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Ist da noch was?

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Wenn Nordkorea cool bleibt, wenn ich viel in München und wenig in Caracas lebe, wenn ich häufig Richtgeschwindigkeit fahre und selten Frittiertes esse, dann bleiben mir vielleicht noch 60 Jahre zu leben. Das ist einiges, aber ich finde es trotzdem entsetzlich wenig. Gar nicht, weil ich gerne mehr Jahre hätte. Bloß, weil ich mich vor dem Tod fürchte. Ich habe Angst, dass danach nichts ist. Ich weiß, dass es Menschen gibt, die mit der Angst vor dem Tod Beklemmungen verbinden, die manchmal sogar ihren Alltag ruinieren. Bei mir ist es ein bißchen anders. Ich nehme diese Todesfurcht eher wie einen Gefährten wahr, der in einem gewissen Abstand hinter mir her läuft, manchmal neben mir. Ein paar Mal im Jahr berührt er mich an der Schulter und löst ein bestimmtes Gefühl aus. Dann wird mir die Begrenzung meines Lebens bewusst. Dann versuche ich zu erahnen, wie es ist, wenn es um ist. Dann stelle ich mir vor, wie es ist, wenn denn tatsächlich nichts mehr ist. Und dann schauert es mich ganz gewaltig. Genau kann ich nicht mehr verorten, wann mich der Gefährte zum ersten Mal antippte. Ich habe schon Tote gesehen, ich war auf Beerdigungen und einmal habe ich einen Sarg getragen. Aber all diese Begegnungen mit dem Sterben und den Folgen haben gar nicht soviel verändert. Was mir von diesen Tagen in Erinnerung bleibt, ist die Trauer. Die Bilder der Freunde und Verwandten, die so sehr weinen, dass sie beben. Die eigentliche Furcht vor dem Tod kam erst, als es mir sehr gut ging. Ich erinnere mich an ein paar Wochen vor einigen Jahren, in denen das Leben auf der Arbeit und Daheim ein großes Grillfest war. In jenen Tagen fragte ich mich, wie lange dieses Fest im besten Falle dauernd könnte? Nicht für immer, das war klar. Es ist vermutlich ganz klug, einen Menschen nicht tausend Jahre auf dieser Erde leben zu lassen, weil er sich dann ganz schrecklich langweilen würde. (Was wäre das für ein Anblick: Ich treffe mich am 17. Juli 2756 zum dreitausendsten Mal mit einem Freund auf einem Grillfest und wir diskutieren seine zwanzigste Ehe und meine fünfzehnte Heirat.) Das Leben zieht einen großen Reiz aus der Tatsache, dass es viele erste Male gibt. Ich verstand also, dass der Tod prinzipiell keine dumme Sache ist. Aber, dachte ich dann: Ist nicht das ganze gelebte und durchdachte Leben eine Farce, wenn der Tod am Ende einfach drauftritt wie ein Elefant? Plötzlich saßen meine Gedanken auf dem Thema Tod fest und gingen von dort nicht mehr weg. Ich war bald überzeugt, dass ich eine Haltung zum Tod und dem Danach entwickeln müsste, weil damit auch eine Haltung zum Leben verbunden ist. Nur so schien ich meinem Gefährten und meiner Angst entkommen zu können. Im Grunde suchte ich eine Antwort, mit der zumindest ich selbst etwas anfangen kann. Also machte ich mich auf eine kleine Reise zu Menschen, die zum Tod und dem Danach ein klares Verhältnis haben.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Die Reise beginnt schon zu Hause, in meinem Freundeskreis. Ein Jahr lang fragte ich Freunde nach ihrer Vorstellung vom Danach. Die Antworten waren immer seltsam hölzern, manchmal sogar unwirsch. „Da ist nix“ war die häufigste Reaktion. Gleich danach kam der Rat, mich mit anderen Dingen zu beschäftigen. Im Dezember schrieb ich auf jetzt.de in der Diskussionsrubrik Tagesticker einen Text, in dem ich die Frage nach dem Danach stellte. Die Antworten waren ergiebig und zumeist, zumindest für mich, nicht besonders tröstlich. diedrossel schrieb zum Beispiel: „Danach kommt leider nichts. Man kann sich nur damit trösten, dass die eigene Biomasse auf diesem Planeten bleibt. Atome verschwinden nicht.