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Lager sollen hier nicht mehr geduldet werden

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Sie leben in Containern und Baracken, zu zweit oder mehr auf 15 Quadratmetern: Etwa 20 000 Flüchtlinge aus Afghanistan, Äthiopien, Irak oder dem Kosovo werden in Bayern nur geduldet. Das bedeutet, dass sie keine Aufenthaltserlaubnis bekommen und in einem Lager leben. Eigentlich sind die so genannten Ausreisezentren und Gemeinschaftsunterkünfte als temporäre Anlagen gedacht. Schließlich sollen die Bewohner zum nächstmöglichen Zeitpunkt in ihre jeweiligen Heimatländer zurück geschickt werden. Doch weil der sich in vielen Fällen immer wieder verschiebt, werden die Duldungen ständig verlängert – so bleiben Tausende permanent recht- und mittellos.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

„Ich kenne Menschen, die seit zehn Jahren im Lager leben“, sagt Alexander Thal, „und die gehen daran kaputt.“ Der 32-Jährige arbeitet beim Bayerischen Flüchtlingsrat, einer Einrichtung, die Flüchtlinge berät, sich aber auch als politisches Organ sieht. Gemeinsam mit anderen bayerischen Menschenrechtsorganisationen hat der Flüchtlingsrat die Anti-Lager-Tour in Gang gebracht. Alexander kritisiert vor allem die Gesetzeslage, die viele Flüchtlinge in eine geradezu auswegslose Situation bringt: „In Bayern gibt es eine Zusatzverordnung, die das gesamtdeutsche Aufenthaltsrecht noch restriktiver auslegt. Während es im Bundesgesetz lediglich heißt, Asylbewerber ohne Aufenthaltsgenehmigung sollen in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden, gilt für Bayern ein Zwang.“ Hinzu kommt, dass eine Aufenthaltsgenehmigung nur Menschen erteilt wird, die ihren eigenen Unterhalt verdienen und damit vom Staat keine Sozialleistungen mehr beziehen müssen. Doch die Chance für einen geduldeten Ausländer an einen Job zu kommen, ist geringt. Allerdings nicht, weil es die Jobs nicht gibt: „Ich habe schon vier Mal einen Arbeitgeber gefunden, der mich trotz der befristeten Duldung eingestellt hätte“, erzählt Uce aus Nigeria. Der studierte Biochemiker musste wegen politischer Verfolgung seine Heimat verlassen und lebt seit über zwei Jahren in München im Lagerheim in der Emmy-Noether-Straße am Leonrodplatz. Doch jedes Mal verbot ihm die Ausländerbehörde zu arbeiten. Denn Asylbewerber stehen in der so genannten Nachrangigkeitsliste ganz unten: Finden sie einen Job, müssen sie ihn dem Arbeitsamt melden. Dort prüft man erst, ob nicht ein deutscher Arbeitsloser, ein EU-Bürger oder ein aufenthaltsberechtigter Ausländer für die Stelle in Frage kommt. „So ein Verfahren dauert vier bis sechs Wochen“, sagt Alexander. „Bis dahin ist die Stelle längst weg.“

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Bernd ist einer der Organisatoren der Anti-Lager-Tour; Fotos: meredith-haaf So müssen die Lagerbewohner weiterhin mit staatlichen Leistungen auskommen: 40 Euro im Monat, wöchentliche Essenspakete und alle drei Monate ein Hygieneset. Und sie müssen mit der Residenzpflicht leben – jede Reise, jeder Arztbesuch, der außerhalb des jeweiligen Residenzpflichtbereichs liegt, muss beantragt werden und liegt im Ermessen der Behörden. „Es kann nicht sein, dass Menschen in Deutschland so extrem in ihrer Freiheit beschränkt werden“, findet Alexander. Für ihn ist es eine Frage der Gerechtigkeit: „Ich kann nichts dafür, dass ich in Deutschland geboren bin, und genauso kann jemand anders etwas dafür, dass er in Togo geboren ist. Wieso sollte er dann für seine Herkunft bestraft werden?“ Eine Aussicht auf Änderung erhoffen sich die Flüchtlingshelfer von der Innenministerkonferenz, die im November in Nürnberg stattfindet. „Wir sind ziemlich sicher, dass es eine Entspannung in der Bleiberechtssituation gibt“, sagt Bernd aus München. Der 26-jährige Mathematikstudent ist Mitglied bei der Karawane und hat das Tour-Programm für München mitorganisiert. Hier treffen die Lager-Gegner nach ihren Stops in Neuburg und Landshut am Freitag ein. „In München sind eine ganze Menge Flüchtlingseinrichtungen in der Boschetsriederstraße 41 zusammen gelegt, etwa die Zentrale Aufnahmestelle für Flüchtlinge“, erklärt Bernd. „Wir treffen uns am Freitag um 11 Uhr dort und nehmen dann die Flüchtlinge mit vor das Innenministerium.“ Mehr unter deutschland-lagerland.de Hier erzählt Shkurte, 22, vom Leben im Lager.

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