bei den Außenaufnahmen ist es trotz Sonne eisig kalt, im Burggarten liegt eine dünne Schneeschicht auf den Grünflächen. Max friert und der Kameramann leiht ihm seine Handschuhe. Dann wird geplaudert, weil das Team noch Schnittbilder braucht. „Der eigentliche Punkt sind unsere Grundrechte“, sagt Max, „um Facebook geht es nur am Rande.“ Persönlich sei er mit dem Thema längst „durch“. Wie kann das sein, wo es doch gerade in die heiße Phase geht? Müsste ein so junger Jurist nicht ziemlich nervös werden, wenn er auf einmal der Gegner eines Milliardenkonzerns ist? Aber Max ist nicht nervös. Weil er sich hinter dem Gesetz verschanzen kann. Er achtet darauf, dass alles, was er zu der Sache sagt, juristisch sicher ist. Das bringt ihm Respekt ein. In der Facebook-Unternehmenszentrale führt man seinen Namen im Mund und beobachtet genau, was er tut. Die EU diskutiert derweil eine neue Datenschutzverordnung. Sein Fall wurde dort schon zwei Mal zitiert.

  Nach dem Dreh beantwortet Max bei einem Stück Pizza vom U-Bahn-Imbiss noch ein paar Fragen. Zum Beispiel die, was er eigentlich von Mark Zuckerberg hält, als dessen Widersacher er gerne gesehen wird, als der scharfsinnige junge Mann auf der anderen Seite. „Der“, sagt Max, „ist mir sowas von wurscht.“ Dann fährt er heim. Er will eine Stunde Ruhe, sonst wird er grantig. Am Abend hat er noch einen Termin mit einem Filmteam, das eine Dokumentation zum Thema Datenschutz drehen will. Und mit „den Iren“ muss er heute auch noch telefonieren.



Text: nadja-schlueter - Foto: Lukas Gansterer

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