“ voiceofregret schrieb: „Ich denke, ganz ehrlich, danach kommt: gar nix. Dass es nach dem Tod irgendwie weitergeht, hat sich der Mensch in seiner Hybris ausgedacht, um seine eigene Nichtigkeit erträglicher machen zu können.“ Nur JoergAberAuch schrieb knapp: „I’ll be back.“ Mir fiel auf, wie ich mich innerlich gegen soviel vermutete Auslöschung wehrte. Ist es so einfach? Einfach vorbei, Ende, Augen zu? Ein paar Monate später, im Sommer 2010, setze ich mich ins Auto und fahre nach Glarus in der Schweiz. Von der Autobahn geht es in ein Tal und am Ende scheint jemand die Berge auseinandergespreizt zu haben, um den Ort am Fuße zu platzieren. Pascal Voggenhuber sitzt bei Kaffee an der Durchgangsstraße. Zwei Buchhändlerinnen hofieren ihn, neben ihm sitzt seine Freundin Bahar. Pascal hat Turnschuhe an, ein bisschen Gel in den Haaren. Ganz normaler 30-Jähriger, denke ich. Denken alle, sagt Pascal Voggenhuber. „Die meisten sind eher enttäuscht, dass sie nicht den Typen mit dem roten Stirnband und den langen, schwarzen Haaren und der Kristallkugel vorfinden.“ Er lächelt und spricht feinen schweizer Singsang. Heute Abend stellt Pascal in der Aula der Schule von Glarus sein neues Buch vor. „Entdecke deinen Geistführer“. Es haben sich schon viele Gäste angekündigt. Pascals erstes Buch „Leben in zwei Welten“ war in der Schweiz so lange in der Bestsellerliste wie vorher kein anderes Esoterikbuch. Pascal spricht mit Toten. Er ist ein Medium und vielleicht ist es ganz normal, dass man ihm mit einem ganzen Koffer voll Fragen begegnet. Er sagt, dass er schon als Kind seine Schulkameraden darauf hinwies, dass sie sich zwar auf den freien Stuhl neben ihm, aber trotzdem auf seinen Geistführer namens „Zoey“ gesetzt hätten. „Ich habe Zoey gesehen, wie ich dich sehe. Aber ich wusste nicht, dass die anderen ihn nicht sehen können.“ Auf einer Esoterikmesse bescheinigen ihm Experten eine Medialität, die er nutzen müsse. Bald lässt er seine Schauspielausbildung sausen und geht in die Ausbildung zum Medium. Nach vier Jahre gibt er erste Sitzungen, er stellt Kontakte ins Jenseits her. Später schreibt er sein Leben zwischen zwei Buchdeckel und dann ist der Kalender voll: Wer sich heute für eine Sitzung bei Pascal meldet, bekommt wohl erst 2013 einen Termin. „Es geht viel um Selbstmorde“, sagt Pascal und beginnt zu erzählen. Es melden sich viele Eltern bei ihm, deren Kinder sich umbrachten und keinen Brief hinterlassen haben. In einem gut halbstündigen Treffen nimmt Pascal Kontakt auf. Er sagt, dass er dann Bilder sieht, die er in Sprache übersetzt. Für die Fernsehsendung Kerner hat Pascal einmal eine Kamera in eine Sitzung gelassen. Eine Mutter hatte ihren 23-jährigen Sohn durch Selbstmord verloren und will wissen, warum. Man sieht Pascal, wie er an der Frau, von der er nichts weiß und die er erstmals in seinem Leben sieht, vorbei zu sehen scheint. Er redet und die Frau darf nur mit „Ja“ oder „Nein“ antworten. Er erzählt, wie der Sohn war, wie er wohnte und wie er umkam. Schließlich überbringt er eine Nachricht für die Mutter: Dem Sohn tue es leid. Sein Freitod habe nichts mit der Familie sondern mit einem Mädchen zu tun gehabt. Der Mutter steigen Tränen in die Augen. Bei der Rückblende ins Kerner-Studio sitzt Walter von Lucadou neben Pascal, ein Physiker und Psychologe und in Deutschland der bekannteste Mensch, der sich mit parapsychologischen Phänomenen auseinandersetzt. Lucadou behauptet, dass mindestens die Hälfte der Dinge, die Pascal den Menschen sagt, von so allgemeiner Natur sei, dass sie jeder sagen könne. An der Straße in Glarus ärgert sich Pascal immer noch über den Satz und die Sendung. Er sagt, dass die Szene aus der Sitzung gekürzt wurde, er sagt, dass er sehr detailreich das Leben des Sohnes beschrieben habe, dass er die Todesart angedeutet habe und greift sich zur Demonstration an den Hals. Nun trägt Pascal seinen gewohnten Kampf aus. Alle sagen, dass man nicht hinter den Tod schauen kann. Warum, denken viele, sollte er es können? Pascal sagt, dass er schon für viele Tausend Menschen den Kontakt zu Verstorbenen hergestellt habe. Wer sich veräppelt vorkomme, bekomme die 150 Franken (etwa 112 Euro) für die Sitzung zurück. Das geschehe selten. Er glaubt außerdem, dass jeder außersinnliche Wahrnehmungen haben könne. „Du hast sicher schon an einen Kumpel gedacht, und dann rief der an, oder?“ Ich nicke und kann doch nicht sagen, ob es ein Beweis ist. Pascal sagt, dass er seine Medialität jahrelang trainiert habe. Erst wenn alle Wünsche und Gedanken ausgeknipst seien, öffne sich die Tür in die andere Welt. Dort, sagt Pascal, müssen wir nicht mit unseren Körpern vorhanden sein. „Aber diese Energie, die vielleicht deine Oma war, ist sich unserer und ihrer eigenen Existenz bewusst. Sie erhält sich. Du bist dann halt ein Geistkörper. Du hast dich dann verändert. Du veränderst dich ja schon jetzt jeden Tag.“ Auf dem Heimweg sehe ich mich im Rückspiegel meines Autos an und denke über Pascals letzten Satz nach. Du veränderst dich jetzt schon jeden Tag. Vielleicht, überlege ich, ist es dann eine naive Vorstellung, dass ich nach dem Tod irgendwo noch einmal in meiner Vollversion auftauchen könnte? Ein paar Wochen später im Münchner Stadtteil Schwabing. Es regnet und trotzdem hat Stefanie Puy ein dickes Grinsen auf den Lippen, als sie durch die Tür kommt. Sie studiert Evangelische Theologie und Deutsch auf Lehramt und hat gerade ihre letzte Prüfung hinter sich. Es ist ganz gut gelaufen. Sie redet mit Superlaune über den Tod. „Ich bin fest davon überzeugt, dass es nach dem Tod nicht vorbei ist“, sagt Stefanie. „Als Christin habe ich diese Hoffnung. Im Neuen Testament steht, dass es einen Himmel gibt. Dass wir auferstehen werden. Das ist ja die große Story um Jesus: Dass er den Tod überwunden hat.“ Ich muss grinsen, weil ich mich an den Tonfall vieler Pfarrer erinnere, die so reden. Worte, die vollgesogen sind mit Selbstverständlichkeit. Manchmal möchte man sie gerne auswringen. Als ich das denke, lächelt Stefanie und fragt, ob sich ihr Satz denn blöd angehört habe? Ich zucke die Schultern und sage, dass ich mich mit der Auferstehungsgeschichte manchmal schwer tue. Ähnlich wie ich mich verändere, hat sich mein Glauben verändert. Ich war mal ganz okay gläubig. Ich bin evangelisch aufgewachsen, getauft und konfirmiert, ich habe ein paar Jahre zwischen Kindergottesdienst und Indiaca-Turnier verbracht. Zuhause wohnte im Zimmer neben mir meine Großmutter. Sie war lange krank, sie glaubte viel und betete gern. Allein die Tatsache, dass sie es tat, war mir Beweis genug, dass es sich zu glauben lohnte. Dann starb sie. Ich wurde älter und mit dem Älterwerden verschwand meine Gewissheit. Die Gewissheit wurde von dem Wunsch nach Erkenntnis und von viel Grübelei ersetzt. Stefanie versucht, mich mit meinem Erkenntniswillen an die Hand zu nehmen. Sie erzählt mir von Menschen, die Gott, wie aus dem Nichts, irgendwann in ihrem Leben erfahren. Und ihr Vater, ein Pastor in der Freikirche, habe häufig mit Menschen zu tun, die kurz vor dem Tod stehen. „Er sagt, dass man es am Gesichtsausdruck sehen kann, ob die Menschen am ersehnten Ort sind.“ Vielleicht ist Stefanie deswegen so gelassen. Sie sagt, dass sie Angst vor dem Sterben habe, „aber nicht vor dem Tod“. Von einem „neuen Sein“ redet sie und sie nickt sogar, als ich ihr von Pascal erzähle. „Ich kann das Anliegen der Menschen verstehen, die zu einem Medium gehen. Aber ich sehe es kritisch. Ich bin dafür, sich an Gott direkt zu wenden.“ Zuhause schlage ich die Wette des Blaise Pascal nach, auf die mich Stefanie zum Abschied hingewiesen hatte. Er überlegte im 17. Jahrhundert, dass es doch dumm sei, nicht an Gott zu glauben, weil man dabei nur verlieren könne. Seine Argumentation ging so: Glaubt man an Gott und er existiert, gewinnt man. Glaubt man und er existiert nicht, gewinnt man nichts, verliert aber auch nicht. Glaubt man nicht und er existiert nicht, verliert man auch nichts. Glaubt man nicht und er existiert, verliert man. „Ich kann nur verlieren, wenn ich mich nicht darauf einlasse“, sagte Stefanie beim Tschüss-Sagen. „Die Alternative ist die Hoffnungslosigkeit.“ Am nächsten Morgen schreibe ich eine Mail an Harald Lesch. Er moderiert Abenteuer Forschung im ZDF, er ist Physiker und Philosoph an der Münchner Universität und kennt sich gut im Universum aus. Ich würde gerne mit ihm über den Tod reden, über den Pascal aus der Schweiz und über den Pascal aus dem 17. Jahrhundert. Einen Tag später aber, als ich auf dem Weg zu einem Mann bin, der sich mit dem Nahtod beschäftigt, lese ich auf meinem Telefon Leschs knappe aber klare Antwort: „Dazu kann ich nix sagen, gar nichts, überhaupt nichts.“

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Dr. Dr. Thomas Angerpointner ist Kinderchirurg und hat jetzt Feierabend. Er nestelt hinter seinem Tisch an der Schreibtischunterlage. Seinen Hals ziert eine Lesebrille, die an einer goldenen Kette befestigt ist und er redet schnell. „Das Thema Nahtod hat mich elektrisiert“, sagt er und berichtet, dass er seit 35 Jahren das Thema verfolge und eine Gruppe gründete, in der sich mittlerweile 130 Münchner mit Nahtoderfahrungen sich austauschen. „Meistens führt eine lebensbedrohliche Krise wie Ertrinken oder ein Verkehrsunfall zu einem Nahtoderlebnis“, sagt Angerpointner. Es gibt Schätzungen, nach denen gut vier Prozent aller Menschen schon einmal ein solches Erlebnis hatten, bei dem sie über ihrem Körper schwebten, ihr Leben in einem Zeitraffer erlebten oder dem Ende eines Tunnels entgegenliefen. Selbst Kritiker glauben, dass es diese „Out of Body Experiences“ gibt. Die Frage ist nur, wo sie herkommen. Es gibt Theorien, dass dieser Zustand durch Sauerstoffmangel im Gehirn ausgelöst werde. Andere sehen darin einen Hinweis auf eine Seele, die sich kurz vor dem Tod vom Körper löst. Angerpointner definiert zwei Lager unter den Wissenschaftlern. Die einen seien die Materialisten, die hinter dem seltsamen Zustand neuronale Funktionen sehen. Er gehört zu denen, die den vielen Tausend gesammelten Berichten von Nahtoderlebnissen trauen. Dabei geht es gar nicht so sehr um die Ursachen, sagt Angerpointner, der selbst nie ein Nahtoderlebnis hatte. Ihn fasziniert, wie sich Menschen, die ein solches Erlebnis hatten, ändern. „Prestige oder Materielles sind für diese Leute plötzlich total wurst. Es gibt eine Umwertung der Werte. Die Leute wirken fast durch die Bank leichter und toleranter, das sind sonnige und fröhliche Menschen. Die wissen jetzt, dass es weitergeht und wollen das auch den anderen Leuten beibringen – wir haben in unserer Gruppe eine ganze Armada von Hospizhelfern. Keiner von denen sagt: Das ist der Beweis für ein Leben nach dem Tod. Sie sagen: Ich weiß nur, was ich erlebt habe. Und, dass es weiter geht. Wie es weitergeht? Das ist so relativ.“ Der holländische Kardiologe und Nahtodforscher Pim van Lommel kann sich einen Zusammenhang mit der Quantenphysik vorstellen. Er glaubt, das Bewusstsein könne sich nach dem Tod transformieren, zu einer Welle werden, die sich vom Gehirn löst und sich schließlich mit allen anderen Wellen vereint, zu einer Art ursprünglichem Zustand, der dem Licht ähneln könnte. Aber das ist Spekulation. Thomas Angerpointner weiß das und lächelt. „Wir wissen vielleicht ein Millionstel von dem, was man wissen kann.“ Wie, fragt er, könne man da einfach so ein Danach ausschließen? Als ich wieder auf der Straße stehe, denke ich, dass ich noch lange so weitermachen könnte. Ich könnte weiterhin Menschen treffen, für die diese Frage nach dem Danach eigentlich keine mehr ist. Diese Treffen haben eine beruhigende Wirkung. Aber reicht mir das? Ein paar Wochen lang wandert all das Gehörte und Gelesene durch meinen Kopf. Einmal, als mich diese diffuse Todesfurcht wieder einfängt, kann ich ganz gut kontern, indem ich gedanklich die Aufzeichnungen meiner Gespräche durchgehe. Das hilft. Aber das ist noch keine Haltung dem Tod gegenüber. Eines Abends dann sitze ich zu Hause und blättere am Küchentisch in der Fernsehzeitung. Ich lese die Beschreibung zu einem Film mit Katharina Thalbach, offenbar eine Art Märchen, in dem Thalbach ziemlich viel Mist passiert, ehe sie zur großen Liebe findet. In der Kritik steht, dass Thalbach ganz wunderbar zeige, „dass es im Leben nicht immer um Erkenntnis gehe. Sondern um Leidenschaft.“ Ich bleibe an dem Satz hängen. „Moment mal“ denke ich und vollziehe eine seltsame Gedankenkette. Ich sehe mich, wie ich dauernd versuche, das Geheimnis hinter dem Tod zu erkennen. Dann sehe ich Pascal und Stefanie und Herrn Angerpointner, die mir ziemlich fröhlich von ihren Erfahrungen, vielleicht auch, im etwas übertragenen Sinne, von ihren Leidenschaften erzählen. Plötzlich frage ich mich, ob mit der Frage nach dem Danach vielleicht die Aufforderung zur Leidenschaft verbunden ist? Kann es vielleicht sein, dass ein intensives Leben von alleine die Antwort auf meine Frage gibt? Ich persönlich kann mir gerade vorstellen, dass da etwas dran ist. Aber ich werde nochmal drüber grübeln müssen. Ein bißchen Zeit habe ich ja noch, für meine endgültige Antwort. Hoffe ich zumindest.

Text: peter-wagner - Foto: Gerald von Foris

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